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Globales
Dritte Internationale UN-Entwicklungskonferenz in Addis Abeba
Die OECD als Konkurrenz?
Von Georges Hallermayer

In Addis Abeba, Hauptstadt Äthiopiens und Sitz der Afrikanischen Union, findet seit Montag vergangener Woche die dritte Internationale UN-Konferenz über die Finanzierung der Entwicklungshilfe statt. Dieser Gipfel soll die Grundlagen für die UN-Generalversammlung im September in New York legen, auf der die Post-2015-Agenda mit den SDGs, den Sustainable Development Goals, verabschiedet werden soll.
 

Dritte Internationale UN-Entwicklungskonferenz 
2002 hatte die erste Konferenz sich zum „Konsens von Monterrey“ durchgerungen, 7 % des Bruttoinlandsprodukts im Budget für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Wurde auf der zweiten Konferenz 2008 in Doha eine äußerst bescheidene Zwischen-bilanz gezogen – die meisten Staaten (Deutschland auch) setzten diesen Beschluss nicht um - so steht auf dieser Konferenz die drängende Frage im Mittelpunkt, nämlich welche Mittel notwendig sind, um die extreme Armut von fast einer Milliarde Menschen, die mit weniger als 1,10 Euro pro Tag ihr Dasein fristen, wenn nicht abzuschaffen, so wenigstens deutlich zu verringern.
 
Bereits in der Vorbereitung der Konferenz verkeilten sich die widersprüchlichen Interessen zwischen „Nord & Süd“, sprich den imperialistischen Donatoren und den abhängigen Ländern in der Frage der Vermischung von Kredit und Hilfe und über die „Privatisierung der öffentlichen Hilfe“, was die „Coordination Sud“, aber auch in Deutschland zahlreiche Initiativen kritisieren. Vor dem Hintergrund eines selbstbewussteren Auftretens der BRICS-Staaten, einem zwar widersprüchlichen, aber für viele bedeutsamen alternativen Weg der Entwicklung, gewinnen die Forderungen der armen Länder an Gewicht. 
 
Dieser UN-Gipfel ist ebenso richtungweisend für den Klimagipfel in Paris im Dezember, auf dem das Kyoto-Nachfolgeabkommen beschlossen werden soll, auch wenn die Klimafinanzierung offiziell nicht auf der Tagesordnung steht. Während die „Gruppe 77“, in der 134 Entwicklungs- und Schwellenländer vereinigt sind, und darin federführend Brasilien aus der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ für die Klimaerwärmung einen zusätzlichen Klimafonds zur Finanzierung der Energiewende reklamiert, verweigern sich die europäischen Staaten ihrer historischen Verantwortung mit dem Alibi der Schonung ihrer knappen Budgets.
 
Der grundsätzliche Dissens aber liegt im Vorschlag der „Gruppe 77“, unter der Ägide der UNO eine internationale Steuerbehörde zu schaffen, die mittels eines international verbindlichen einheitlichen Steuer-Standards die Steuerflucht eindämmen soll. „Wenn nicht, laufen wir Gefahr, dass sich neue offshore-Centers entwickeln“ so die französische ONG „Paradis fiscaux et judiciaires“. Die „Länder des Nordens“, umschreibt Le Monde die imperialistischen Staaten, lehnen die Vorstellung einer „x-ten UN-Behörde“ ab und preisen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD als angemessene Instanz. Ein UN-Gerichtshof für unbotmäßige afrikanische Politiker bereitet schon genug Schwierigkeiten, aber eine internationale Steuerverfolgungsbehörde stünde wie ein Menetekel an der Wand. OECD-Generalsekretär Angel Gurria erinnerte pflichtschuldigst am 9. Juli in Paris, dass bereits 14 Entwicklungsländer Mitglied einer Arbeitsgruppe Steuer seien und daß127 Länder ab 2017 automatisch ihre Steuerdaten austauschen werden. Er kündigte bei gleicher Gelegenheit an, dass sich die OECD, in der wohlgemerkt die Volksrepublik China nicht Mitglied ist, sich am Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (PNUD/UNDP) beteiligt, um das speziell für Entwicklungsländer aufgelegte Programm „tax inspectors without borders“ (Steuerfahnder ohne Grenzen) auf den Weg zu bringen. Und die Geberstaaten setzten sich mit ihrer Position durch.
 
Außerdem will die OECD, genauer gesagt ihr aus 29 (Geber-)Ländern bestehendes Direktorium für Entwicklungshilfe (CAD/DAC) offensichtlich dem UN-Milleniumsziel durch Rechentricks näherkommen, nämlich Militärkosten bei der Entwicklungshilfe anrechnen. Nachdem 2008 die USA mit diesem Ansinnen auf dem G-8-Gipfel in Tokio auf Widerstand gestoßen waren, treibt nunmehr Frankreich, aber auch Belgien und Portugal die von Deutschland zurückhaltend wohlwollend begleitete Diskussion voran, obwohl schon bisher bis zu 7 Prozent der Ausgaben für UN-Friedensmissionen angerechnet werden konnten, wie Oxfam Frankreich betont. Mit der angestrebten Regelung fielen zum Beispiel für Frankreich die Millionen Euro verschlingenden Militärinterventionen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik aus der EU-relevanten Defizitberechnung heraus.
 
Aber abgesehen von der zusätzlichen Verschleierung von Militärausgaben sollen nunmehr auf der Internationalen Entwicklungskonferenz den afrikanischen Ländern die Kosten für Militärinterventionen als Hilfe verkauft werden - Drohnenkrieg und Besatzungskosten als Entwicklungshilfe, z.B. der jährliche Beitrag Frankreichs für Camp Lemmonier in Djibouti in Höhe von 30 Mio. Euro, aber auch für Deutschland interessant die Stationierung von Truppen der Bundeswehr z.B. in Mali für Zwecke der Ausbildung.
 
Aber nicht nur in dieser Frage rückt die OECD in den Vordergrund. Der in der Charta der UN verankerte Grundsatz, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Staates einzumischen, wird in sein Gegenteil verkehrt. „Good governance“ heißt der Türöffner, mit dem für „freedom & democracy“ neoliberale Zustände in Entwicklungsländer implantiert werden sollen. Und als „Stellschraube“ dienen durchzuführende Wahlen. Und im Blick steht Afrika. Denn in diesem und im nächsten Jahr sind von den insgesamt 54 Staaten der Afrikanischen Union in 47 Ländern Präsidentschafts- und Parlamentswahlen angesagt. Das Audit wird von den mit viel Entwicklungshilfegeld finanzierten Wahlbeobachtern der internationalen „Geber“ abgenommen und danach das Zertifikat „demokratisch“ (oder auch nicht) ausgestellt. Und die OECD gibt in ihrem kürzlich erschienenen Report „Ökonomische Perspektiven in Afrika 2015“ den Maßstab von „good governance“ vor. Das zu schaffende Investitionsklima, „Geschäftsklima“ genannt (natürlich nicht mit Schmiergeldern gepflegt), hebt sich unter den anderen acht politischen Kriterien wie „Verantwortlichkeit" heraus. Und die OECD bedient sich dabei nicht nur der Daten der Stiftung des sudanesischen Milliardärs Mo Ibrahim, sondern gewichtet auch dementsprechend Staaten in einer Tabelle. Die Comoren, Liberia, Marokko, Ruanda und Südafrika stünden danach in ihrem Bemühen an der Spitze, während sich in Burkina Faso, Burundi und Ägypten das Geschäftsklima verschlechtert habe.
 
Die Gelder eines anderen Milliardärs, Georges Soros, ergänzen die Bemühungen zur Durchsetzung von „guter“ Regierungsführung. Die Georges Soros-Stiftung „Open Society Foundation“ gründet und finanziert oppositionelle „Bürgerrechts“-Gruppen, um dem „regime change“ auf die Sprünge zu helfen, wie z.B. in der Ukraine und im Senegal. Dass akkurat ein Ableger der Stiftung, die Open Society Initiative for West Africa (Osiwa) die internationale Beratungsgesellschaft Dalberg mit einer Studie beauftragte und diese Studie rechtzeitig zur UN-Entwicklungskonferenz herausgibt, ist wohl Zufall: „Konzerne betrügen westafrikanische Länder um Milliarden“ hieß es dazu in der Deutsche Welle. In Zahlen zwischen 2001 und 2011 etwa 190,8 Mrd. Euro, allein im Jahr 2011 sollen es 18 Milliarden Dollar gewesen sein, mehr als ein Drittel der Entwicklungshilfe für die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft.
 
Der Volksrepublik China wird das – völkerrechtlich gebotene - beharrliche Respektieren der staatlichen Souveränität der Länder, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Landes einzumischen, zum Vorwurf gemacht. Kredite und Hilfen ohne Bedingungen zu vergeben, keine neoliberale „Anpassungsreformen“ wie Privatisierungen etc. durchzuführen, werden als Diktaturen stabilisierende Hilfen interpretiert. Milliardenkredite für Infrastrukturvorhaben mit Rohstoffen (z.B. Öllieferungen) bezahlen zu lassen oder auch in den mit US-amerikanischen Sanktionen belegten afrikanischen Staaten zu investieren, wird China als neokolonialistische Strategie unterstellt, seitdem der empirisch widerlegte Vorwurf eines „neokolonialen landgrabbing“ von Seiten Chinas nicht mehr so zieht. Unterstützt wird neuerdings diese Propaganda-These durch Wissenschaftler an der Geografischen Abteilung der britischen Universität Essex, die eine "Arbeitspapier" genannte Analyse ins Netz stellen und dabei gleichzeitig verbieten, daraus zu zitieren. Honni soit qui mal y pense!
 
Oder einfacher gesagt, wer auf ihr „unverbindliches Arbeitspapier“ hereinfällt, ist selber schuld. . Ohne auf Ursachen eingehen zu müssen, wird durch das Übereinanderlegen zweier Landkarten Afrikas versucht zu beweisen, dass in Ländern mit hohen chinesischen Investitionen und Hilfen innerstaatliche Konflikte, Terrorakte und Bürgerkriege stattfinden Dabei hat die Zeitung „Le Monde“ vor zwei Jahren ähnliches versucht, indem sie zwei Landkarten Frankreichs übereinanderlegte, um ein altes Vorurteil zu „beweisen“, dass an Orten akuter Armut der Front National mehrheitlich gewählt wird. Was längst durch die Praxis widerlegt ist, sollte nur davon ablenken, wer den Front National finanziert und welchen Interessen er dient.
 
Leider wird diese politisch motivierte, nach dem Motto „Haltet den Dieb“ von imperialistischen Machenschaften ablenkende Propaganda auch in Deutschland nicht nur von Medien wie die „Welt“ und „FAZ“ kolportiert, sondern auch in kirchlichen Kreisen, wie in dem vom Verein für ökologische Kommunikation und vom Bischöflichen Hilfswerk Misereor kürzlich mit herausgegebenen Sammelband „Afrika - Kaleidoskop der Möglichkeiten“. (PK)
 
 
 


Online-Flyer Nr. 520  vom 22.07.2015

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