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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Krieg und Frieden
Nazi-Gründung Deutsch-Indische Gesellschaft und Nachkriegs-Überraschungen
KIT-Atom-Transfer-Krimi mit Indien
Von Dietrich Schulze und Wolfram Thiemann

In der Neuen Rheinischen Zeitung wurde in einem Artikel von Dietrich Schulze [1] über das Bundesverdienstkreuz für Beate und Serge Klarsfeld erstmals kritisch die Rolle des Atommanagers und Nazis Rudolf Greifeld (NSdAP seit 1937) im Kontext mit der Deutsch-Indischen Gesellschaft (DIG) beleuchtet. Dieses Feld soll hier weiter bearbeitet werden unter zwei Gesichtspunkten: Aufklärung über den Atom-Transfer an Indien als Hilfe zum Bombenbau und Aufklärung über die fällige Aberkennung des KIT-Ehrensenator-Titels für Greifeld als Zusatz-Material.

Bomben-Quartett Greifeld, Bose, Alsdorf, Schindewolf
Collage Dietrich Schulze
 
„Karlsruhe meets India“
 
2010 erschien in einem Karlsruher Verlag das Buch „Karlsruhe meets India“ [2]. Darin wird Rudolf Greifelds Verdienst der Gründung der Karlsruher Zweigstelle der „Deutsch-Indischen Gesellschaft“ (DIG) im Jahre 1960 mit großem Lob geschildert. Die DIG wird als eine der deutsch-indischen Freundschaft verpflichtete Gruppe dargestellt. Das ist aber nur die Oberfläche. Darunter verbirgt sich knallharte Atom- und Kriegspolitik. Darin war der Jurist Greifeld sehr erfahren. Erst Mitte der 1970er Jahre konnte die Nazi-Vergangenheit des von Franz-Josef Strauß 1956 eingesetzten Geschäftsführers der Kernreaktor-Bau- und Betriebsgesellschaft (später Gesellschaft für Kernforschung GfK, jetzt KIT, Karlsruhe Institute of Technology, Campus Nord) aufgedeckt werden. Kurz danach wurde alles erneut zugedeckt. Vor mehr als vier Jahren ist diese unselige Atom- und Nazi-Erbschaft erneut ausgegraben worden. Sie wird seither unablässig öffentlich diskutiert.
 
DIG-Gründung 1942
 
Die DIG ist bereits im Jahre 1942 gegründet worden. Wörtlich in obigem Buch: „Rabindranath Tagore wurde als erstem Asiaten in Anerkennung seines literarischen Werks, vor allem der Gedichtsammlung Gitanjali, 1913 der Nobelpreis für Literatur zuerkannt. Mit seiner Weltsicht des Friedens und der Toleranz stieß er nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs insbesondere in Deutschland auf positive Resonanz. Bei einer deutsch-indischen Veranstaltung im Jahre 1942 in Hamburg wurde die von Rabindranath Tagore 1915 gedichtete und komponierte spätere Nationalhymne Indiens erstmals in der Öffentlichkeit gespielt.“ Das geschah am 11. September 1942 im Hamburger Hotel Atlantic. Im selben Monat beginnt die deutsche Vernichtungsschlacht gegen Stalingrad. Ausgerechnet eine weltweit bekannte Friedenspersönlichkeit wird im Nazi-Deutschland zum Gründungspaten der DIG gemacht. Wie bitte kann das begriffen werden?
 
Bose kontra Gandhi und Nehru
 
In der bundesdeutschen Öffentlichkeit ist weitgehend unbekannt, dass es zur gewaltfreien Abschüttelung der britischen Kolonialherrschaft, wie sie endlich erfolgreich von Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru [3] praktiziert wurde, in Indien von Beginn an eine diametral dazu alternative militärische Variante gab. Deren Repräsentant war der charismatische Führer Subhas Chandra Bose. Lesen wir dazu Genaueres in der Festschrift zum 50-(eigentlich ja schon 61-)jährigen Bestehen der Deutsch-Indischen Gesellschaft 1953–2003 [4].
„Nehru verurteilte das nationalsozialistische Regime in Deutschland. Hingegen suchte Subhas Chandra Bose, der frühere Oberbürgermeister von Kolkata (Kalkutta) und ehemalige Präsident des Indischen Nationalkongresses, aber eher der militante Freiheitskämpfer für die indische Unabhängigkeit, den Kontakt mit dem NS-Regime. Dieses stand einer militärischen Kooperation, wie sie Bose andachte, ablehnend gegenüber. Doch wurde in Berlin mit diplomatischem Status eine Zentrale Freies Indien errichtet, und in Hamburg kam es in Anwesenheit von Subhas Chandra Bose am 11.September 1942 zur Gründung der ersten Deutsch-Indischen Gesellschaft in Deutschland.“ (Seite 29)
 
„An der Gründungsfeier im Hamburger Atlantic-Hotel nahm als herausragende Persönlichkeit der Führer des auf den militärischen Freiheitskampf ausgerichteten Flügels der indischen Unabhängigkeitsbewegung, Subhas Chandra Bose, teil. In seiner Festansprache verlieh er der Überzeugung Ausdruck, dass Indien aus dem Zweiten Weltkrieg als unabhängiger Staat hervorgehen werde. Subhas Chandra Bose war während des Krieges nach Deutschland gekommen, um die Möglichkeiten einer politischen und militärischen Zusammenarbeit mit Deutschland bei den Unabhängigkeitsbestrebungen Indiens auszuloten. Ergebnislos reiste er später in einem deutschen U-Boot nach Asien zurück.“ (Seite 62)
 
Laut Wiki-Eintrag zu Bose [5] schließt sich der Kreis: „Bose wollte mit militärischen Mitteln die Unabhängigkeit Indiens erreichen und floh 1941 schlussendlich aus Indien, um im Ausland militärische Hilfe zu erbitten. Nach mehreren erfolglosen Verhandlungen wurde er 1944 (zur Zeit des Zweiten Weltkriegs) Mitbegründer und Anführer der sogenannten Indischen Legion, einem der deutschen Waffen-SS unterstellten, aus indischen Freiwilligen gebildeten Kampfverband, sowie später der Indian National Army, einer Hilfstruppe der japanischen Armee.“
 
Was lernen wir daraus? Die DIG hat eine indogermanisch-faschistoide Gründungsgeschichte. Bose warb seit 1941 um militärische Zusammenarbeit mit dem deutschen Faschismus. Der wollte aber keine zweite Front gegen England aufbauen, nachdem die Zerschlagung der Sowjetunion ab 1942 immer größere Probleme bereitete. Bose wurde also vertröstet und 1944 als praktizierender Faschist und Anführer der Indischen Legion innerhalb der Waffen-SS an den japanischen Kriegsgesellen für den Endsieg in Asien abgeschoben. Kaum zu glauben, dass Bose noch heute von sehr vielen Indern als großer Held enthusiastisch verehrt wird und u.a. der Internationale Flughafen von Kalkutta (Kolkata) gerade nach ihm benannt ist. Warum wird eigentlich dieser Shubash Chandra Bose aus deutschen Geschichtsbüchern und Curricula total verbannt? Schämt man sich der mit ihm verbündeten deutschen Geschichte?
 
Faschistoide Nachkriegs-DIG
 
Lesen wir dazu weiter in der Festschrift [4]: „Mit dem Ausgang des Krieges erlosch die personelle Zusammensetzung der Organe der Deutsch-Indischen Gesellschaft. Sie konstituierte sich neu nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 und der Bildung eines Deutsch-Indischen Dachverbandes in Stuttgart im Juni 1953 unter dem Vorsitz von Dr. Seifriz. Bei der Neubildung in Hamburg im November 1953 wurde der Indologe Professor Dr. Alsdorf, der zu den Beratern von Subhas Chandra Bose in Deutschland gehört hatte, zum Vorsitzenden der Hamburgischen Zweiggesellschaft gewählt. Die im Laufe des Krieges geschmiedeten Verbindungen zwischen Deutschen und Indern haben 1953 an der Wiege der Gründung der Deutsch-Indischen Gesellschaft in Stuttgart und der Zweiggesellschaft in Hamburg gestanden.“ (Seite 63) Dazu im Wiki-Eintrag zu Ludwig Alsdorf [6]: „1941 wurde er nach der Flucht Subhas Chandra Bose nach Deutschland ins Auswärtige Amt berufen und dem Sonderreferat Indien zugeteilt.“

Hitler, Speer, Giesler, Breker und Greifeld (x) am 30. Juni 1940 in Paris
Quelle: Bundesarchiv Az 146-2004-0017
 
Nach alledem mögen sich geneigte LeserInnen über gar nichts mehr wundern. Der indologische Nazi-Professor Alsdorf aus dem Nazi-Sonderreferat Indien steht an der Wiege der Nachkriegs-DIG. Was werden sich die durch Faschismus und Krieg geprägten Gestalten wohl gedacht haben? Nach der historischen Niederlage 1945 wagen wir einen Neuanlauf mit anderen Mitteln. Das genau war das Konzept seines akademischen Nazi-Bruders Greifeld, als er 1960 die Karlsruher DIG-Zweigstelle gründete. Unter dem Segel der Freundschaft mit Indien begann ein reger Wissens- und Technologie-Transfer. Und dazu gab es eine ganz grundsätzliche Strategie.
 
Nazi-Täter und KIT-Atom-Transfer
 
In allen ab Mitte der 1950er Jahre gebildeten Großforschungs-Atomanlagen sind für die Führungsfunktionen im Nazi-Krieg erfahrene Juristen oder Technikwissenschaftler eingesetzt worden. Warum wohl nur? Strauß und Adenauer strebten ganz offenbar den Besitz einer deutschen Atombombe an. Aber auch für den Fall, dass daraus nichts werden würde, ist zuverlässiges Personal für alternative Wege erforderlich. Es gibt eine Unmenge an Literatur darüber. Stellvertretend seien hier nur zwei aus Karlsruhe (GfK) und einer aus Jülich (KFA, jetzt FZJ) benannt [7]:
·       Walther Schnurr: 1960-70 wiss. Geschäftsführer GfK, Chemiker. Vor 1945 bei IG Farben u.a. an Herstellung von Zyklon B für Auschwitz beteiligt. Hitlers Top-Sprengstoffexperte. 1945 über die "nukleare Rattenlinie" nach Argentinien und daran beteiligt, Peron zur Atombombe zu verhelfen. In den 1960er Jahren verdeckte Atomkooperation fortgesetzt.
·       Rudolf Greifeld: 1956-75 Geschäftsführer GfK, Jurist. 1940-42, Hitlers oberster SS-Führer beim Militärbefehlshaber Frankreich in der Kommandantur Groß-Paris, für Judenverfolgungen verantwortlich. Unbelehrbarer Antisemit. Deswegen aufgeflogen und nach Aufdeckung der NS-Täterschaft abberufen.
·       Alfred Boettcher: 1960-66 wissenschaftlicher Leiter KFA. Vor 1945 Direktor der DEGUSSA, mit der Entwicklung von Geheimwaffen beauftragt. SS-Hauptsturmführer in Leiden/Holland. Wegen Kriegsverbrechen zu Gefängnisstrafe verurteilt. Deswegen abberufen. Organisierte in den 1970er Jahren die wissenschaftliche Atomkooperation ausgerechnet mit der Militärdiktatur Brasilien und dem Apartheid-Regime Südafrika.
 
Der alternative Weg kann verkürzt so beschrieben werden: Mittels Lieferung von deutschen Nuklear-Anlagen aus Forschung und Industrie sowie mit der Ausbildung von Atomwissenschaftlern aus Ländern wie Südafrika, Argentinien, Brasilien, Pakistan, Iran u.a. wird eine Atombomben-Herstellung auf fremdem Boden ermöglicht. Daraus ergeben sich ein deutscher Machtzuwachs und eine ggf. erforderliche exklusive Zugriffsmöglichkeit. Während zu den aufgezählten Ländern zahlreiche kritische Artikel erschienen sind, wurde der gleiche Transfer an Indien bislang weitgehend unter der Decke gehalten. 
 
Schwerwasser-Bomben-Technologie
 
Den fachlichen Kontakten Wolfram Thiemanns ist es zu verdanken, dass dazu Interessantes aufgedeckt werden konnte. In einem Artikel „100 Jahre Institut für Physikalische Chemie an der Universität Karlsruhe“ im Bunsen-Magazin 6/2000 [8] schreibt der Autor Ulrich Schindewolf über sich selbst:
„Am physikalisch-chemischen Institut setzte Schindewolf seine im Kernforschungszentrum mit S.Walter begonnenen Arbeiten über die Isotopentrennung, insbesondere über die Anreicherung von schwerem Wasser fort, die auf dem katalysierten Isotopenaustausch zwischen technisch erzeugtem Wasserstoff und flüssigem Ammoniak beruht. Die Untersuchungen führten zum Bau einer großtechnischen Schwerwasser-Produktionsanlage durch die Friedrich Uhde GmbH in Indien, die das schwere Wasserstoffisotop aus dem Wasserstoffstrom einer Ammoniaksyntheseanlage nach Haber-Bosch extrahiert. Schindewolf hat so ungewollt an der Entwicklung der indischen Atombombe mitgewirkt.“
 
Ulrich Schindewolf tut so, als ob er nicht gewusst habe, dass die Schwerwasser-Anlagen der Bomben-Herstellung dienen. Das weiß mittlerweile jedes Kind, das sich etwas in die Thematik einliest. Seine Atombomben-Zuarbeit war nicht „ungewollt“, sondern absichtsvoll und rücksichtslos. Eine ziemlich faustdicke akademische Zwecklüge also, die wohl keinen Menschen mit gesundem Verstand überzeugen kann.
 
Wie im Netz nachgelesen [9] werden kann, gibt es in Indien sieben Schwerwasser-Produktions-Standorte für Atomkraft und Atombomben. Aufgrund seiner Selbstdarstellung war der Kerntechnik-Chemiker Schindewolf an der Entwicklung der indischen Schwerwasser-Großtechnik („dual use“) maßgeblich beteiligt. Die bereits angesprochene atomare Kooperation zwischen Jülich und Karlsruhe war noch in ganz anderer Hinsicht „dual-use“. Jülich hatte einen Kooperationsvertrag zur Entwicklung von Atomtechnik mit Indien unterschrieben und Karlsruhe das gleiche mit Pakistan, zynischerweise an getrennten Standpunkten in Deutschland, wo sich die untereinander innig verfeindeten pakistanischen und indischen Wissenschaftler tunlichst nie begegnen sollten. An beidem hat zuständigkeits- und interessehalber Greifeld persönlich mitgewirkt. Verantwortungslose Forschungsadministration, Wissenschaft und Wirtschaft haben den beiden verfeindeten Atommächten Indien und Pakistan demnach zu ihrem tödlichen Rüstzeug verholfen. Werfen wir kurz einen Blick auf die Ursachen derartiger Perversität.
 
Politik, Geschäfte und Militärisch-Industrieller Komplex
 
Diese im Kalten Krieg entwickelte enge Verflechtung von Militär, Industrie und Politik heißt Militärisch-Industrieller Komplex. Ausgerechnet General Dwight D. Eisenhower („Atoms for Peace“) hatte bei seiner Abschiedsrede 1961 als US-Präsident davor gewarnt, dass dieser Komplex eine Gefahr für Demokratie und Frieden werden könnte, wenn die Politik als verlängerter Arm der Rüstungsindustrie Konflikte eher militärisch als politisch löse.
 
Das genau ist zum Standard-Programm dieser Republik geworden. Die Politik ist zum verlängerten Arm der Rüstungsindustrie geworden, die für ihre auf Zuwachs programmierten Profite, damals wie heute, über Leichen geht. Der militärisch-industrielle Komplex durchdringt alle Bereiche der Gesellschaft. Er sorgt für eine zivil-militärische Entwicklungspolitik und für einen „Krieg um die Köpfe“ in Schulen und Hochschulen. In der Neuen Rheinischen Zeitung wurde im März über sechs Beispiele von Zivil-Militärisch-Universitär-Industriellen Komplexen an Hochschulen berichtet [10]. Eine schwarz-rot-grün-gelbe Einheitsfront ist drauf und dran, im Falle der Ukraine einen Atomtod-gefährlichen Kriegsherd gerade gegen diejenigen aufzubauen, die mit 27 Millionen Toten das größte Opfer für die Befreiung der Menschheit vom deutschen Faschismus gebracht haben. Und der Steuerzahler blutet täglich für die Rüstung. Einen Batzen von 4 Milliarden € für das kriegstreibende Flugabwehrsystem MEADS hat die Kriegsministerin mit charmantem Lächeln der Rüstungsindustrie gerade soeben bewilligt hingeworfen.
Die Friedensbewegung, die Antiatombewegung und die antifaschistische Geschichtsaufklärung bekommen immer mehr zu tun. Erfolge rücken in die Ferne und doch sind sie noch möglich.
 
KIT-Ehrensenator-Titel Greifeld
 
Zurück zum AtomNazi und Karlsruher DIG-Gründer Greifeld, der 1969 ohne Kenntnis seiner Nazi-Vergangenheit von der Universität Karlsruhe zum Ehrensenator ernannt wurde. Seit September 2012 ist zigfach anhand schlüssiger Dokumente die Forderung nach Annullierung dieses Ehrensenator-Titels erhoben worden. Dazu kommt nun noch die mit Fakten belegte und seit 1942 vorbereitete Bombenstory mit Indien dazu. Wir dürfen weiter gespannt sein, wann für die KIT-Ethikkommission das Maß voll sein wird.
 
Bekanntlich schreibt Prof. Rusinek seit Jahren an einer Beurteilung der Annullierungsforderung für die KIT-Ethikkommission. Es sei erlaubt, hier den Schlusssatz des Artikels [1] zu wiederholen: „Könnte es nicht sein, dass Prof. Rusinek in einem ähnlichen Sinne [wie Bundespräsident Gauck] von seiner Unabhängigkeit als Historiker Gebrauch macht und der KIT-Ethik-Kommission die Aberkennung des Greifeld-Titels empfiehlt - in Würdigung der dargestellten Fakten - und damit Beate und Serge Klarsfeld auf seine Weise ehrt für die Aufdeckung der Fakten?“
 
Nachlass Léon Gruenbaum
 
Der Wissenschaftler, der unter großen persönlichen Opfern zusammen mit den Klarsfelds die Nazi-Vergangenheit Greifelds aufgedeckt hatte, wurde im Oktober 2013 in einem Symposium des Forum Ludwig Marum geehrt [11]. Seine bedeutendste und zugleich zutiefst wissenschaftliche Antwort auf seine Ausgrenzung durch Greifeld ( s. Kurzdarstellung [12] in Klarsfelds im März erschienenen Buch „Mémoires“) war ein beruflicher Wechsel vom Physiker zum Geschichtswissenschaftler. Er hatte Ende der 1970er Jahre die Monographie „Genese der Plutonium-Gesellschaft – Politische Konspirationen und Geschäfte“ erarbeitet. Eine grundlegende Analyse der geschichtlichen Entwicklung zu jenem besonderen Stoff Plutonium, der schon vor dem Nagasaki-Einsatz die Machtgelüste in aller Welt inspiriert hatte. Leider konnte die in französischer Sprache vorgelegte Arbeit immer noch nicht in deutsche Sprache veröffentlicht werden.
 
Wissenschaft in Verantwortung
 
Ja, diese Monographie von Léon Gruenbaum ist ein wunderbares Beispiel von „Wissenschaft in Verantwortung“. Seit der erfolgreichen Urabstimmung der Studierenden über eine Zivilklausel am KIT ist die Zivilklausel zu einem bundesweiten Symbol für „Wissenschaft in Verantwortung“ geworden.
Die realen Tatsachen weisen leider in eine ganz andere Richtung. Dazu nur zwei aktuelle Beispiele. Zuerst am KIT: Am 29. April gab es im Redtenbacher-Hörsaal von AStA, Hochschul- und Friedensgruppen veranstalte Vorträge zum Thema „Zivil-militärische Atomforschung am KIT - Schluss damit" [13] mit MdB Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Wolff Geisler und Georg Rammer.


Broschüren-Umschlag der Doku über die Veranstaltung [13]
Collage: Dietrich Schulze

Solche Forschung muss vor dem Hintergrund der historisch dargestellten Fakten als äußerst makaber erscheinen. Gezeigt wurden auch Ausschnitte [14] aus dem Film „Bombenwahn“ (attac Karlsruhe 1989) mit sehr vielen direkten Bezügen zu der hier behandelten Thematik.
Das zweite Beispiel: Eine Artikel-Serie in der aktuellen ZEIT mit Protest von sieben ProfessorInnen über Unzumutbares an den Hochschulen, darunter Andreas Fischer-Lescano mit dem Beitrag „Wir verkaufen unsere Seele“ [15] mit Kritik an politischer und ökonomischer Beschränkung der Hochschulfreiheit unter rechtswissenschaftlichen Gesichtspunkten.
Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen. Das gilt für die Friedensbewegung, für die Gewerkschaften und selbstverständlich auch für eine Wissenschaft, die zum Frieden beitragen will. (PK)
 
[1] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21625
[2] „Karlsruhe meets India“ Info Verlag GmbH Karlsruhe 2010 ISBN 978-3-88190-574-9
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Nehru-Gandhi-Familie
[4] http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/savifadok/40/1/DIG_Festschrift.pdf
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Subhash_Chandra_Bose
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Alsdorf
[7] https://www.zeitung-gegen-den-krieg.de/index.php/archiv.html?file=files/PDF/zgk32_netz-1.pdf
[8] https://www.ipc.kit.edu/download/PC_Karlsruhe_USchindewolf.pdf
[9] http://www.hwb.gov.in/htmldocs/general/HistoryBG.asp
[10] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21409
[11] http://www.forum-ludwig-marum.de/veranstaltungen/symposium-gruenbaum/
[12] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20150610rj.pdf
[13] http://www.attac-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/Gruppen/Karlsruhe/flyer/AG_Frieden/Doku_Veranstaltung_Zivilklausel.pdf
[14] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20150318.pdf
[15] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20150611afl.pdf


Übersetzung ins Englische  am 27.06.2015 von Lothar Letsche und Wolfram Thiemann http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20150627.pdf

Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord). 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ und publizistisch tätig.
Prof. Wolfram Thiemann (Jg. 1938) emeritierter Hochschullehrer für Physikalische Chemie an der Uni Bremen, der sich u.a. auch besonders mit Umweltchemie befasst. Der Öffentlichkeit ist er durch Publikationen über den Chemiker, Nobelpreisträger und Giftgaserfinder Fritz Haber bekannt geworden. Zur Atomthematik hat er sehr persönliche Beziehungen: Aufgrund seiner Kritik wurde versucht (allerdings ohne Erfolg!), ihn nach 9jähriger Tätigkeit zwischen 1968 bis 1976 aus der KFA Jülich zu mobben. Seit 1976 in Bremen hat er auch ganz intensive Beziehungen zur indischen Partner-Universität Pune, wo er regelmäßig im Austausch von Lehre und Forschung tätig war. (PK)


Online-Flyer Nr. 516  vom 24.06.2015



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