NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

Fenster schließen

Globales
Es geht nicht nur um Griechenland
Es geht um uns alle
Von Frank Scott

Griechenland steht im Fokus genau der Kräfte, die Griechenland als Versuchskaninchen nutzen: der internationalen Finanzherrschaft. Seit einer Generation kontrolliert sie die neoliberale Sparpolitik in jedem einzelnen Land. Wie auch immer man diesen letzten Brand in der vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaft nennen mag, ein Staat mit über 11 Millionen Menschen wird zum Testfall, um zu einer alten vorsozialdemokratischen, fundamentalistischen Staatsform zurückzukehren. Dabei werden jene sozialen Einschränkungen in die angebliche Magie des Markts eingeführt, die nach dem Verständnis von weiseren Kaufleuten Elend hervorbringen und zu sozialen Revolutionen führen können, wenn man diese nicht kontrollieren kann.


OXI – NEIN zur brutalen Politik der Verarmung – Köln, 3.7.2015
Foto: arbeiterfotografie.com

Mit der konzerngesteuerten Bewusstseinskontrolle werden die Bevölkerungen mit den typischen Geschichten über Wohlfahrtsschmarotzer abgefüttert. Demnach würden die arbeitenden Menschen den schmarotzerischen Lebensstil der Arbeitslosigkeit, der Inhaftierungen, Obdachlosigkeit und noch einiges mehr mit ihren Steuern finanzieren. Griechenland wird unterstellt, dass es solche blühenden Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich aussaugen würde. Dort würden hart arbeitende Menschen leben, während die faulen Griechen in Cafés herumsäßen und ein schönes Leben hätten.

Noch mehr Reichtum für wenige

Auch in Amerika wird dieses Märchen den Arbeitern und Rentnern erzählt. Dabei stehen diese selbst unter dem extremen Stress, die die Vergrößerung der Milliardärsklasse mit sich bringt und müssen sich unter der Last immer größerer Schulden winden. Gleichzeitig wird ihnen beigebracht, dass diejenigen, denen es noch viel schlechter geht, die Ursache für ihre Probleme sind.

Dass man auf diejenigen herabsehen soll, die noch weniger haben, gehört zum politischen Programm der neoliberalen perversen Spardoktrin und seinen Predigern, Ministern, Rabbinern, Priestern und anderen geistigen Führern. Zu einer Klasse von Hyperreichen hinaufzusehen, steht allerdings nicht auf der Agenda, insbesondere nicht, wenn diese Klasse das komplette politische System besitzt und führt. Dazu gehören auch die Regierung, die angeblich demokratisch handelt, und die Medien, die angeblich ausgewogen und objektiv berichten. Na klar.

Aber nun passiert etwas in Griechenland, was in Südamerika schon seit längerem geschieht und was bald auch in Amerika eintreten dürfte. Es passiert etwas, das das Programm für noch mehr Reichtum für wenige, größere Schulden für alle und mehr Armut als je zuvor komplett durchrüttelt. Der Staat, in dem man aufgrund seiner Geschichte, seiner Legenden und Mythen die Geburtsstätte der Demokratie vermutet, hat nun tatsächlich angefangen, sie zu praktizieren. Dies hat Panik in den Machtzirkeln ausgelöst und hat sogar zu noch mehr grausamer Dummheit in ihren Reaktionen geführt.

Ein alter Lehrsatz aus den Arbeitervierteln, wo Kredithaie sich als Geldverleiher niederließen, lautete, dass man sie nur bis zu einem gewissen Punkt zu fürchten hat. Wenn man dem Kredithai tausend Dollar schuldete, hatte man selbst ein echtes Problem. Aber wenn man dem Kredithai zwanzigtausend Dollar schuldete, hatte er ein echtes Problem. Der IWF und andere Institutionen des Euro-Finanz-Mobs, die Griechenland mit weiteren schweren Strafen drohen, wenn es seine Schulden nicht bezahlt, haben entweder nicht gelernt, oder schon vergessen, oder sind einfach zu dumm, um zu verstehen, dass man ein Risiko trägt, wenn man Menschen Schulden aufzwingt, weil man von den Zinsen profitieren will. Man trägt das Risiko, dass die Schulden nicht bezahlt werden, nicht bezahlt werden können, oder der Schuldner sich weigert zu zahlen.

Als Konsequenz kann der Kredithai den Schuldner fertig machen, wenn es sich um kleine Schulden handelt. Im Falle von Staaten kann er den totalen Krieg eröffnen. Aber wenn es sich wie bei Griechenland um internationale Schulden handelt und es dabei um Milliarden geht und global um Billiarden, die die Grundmauern der gefeierten kapitalistischen Gemeinschaft der Staaten von Europa erschüttern, kann man mit Drohgebärden nicht mehr viel ausrichten. Es sei denn, bei dem Kredithai handelt es sich um einen verrückten Idioten mit zu vielen Waffen und zu kleinem Gehirn, und er kann nicht verstehen, dass seine Herrschaft über die Nachbarschaften vorbei ist, ganz egal wie viel menschliches Elend er anrichtet.

Die ausbeuterische Gläubigerklasse reagiert auf kleine Anzeichen der Rebellion mit Maßnahmen, die noch mehr Rebellion verursachen. Diese Rebellion löst aber auch soviel Angst bei den Gläubigern aus, dass sie entweder unbeabsichtigt oder aus völliger Dummheit heraus zu einer Gewalt führt, die alles übertreffen wird, was in der Vergangenheit geschehen ist. Und selbst wenn diese Gewalt nicht ausreichen wird, um ihr System zu erhalten, so könnte sie doch ausreichen, um die Menschheit zu zerstören.

Mit Elend und Enteignung gegen die Stimme der Demokratie

Die Stimme der Demokratie wird noch nicht gehört, obwohl sie in Griechenland laut und deutlich gesprochen hat. Eine entschiedene Mehrheit hat dort den  internationalen Banken verkündet, dass sie zu Fall gebracht werden. Die Menschen haben genug gelitten. Die rachsüchtige Politik, die das griechische Volk erleben musste, ist grausam. Doch wir sollten uns auch daran erinnern, dass das nicht neu ist. Diese Art der Politik findet schon lange statt – einige würden sagen seit fünfhundert Jahren. Einige drücken sich vage aus und sprechen üblicherweise nur von Jahrzehnten. Dabei hat sie in der Dritten Welt und den Entwicklungsländern schon lange menschliches Elend verursacht. Nun zieht sie in einer Zeit der sterbenden Ordnung ganz aktuell die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie versucht, sich selbst dadurch zu erhalten, dass sie für noch mehr Elend und Enteignung auf ihrem eigenen Gebiet sorgt.

Den ehemaligen Kolonialstaaten wurden riesige Schuldenberge aufgezwungen, um ihre von Kapitalisten besessenen Volkswirtschaften zu unterwandern. Diese Schulden wurden von den meisten Menschen in der neokolonialen Welt getragen. Sie verursachten Schmerzen, Hungersnöte und Kriege, die von den westlichen Bevölkerungen kaum wahrgenommen und schon gar nicht verstanden wurden. Aber genau diese Politik der Kürzungen der Sozialprogramme bis auf ein Restminimum von sozialen Dienstleistungen, wurde nun in der Zeit einer kollabierenden Weltfinanzordnung auch in der westlichen Welt selbst eingeführt, damit die Banken in den USA und ihre Vasallen in Europa bezahlt werden konnten. Es handelt sich dabei um die Finanzordnung des privaten antidemokratischen Kapitals. Sie droht der Menschheit jetzt den Kopf zu kosten, wenn die Völker der Erde nicht schnelle Schritte unternehmen, um den Zerstörungsprozess aufzuhalten und ihn in einen Prozess des Fortschritts zu verwandeln.

Obwohl das Finanzkapital im Wesentlichen global ist, verhalten sich die Eigentümer immer noch anarchistisch individuell und sind grundsätzlich unfähig, an irgendetwas anderes zu denken als an ihren eigenen Profit – und zwar auf Kosten des "Aliens" Menschheit. Vor diesem Problem stehen nicht nur Griechenland und Europa sondern die gesamte Bevölkerung des Planeten.

Ein korrupter Gangsterhaufen kann ein Stadtviertel beherrschen, oder eine Stadt und sogar ein Land. Aber es wird schwieriger, wenn man versucht, eine globale Weltregierung vorzugeben, solange es noch Nationalstaaten gibt. Die Vereinten Nationen sind eine einzige Farce, obwohl die Versuche von einflussreichen Minderheiten, diese Organisation zu demokratisieren, wiederum ein Zeichen von Hoffnung für die Zukunft sind. Aber unabhängig davon, wie monopolistisch und riesig verschiedene Konzerne schon geworden sind, beruht die Wirtschaft immer noch auf der religiösen Doktrin des Wettbewerbs und der materiellen Realität des privaten Profits. Dies sind die Grundpfeiler für alles und jedes, was an dieser Wirtschaft beteiligt sein will. Nach diesem kapitalistischen Götterbild ist Kooperation eine Sünde und ein Werk Satans. Mittels der Kontrolle des Massenbewusstseins lehrt und gebiert diese Religion des Kapitals solch verzerrte Glaubenssätze, nach denen aufgrund der materiellen Realität der Fortschritt immer für einige möglich ist, während andere leiden müssen.

Auch während der Zeit der Sklaverei, im Feudalismus und in anderen toten Gesellschaftssystemen gab es gut lebende Bevölkerungsgruppen. Aber als die große Zahl der Nutznießer zurückging und die Bankkonten der Profiteure immer fetter wurden, gingen diese Systeme ihrem Ende entgegen. Diese vergleichbare Situation haben wir heute. Die Gruppe der Reichen wird verhältnismäßig immer kleiner, während die arbeitende Klasse, die zu Zeiten der Sozialdemokratie zur Mittelklasse aufstieg, mittlerweile in Schulden versinkt und permanent an Boden verliert bei gleichzeitigem Anstieg der Armut. Dies betrifft die USA, Europa, Asien, Afrika, Australien, sowie Nord- und Südamerika. Die Globalisierung findet mit den entsprechenden ökonomischen Regeln des Kapitals schon mindestens seit dem Beginn des Industriezeitalters statt. Und mit sich bringt sie die immer schnellere Zerstörung der Natur, die sie mehr oder weniger wie eine Ware im Dienste der Profitsteigerung behandelt.

Profit auf Kosten des Untergangs der Erde

Mit jedem Tag wird es klarer, dass die Milliardärsklasse und ihre gut bezahlten Diener nicht nur die Regierungen und die Medien kontrollieren, sondern auch das Militär, dass noch mehr Horror verbreitet. Diese Klasse trägt sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart die Schuld für die Schlachtfelder im mittleren Osten und überall. Es sind ihre Banken und ihre glorifizierten Profithaie, die längst die Art von Kredithaien übertroffen haben, die ein Pfund Fleisch von ihren Schuldnern forderten. Diese Klasse hat sich seit über einer Generation bis auf das Knochenmark an der Dritten Welt voll gefressen, und im Moment säuft sie entgegen ihrem Konzept der überlegenen Rasse das Blut ihrer eigenen Völker. Dabei saugen sie dem Planeten um des Profites Willen das Mark aus dem Körper – und zwar auf Kosten des Untergangs der Erde.

Die Menschheit entwickelt sich seit mehr als zweihunderttausend Jahren. Vor fünfhundert Jahren nahm sie die angeblich neue Welt wahr. Erst gestern nahm sie die so genannte Dritte Welt wahr, und jetzt hat sie es mit der Eurozone und Griechenland zu tun. Was wird morgen sein? Wenn wir tatsächlich noch viele Morgen erleben wollen, müssen wir uns dem Beginn einer globalen Demokratie nähern und dem Ende eines Systems, das viel mehr zu zerstören droht als die politische Ökonomie einer Nation, wenn dieses System nicht gestoppt wird.(PK)


Frank Scott schreibt politische Kommentare und Satire für seinen Blog Legalienate.

Übersetzung aus dem Englischen: Regina Schwarz

Originalartikel:
Greece? No, It’s All Of Us
By Frank Scott
Global Research, July 11, 2015
http://www.globalresearch.ca/greece-no-its-all-of-us/5461873


Der Artikel erscheint auch in der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 14 (September 2015) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.



Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/


Online-Flyer Nr. 520  vom 22.07.2015



Startseite           nach oben