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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Globales
Christen für Frieden: Viva Palästina, Verständigung mit Russland
Papst Franziskus erkennt Palästina als Staat an
Von Rüdiger Göbel

Der Vatikan erkennt Palästina als souveränen Staat an. Papst Franziskus bezeichnet Präsident Mahmud Abbas gar als »Friedensengel«. Und das CSU-Urgestein Wilfried Scharnagl mahnt einen kooperativen Umgang mit Russland an. Wenn die Politiker, die sonntags in die Kirche gehen, auf die beiden hörten, wäre viel für den Frieden in der Welt getan.
 

Papst Franziskus
NRhZ-Archiv
Die Mehrzahl der Uno-Mitglieder hat Palästina bereits als souveränen Staat anerkannt. Die meisten Regierungen der NATO-Länder, allen voran die der USA und Deutschlands, lehnen dieses völkerrechtskonforme Verhalten ab. Sie stehen auf dem Standpunkt, einen palästinensischen Staat solle es erst nach einer Friedenslösung mit Israel geben – also in absehbarer Zeit nicht. Denn gleichzeitig tun sie nichts, um die Besatzungsmacht von ihrer Besatzungspolitik abzubringen.
 
Jetzt hat sich aber Papst Franziskus in der Debatte zu Wort gemeldet – und einfach mal Fakten geschaffen. In einem neuen Vertrag erkennt der Heilige Stuhl den Staat Palästina offiziell an. Der Vatikan mag ein kleines Land sein, doch der Papst ist das Oberhaupt von 1,2 Milliarden Christen in der Welt. Sein Votum in der Frage hat mithin globale Bedeutung.
 
Die palästinensische, auch in Deutschland geschätzte Spitzenpolitikerin Hanan Aschrawi würdigte die Entscheidung Roms als »Beitrag für Frieden und Gerechtigkeit«. Der Schritt des Vatikan sende die Nachricht aus, dass das palästinensische Volk das Recht auf Selbstbestimmung, formelle Anerkennung, Freiheit und Eigenstaatlichkeit verdiene, so das prominente Mitglied des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO.
 
Israels Reaktion war erwartbar. Aus dem Außenministerium verlautete, der Vertrag werde die Palästinenser nicht an den Verhandlungstisch zurückbringen – als ob Israel darauf warten würde und ernsthaft eine Friedenslösung anstrebte.
 
Doch der Papst legt noch eins drauf. Am Sonntag nach Christi Himmelfahrt hat er zwei palästinensische Nonnen zu Heiligen erklärt: Die Gründerin des Rosenkranzordens, Marie-Alphonsine, in Jerusalem und Schwester Mariam Bawardy vom Karmeliterorden in Bethlehem. Es sind die ersten arabischen Christen, die derart gewürdigt werden. Die »Frankfurter Rundschau« hat gleich einen »Heiligenschein für Palästina« ausgemacht.
 

Mahmud Abbas
NRhZ-Archiv
Als wäre das noch nicht genug, hat Papst Franziskus den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zu einer Privataudienz in Rom empfangen. Wie der Vatikan mitteilt, ist es bei dem »herzlichen« Treffen im Apostolischen Palast auch um den Friedensprozess mit Israel gegangen und um die Hoffnung, dass beide Seiten wieder direkte Verhandlungen aufnähmen. Nach dem Gespräch gab es Geschenke. Franziskus überreichte Abbas eine Medaille mit einem Friedensengel, um den »schlechten Geist des Krieges zu zerstören«. »Ich musste an Dich denken, weil Du ein Friedensengel bist«, soll der Papst laut Journalistenbriefing gesagt haben.
 
Der »Merkur« in München macht auf die Tragweite des päpstlichen Paukenschlages aufmerksam. »Im vatikanischen Staatssekretariat ist man sich der hohen Bedeutung, aber auch der politischen Brisanz der Vereinbarung bewusst. Die Entscheidung dürfte den Bemühungen der Regierung in Ramallah um weltweite diplomatische Anerkennung einen entscheidenden Schub verschaffen.« Europäische Regierungen könnten sich nun vom Heiligen Stuhl ermutigt fühlen, so der »Merkur«. »Auch die US-Regierung soll den Schritt mit Wohlwollen verfolgen, schließlich herrscht in Washington noch immer große Verärgerung über die jahrelange Blockadehaltung des israelischen Ministerpräsidenten, die sämtliche Vermittlungsmissionen Washingtons zunichte gemacht hat. Freunde habe Benjamin Netanjahu nur noch bei den republikanischen Hardlinern im Kongress, heißt es.« Und: Das Abkommen über den Rechtsstatus der Katholischen Kirche mit dem immerhin säkularen Staat Palästina könne Vorbildcharakter für andere gemäßigte arabische Länder oder die Türkei haben, gibt die Zeitung »Vatikaninsider« wieder.

Wilfried Scharnagl
Quelle: n-tvnow.de
 
In Berlin meldet sich in dieser Woche ein anderer Christ in Friedensfragen zu Wort, der gehört werden sollte. Das CSU-Urgestein Wilfried Scharnagl, von 1977 bis 2001 Chefredakteur des »Bayernkurier« stellt im Nobelhotel Adlon sein neues Buch vor. »Am Abgrund« versteht sich als »Streitschrift für einen anderen Umgang mit Russland« und ist mit einem Vorwort von Michail Gorbatschow versehen.
 
Russlands Präsident Wladimir Putin ist schuld am Ukraine-Konflikt, heißt es in Politik und Presse hierzulande unisono. »Mit der politischen Wirklichkeit hat diese Sicht der Dinge wenig zu tun«, schreibt Scharnagl nicht zuletzt seinen eigenen Parteifreunden und denen in der Schwesterpartei CDU ins Stammbuch. »Das politische und militärische Geschehen um die Ukraine kann nur verstanden und in seiner Gefährlichkeit überwunden werden, wenn sich der Westen bemüht, auch die andere, die russische Seite zu begreifen.« Der Westen müsse »weg von der antirussischen Einseitigkeit«
 
Die Dinge seien »zu kompliziert, um nach einem einfachen Schwarzweißmuster bewertet zu werden«, so der Bayer, der 1987 seinen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß nach Moskau begleitet hatte. Die Eindrücke von damals, etwa beim Besuch deutscher Soldatengräber, fließen in das Buch ein – und tragen zu einer um Verständnis und Verständigung mahnenden Grundhaltung bei.
 
Der Christsoziale ist offensichtlich verärgert über die US-Politik der vergangenen Monate: »In der dramatischen politischen Lage zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in dem von dem seit 1945 in Europa Undenkbaren wieder die Rede ist, von Kriegsgefahr und Krieg, deutet vielerlei darauf hin, dass Washington wieder strikt auf seine missionarische und weltpolizeiliche Linie zurückzufallen droht.« Scharnagl warnt: Europa zu Waffenlieferungen in die Ukraine zu drängen, »das bedeutet, die Tür zu einem in seinen Folgen und in seinem Ausmaß unübersehbaren Krieg aufzustoßen«
 
Nachdruck verleihen seinen Ausführungen Martin Herrenknecht vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der SPD-Ostpolitiker Egon Bahr und Matthias Platzeck (Deutsch-Russisches Forum), die zur Buchdiskussion angekündigt sind.
 
Wir dürfen gespannt sein, ob Buch und Veranstaltung im Nobelhotel Adlon gebührend gewürdigt werden oder wie die Friedensbotschaft von Papst Franziskus unter ferner liefen laufen wird… (PK)
 
Rüdiger Göbel hat diesen Artikel bei "Sputniknews" veröffentlicht, von dem wir ihn mit Dank erhalten haben: http://de.sputniknews.com/meinungen/20150520/302401250.html
 
 


Online-Flyer Nr. 512  vom 27.05.2015

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