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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Globales
Deutsche „Entwicklungshilfe“ torpediert gleiche Bildungschancen
Afrikanische Kinder als Versuchskaninchen
Von Georges Hallermayer

Der Skandal: Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) förderte mit Steuergeldern ein neues gewinnträchtiges Geschäftsmodell auf Kosten der Armen, statt Armutsbekämpfung, das Milleniumsziel der Entwicklungspolitik, Mittelstandsförderung in Afrika: low-cost-Grundschulen für die „low-middle-class“ Afrikas, anstatt die Entwicklungshilfegelder zur Förderung des freien - um es zu betonen kostenlosen - Zugangs zur Bildung und der Chancengleichheit (Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention) einzusetzen. Wozu sich die Bundesregierung 2010 voll verpflichtet hat, indem sie ihre 1992 gemachten Vorbehalte - Ausländerrecht gehe vor und rechtfertige Abschiebung von Kindern – zurückgenommen hatte. Auch Flüchtlingskinder haben nach Art. 22 der UN-Flüchtlingskonvention dieses Recht.

Arme afrikanische Kinder im Schüleralter
NRhZ-Archiv
 
Doch was machte die Bundesregierung?
 
Ihr Zuwendungsempfänger GTZ verhalf im März 2005 in Kollaboration mit DANIDA, dem dänischen Außenministerium, dem „Oguaa Business Incubator“ (OBI) in Ghana mit SPEED, dem von der in Bad Homburg sitzenden Beratungsgruppe GOPA durchgeführten „Support Programme for Enterprise Empowerment and Development Ghana“, mittels einer angemessenen Finanzspritze zum Start – neben Sponsoren wie Prinz Charles (Youth Business International) und die Barclays Bank Ghana. Und der Teamleiter von OBI, Ken Donkoh, führte das in seiner Dissertation entwickelte Geschäftsmodell der „Omega Schools“, zum kometenhaften Aufstieg: In nur vier Jahren von 0 auf 20.000 Schüler und 700 Beschäftigten, in nunmehr 40 Schulen, vom Kindergarten bis zum Gymnasium. Allein in der Großregion der Hauptstadt Accra mit über 2 Mio. Einwohnern betreibt Omega 20 Schulen mit 12.000 Schülern. Und SPEED setzte (und setzt) die Kollaboration mit DANIDA fort.
 
Der Imperialismus drängt auf Markterweiterung.
 
Für die von der Quatar Foundation gesponsorte, 2009 gegründete „World Iniovation Summit for Education“ (WISE)-Initiative sind die Omega Schools ein prämiierungswertes Objekt und eine äußerst profitable Kapitalanlage. Aber nicht nur in Ghana bedroht die Privatisierung die Kinderrechte. In Asien (Indien, Bangladesh und Philippinen) und in Afrika (Nigeria, Südafrika, Kenya, Uganda und Tansania) hat die britische Bridge Academy bereits 120.000 Schulkinder in 249 Schulen (146 im letzten Jahr, also alle 3 Tage eine, gegründet) unter ihren Fittichen. Hinter Bridge Academy versteckt sich der Hedgefond PALF, The Pearson Affordable Learning Fund, auf Deutsch „Fond für erschwingliches Lernen” und eine multinationale Krake: Pearson mit Verbindungen zu Bill Gates und Mark Zuckerberg (facebook). Pearson gehört die Penguin Group, in Deutschland mit ihren Taschenbüchern bekannt, Pearson Education und der Medienhai The Financial Group, dem wiederum etwa 30 Zeitungen wie The Economist, The Financial Times und bis 2007, die französische Les Echos (nunmehr LVMH, Bernard Arnault) gehören. Mit dem Franchise „Edupreneurs“ wird das „System McDonald auf die Kindererziehung angewandt“ so Sylvain Aubry von der ONG Global Initiative for Economic and Cultural Rights.

Werbung für Omega Schools
Quelle: http://www.omega-schools.com/
 
Afrikanische Schüler als Versuchskaninchen für das neue Geschäftsmodell Schulbildung, und Ghana dient als Entwicklungslabor. Bei den GTZ-geförderten ghanaischen Omega Schools stehen die Prinzipien Rationalisierung und Standardisierung ebenso wie bei Bridge Academy an oberster Stelle. Dort rufen die in 5 Wochen angelernten Repetitoren den über Internet übertragenen Lernstoff mithilfe ihres selbst entwickelten Tablets „BQ“ ab. Der bildschirmgesteuerte „Unterricht“ verläuft in allen Parallelklassen an allen Orten gleich. Das eingepaukte Wissen wird über Bildschirm im multiple-choice-Verfahren abgefragt.
 
Die internationale Beratergruppe Mc Kinsey schätzt die sich in den letzten 10 Jahren entwickelte Mittelklasse Afrikas auf 215 Mio. Menschen. Und wer über 1,5 Dollar im Monat verdient, gehört bereits nach UN-Berechnungen zur Mittelklasse. Mit ihrem „pay-as-you-learn“-Modell kostet bei Omega Schools der Unterricht täglich 0,70 Euro, also etwa 15 Euro pro Monat. Und ist bis zum 5. des Monats nicht bezahlt, verwehrt das elektronische Armband (wie bei uns im Schwimmbad) dem Kind den Einlass. Eltern sind so gezwungen, wie bei uns fürs Wohnen, 40 Prozent ihres Familieneinkommens (und mehr) für den Schulbesuch der Kinder aufzuwenden. Zum Beispiel beträgt der Mindestlohn in Marokko 2.333 Dirham pro Monat, aber das Schulgeld zwischen 500 bis 3000 Dirham pro Kind.
 
Nein zur Privatisierung der Schule!
 
Die Internationale Finanzgesellschaft (IFC) der Weltbank schätzt den Marktwert der privaten Bildung auf 380 Mrd. Euro. Die amerikanische Bank Merrill Lynch bewertet die Größe des Kuchens der öffentlichen und privaten Bildung auf 4 Trillionen Euro. Dieses riesige "Potential“ erklärt die Begehrlichkeiten des internationalen Finanzkapitals. Dem entgegen stemmt sich unter anderem die in Johannesburg sitzende Bewegung „Global Campaign for Education“, die generell die Abschaffung von Schuldgeld fordert. Im Herbst letzten Jahres haben siebzig Organisationen auf dem Weltforum für Menschenrechte in Marrakech eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der die Politik der Afrikanischen Entwicklungsbank (BAD) und das Entwicklungsprogramm der UN (PNUD), den Privatsektor der Bildung offiziell zu fördern, kritisiert wird. Die Verwirklichung der sechs Ziele der "Bildung für alle", die auf dem Weltforum in Dakar im Jahr 2000 unter der Schirmherrschaft der UNO verabschiedet wurden, steht noch aus, in den vergangenen 15 Jahren haben nur die Hälfte der Länder den Grundstufen-Unterricht "verallgemeinert“. Der Bericht der UNESCO „Education for All Global Monitoring Report 2015“, der am 9. April veröffentlicht wird, wird zu einem neuen Weltforum in Südkorea vom 19. bis 22. Mai aufrufen, und dieses Weltforum wird sich mit neuen Zielsetzungen beschäftigen müssen.
 
Frage:
 
Und wann kommen Bridge Academy, Omega Schools zu uns, vielleicht über Griechenland nach Deutschland? Wann können die hoch verschuldeten Bundesländer die Lehrerschaft nicht mehr bezahlen, und die noch höher verschuldeten Gemeinden die Kosten für Erhalt der Schulen nicht mehr aufbringen? Wann spielen die Politiker das Hohe Lied der Privatisierung unseres Schulwesens (eventuell in PPP-moll, der privat-öffentlichen Partnerschaft wie in New York die repressiven Success Charter Schools, die nach 3 – 4 Jahren „sich selbst tragen“), weil es ja im schlanken Staat ohne Bürokratie viel effektiver liefe – fürs Kapital….(PK)
 
Quellen:
Humanité 3.04.2015: «Les ècoliers africains, cobayes de l’education marchandise“
Youth entrepreneurship, Oguaa Business Incubator experience, Ken Donkoh.pdf
www.omega-schools.com/
http://www.gopa.de/projects/basic-education-sector-programme-me-and-material-development-component
wise-initiative: “about the project». http://www.wise-qatar.org/omega-schools-ghana
https://www.affordable-learning.com/about.html (5.04.2015)
http://en.unesco.org/gem-report/
http://www.campaignforeducation.org/en/
http://www.successacademies.org/about/#leaders
 


Online-Flyer Nr. 506  vom 15.04.2015

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