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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Globales
Eine sehr ungewöhnliche Fragerunde mit Russlands Außenminister Lawrow
Antworten an Menschen in aller Welt per Twitter
Von Peter Kleinert

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat am 22. April Fragen zu aktuellen Problemen der internationalen Beziehungen und der Außenpolitik Russlands beantwortet. Menschen aller Nationen konnten ihm via Twitter Fragen stellen. Drei russische Top-Journalisten moderierten die Fragerunde mit ihm. Es war das erste Mal, dass Lawrow sich in diesem Format Fragen von Menschen aus aller Welt stellte. Hier eine Zusammenfassung seiner wichtigsten Antworten, die uns RT DEUTSCH dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat:

Russlands Außenminister Sergej Lawrow in der Twitter-Fragerunde
Foto: RT DEUTSCH
 
Warum erkennt Russland Neurussland nicht an? (1)
 
    „Novorossia ist ein sehr verschwommener Terminus. […] Wir möchten, dass die Menschen friedlich leben und dafür muss die Ukraine einheitlich bleiben. […] Die Ukraine kann nur als Staat überleben, wenn sie die Vielfalt des Landes anerkennt. […] Wir wollen Ruhe in der Ukraine, deswegen darf sie nicht getrennt werden.”
 
Sind Sie enttäuscht von Obama?
 
    „Ich möchte nicht zu persönlich werden, aber es hat viele Hoffnungen gegeben, er hat den Friedensnobelpreis erhalten für sein Engagement und danach folgten zahlreiche Kriege. Und zwar Kriege, die absolut unlogisch waren. Kriege, die nicht den Interessen der Stabilität in den Regionen entsprachen. Afghanistan, Irak, Libyen und jetzt kämpfen alle gegen den Islamischen Staat (IS). Wir haben übrigens vorgeschlagen, den IS auf die Liste der terroristischen Organisationen zu setzen, die vom UN-Sicherheitsrat geführt wird. Die Amerikaner haben sich dagegen kategorisch mit einem interessanten Argument geweigert. Sie haben gesagt: „Das ist keine selbstständige Struktur, das ist dasselbe wie die al-Qaida.” Und dahinter steht eine sehr simple Erklärung. Sie möchten nicht anerkennen, dass der IS in Folge der Ereignisse im Irak und vor allen Dingen in Libyen und Syrien entstanden ist. Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass nichts passiert sei. Auch al-Qaida wurzelt in der Finanzierung der Mujaheddin [durch die USA] gegen die Sowjetunion in den 1980er Jahren. Aber jetzt versuchen sie es so darzustellen, als ob der IS keine Kreation der amerikanischen Politik sei.”
 
    „Die USA haben die saudischen Luftschläge gegen die jemenitischen Rebellen unterstützt, aber die Angriffe halfen vor allem al-Qaida, die gegen die Huthis nun an Boden gewinnen. Dies ist ein weiteres Beispiel, wie die Politik Washingtons je nach den Akteuren wechselt und viel Leid provoziert.”
 
    „Der IS ist unser Hauptfeind. Hunderte Bürger Russlands, Amerikas und der EU kämpfen beim IS. Sie könnten auch hier Schweinereien anrichten. […] Dazu reichen zwei oder drei Bürger, die heimkehren.”
 
Sollte man die USA in die Ukraine-Verhandlungen von Minsk einbeziehen?
 
    „Alle, auch die USA, haben die Minsker Vereinbarung vom 12. Februar begrüßt. Kiew erfüllt sie nicht und erklärt, sie hätten keine Verpflichtungen gegenüber Lugansk und Donezk in Bezug auf die Verfassungsreform. Das ist eine Lüge. […] Kiew hat alles verzerrt. Falls die USA die Vereinbarung von Minsk unterstützen, dann müssen sie ihr großes Einflusspotenzial auf Kiew – die Seite, die die Vereinbarungen von Minsk nicht erfüllt – ausüben, denn ihr Einfluss auf Kiew ist sehr groß, immens.” […]
 
Aus strategischen Gründen, so Lawrow weiter, wollen die USA keine wichtigen Regionen in der Welt, die nicht unter dem Einfluss Amerikas stehen. Die Ukrainekrise ziele auf die Kooperation zwischen Russland und Deutschland, beziehungsweise der EU im Allgemeinen ab und helfe, die NATO als Militärbündnis zu festigen.
 
Warum wäre eine Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland richtig?
 
    „Ich glaube, dass das Bündnis, die Partnerschaft, die offene Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland notwendig ist. Nicht zu dem Zweck, Gebiete aufzuteilen, sondern um die Europäische Union aufzurütteln. Damit in der Europäischen Union der Kurs auf die Verteidigung der eigenen europäischen Interessen, der Interessen der Staaten, die der EU angehören, die Oberhand gewinnt. Um nicht alles, nicht diese Interessen der EU Personen, Organisationen oder Randstaaten zu überlassen, die den Interessen aus Übersee folgen. Die Amerikaner tun Vieles um keine Annäherung zwischen Russland und Deutschland zuzulassen.”
 
Zu den Untersuchungen des Absturzes von MH17 sagte Lawrow, Russland sei besorgt über die Art und Weise, wie mit den Untersuchungen zum Absturz des Malaysian Airlines Fluges MH17 in der Ukraine umgegangen wird. Die Untersuchung sei ins Stocken geraten und es fehle die richtige Transparenz er. Moskau wäre dankbar für jede Information, die Aufschluss über diese Tragödie geben würde.
 
Zum Staatsstreich gegen Janukowitsch in der Ukraine befragt sagte Lawrow:
 
    „Ich habe bereits erwähnt, dass am Vorabend des Staatsstreiches telefonische Kontakte zwischen Obama und Putin bestanden. Obama bat darum, Janukowitsch zu überzeugen, die Armee nicht einzusetzen. Der hatte gar nicht daran gedacht. Putin hat gesagt: ‘Gut, wir werden alles tun, um die Situation zu beruhigen. Wir werden dieses Abkommen unterstützen. Obwohl dieses Abkommen der Kapitulation des legitim, gewählten Präsidenten galt. Aber wegen der Stabilität in der Ukraine müssen wir es tun. Aber ich bitte dich, Barack, beeinflusse die Opposition, damit sie nicht den Verhandlungsprozess durch Gewaltanwendung vereitelt. Es hat zahlreiche Fälle gegeben, in denen Heckenschützen geschossen haben und die Gebäude der Regionalpartei angezündet wurden.’ Barack hatte das versprochen. Am nächsten Morgen passierte der Staatsstreich und keiner von den Vereinigten Staaten hat angerufen und gesagt: ‘Ja, wir hatten vereinbart, dass weder die Einen noch die Anderen das veranstalten, aber es hat nicht geklappt.’ Zumindest das könnte man sagen: Es ist so sinnlos und zwecklos.
 
    Dasselbe passierte, als wir uns in Genf mit Kerry und Ashton versammelt hatten. Wir haben eine Erklärung verabschiedet, die enthielt einen Punkt über die sofortige, unverzügliche Einleitung der Verfassungsreform und des Dialogs unter Beteiligung aller Regionen und aller politischen Kräfte, und Kerry hat seine Unterschrift darunter gesetzt. Als ich einen Monat danach mit ihm redete, sagte er: ‘Ja das ist wichtig, wir beeinflussen sie nach wie vor.’ Wenn ich ihn heute danach frage, sagt er nur: ‘Ach hör mal, das ist so lange her, wir müssen jetzt auf die Situation blicken.‘ Das was heute passiert, ist eine Folge des Alten. Es ist die Folge dessen, dass man damals die Ukraine nicht gezwungen hat, die Verpflichtung des 21. Februar 2014 einzuhalten. Wenn sie die Opposition gezwungen hätten in der Ukraine, die ehemalige Opposition, die versucht hat, diesen Staatsstreich durchzuführen, alles zurückzuführen zu den Bedingungen des Abkommens vom 21. Februar und nicht diesen Russenhass zugelassen hätten, diesen militanten und gewaltsamen Russenhass, eine Russophobie mit der Gefahr des Versuches, Gebäude auf der Krim und woanders zu besetzen, wäre nichts passiert. Janukowitsch wäre bis zum Jahresende der Präsident geblieben. Es war klar, dass er bei den neuen Wahlen keinen Sieg davon getragen hätte, und es hätte keine tausende und abertausende Ermordete gegeben, keine zigtausende Verletzte und Verwundete, wir würden nach wie vor das Gas zu einem Preis von 168 Dollar verkaufen und die weiteren Geldüberweisungen (Ratenzahlungen) von den Milliarden (Schulden der Ukraine) hätte man fortgesetzt.“
 
War es ein Fehler, Snowden Asyl zu gewähren?
 
    „Unsere Bürger verhaften sie in der ganzen Welt. Sie entführen unsere Bürger, trotz aller Verträge, die es gibt. Sie informieren uns nicht mal darüber, dass so ein Bürger ein Verbrechen begangen haben soll und dass sie ihn sich vornehmen. Sie entführen nach wie vor, vor kurzem gab es wieder so einen Fall. Was geschah mit Snowden? Er hatte ein Flugzeug bestiegen. Während er nach Moskau flog, hat man seinen Pass annulliert und wir hatten keinen juristischen Grund, ihn anders zu behandeln. Er bat um Asyl und man hat ihm Asyl gewährt.”
 
Auf Fragen zu Syrien, Jemen und Iran sagte Lawrow:
 
    „Was Syrien betrifft, dort lieferten wir einen großen Beitrag dazu, dass es dort keine Wiederholung des libyschen Szenarios gab. Wir haben nicht erlaubt, nicht unser Einverständnis gegeben, für eine gewaltsame Einmischung von außen.”
 
    „Was im Jemen und insgesamt in dieser Region passiert, zeigt, dass es Risiken, große Risiken gibt und wir wollen nicht, dass auch der Iran ein Objekt wird für illegitime Gewalteinsätze wird.“
 
    „Wir haben uns nicht nur zur Aufgabe gesetzt, dass es nie und nimmer auf der Welt Nuklearwaffen geben sollte, sondern wir haben gesagt, die Welt muss sicher sein und der Frieden muss gesichert sein. Wir müssen die neuen Technologien berücksichtigen, militärtechnische Technologien, die auf diesem Gebiet seit der Erfindung der Kernwaffe entstehen.“
 
Was unternimmt Kiew, um den Frieden wieder herzustellen?
 
    „Alles, was von Kiew vorgeschlagen und gemacht wird, sieht so aus, als würde mit Absicht auf die Spaltung des Landes gezielt und um die Lugansker und Donezker Volksrepubliken aus dem Staat heraus zu stoßen. Sie haben eine Wirtschftsblockade verhängt, es gibt keine Sozialleistungen mehr. Sie haben verkündet, dass sie nicht mehr mit den Menschen aus Donezk und Lugansk sprechen werden, mit denen sie die Minsker Vereinbarungen getroffen haben.” (PK)
 
(1) Das Gouvernement Neurussland (russisch Noworossija) wurde vom Russischen Kaiserreich durch Zurückdrängen des Osmanischen Reichs gegründet. Es umfasste vor allem den Süden der heutigen Ukraine, teilweise auch die Ostukraine sowie Teile Südrusslands. Seit Mitte 2014 tritt unter dem Namen Neurussland die konföderative Union der nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk auf.
 
Hier finden Sie den kompletten Text von RT DEUTSCH:
http://www.rtdeutsch.com/17633/international/live-updates-des-frage-antwort-interviews-mit-aussenminister-lawrow/
 
 


Online-Flyer Nr. 508  vom 29.04.2015

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