NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

zurück  
Druckversion

Globales
Mit Unterstützung der ehemaligen US-Investmentbankerin Natalia Jaresko
Sozialer Kahlschlag in der Ukraine
Von Peter Kleinert

Das ukrainische Parlament hat vergangene Woche den Staatshaushalt für 2015 verabschiedet. Auf Anregung der aus den USA stammenden neuen Finanzministerin Natalia Jaresko soll vor allem im Sozial- und Bildungsbereich massiv gespart werden. Hilfen für Tschernobyl-Opfer werden ebenso weggestrichen wie die bisher kostenlose Schulbildung und medizinische Versorgung. Besonders drastisch werden die Einschnitte für Rentner sein.
 

Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk
NRhZ-Archiv
Glaubt man den Worten des ukrainischen Premiers Arsenij Jazenjuk, so bewegt sich das Land auf der Überholspur in Richtung EU. Zum Jahreswechsel verwies Jazenjuk wie in den Monaten vorher auf die hohen Ziele, die sich die Ukraine gesetzt habe. Zu einem vorbildlichen Mitgliedsstaat der Europäischen Union wolle das kurz vor dem Staats-Bankrott stehende Land werden. Bei seiner Neujahrsansprache erklärte der Premier euphorisch:
“Unsere ukrainische Familie wird zu einer würdigen europäischen Familie mit ukrainischem Pass und ukrainischer Staatsbürgerschaft, und mit diesem Pass soll sie sich ungehindert auf allen Territorien der Europäischen Union bewegen.”
 
Doch ukrainische Familie hin oder her, wenn der Gürtel enger geschnallt werden soll, dann doch bitte von den sozial schwachen Schichten. Und so verabschiedete die Oberste Rada, das ukrainische Parlament, den Staatshaushalt für 2015 mit massiven Einschnitten im Sozial- und Bildungsbereich. Jazenjuk und Präsident Poroschenko drohten jeweils mit ihrem Rücktritt, sollte sich das Parlament gegen die Haushaltsvorlage stellen. Auf "unnötige“ Debatten wurde daraufhin verzichtet, so dass der Haushalt innerhalb von zwei Stunden und mit der absoluten Mehrheit von 233 Stimmen verabschiedet wurde.
 
Öffentliche Kritik und Ablehnung äußerten nur kleinere Oppositionsparteien wie die Radikale Partei. Der Vorsitzende des Oppositionsblocks, Igor Bojko, bezeichnete das Abstimmungsverfahren als verfassungswidrig.
 

Neue Finanzministerin
Natalia Jaresko
Widerstand und Kritik blieben auch aus, als die 1965 in Chikago geborene ehemalige US-Investment-Bankerin und im Dezember 2014 zur ukrainischen Finanzministerin ernannte Natalia Jaresko ihren 20 Seiten umfassenden Entwurf für Einsparungspotenziale einreichte und durchbrachte. Und der hat es in sich. In guter neoliberaler Manier zielen die Sparmaßnahmen vor allem auf die Ärmsten der Armen.
 
So soll die in der Verfassung stehende Garantie auf kostenlose Bildung und medizinische Versorgung abgeschafft werden. Ebenso soll die Schulpflicht von elf auf neun Jahre reduziert und das bisher kostenlose Schulessen als “purer Luxus” gestrichen werden. Um weniger Lehrer und Dozenten beschäftigen zu müssen, wurden den Lehrbeauftragten zudem erheblich höhere Verpflichtungen auferlegt. Schul- und Universitätsstipendien sollen ebenso dem Rotstift zum Opfer fallen.
 
Selbst Tschernobyl-Opfer und Rentner fanden keine Gnade vor der neoliberalen Sparwut der in den USA geborenen und erzogenen Frau Jaresko. Die Opfer-Renten sollen entweder ganz oder zumindest teilweise gestrichen werden. Etwas besonders Perfides hat sich die frisch ernannte Finanzministerin jedoch mit der Streichung des automatischen Inflationsausgleichs für alle Renten “bis zur Stabilisierung der Volkswirtschaft” ausgedacht. Aktuell liegt die Inflationsrate bei über 20 Prozent, und Renten reichten bereits zuvor kaum zum Überleben.
 
Bezahlen für die EU- und NATO-Visionen der neuen politischen Eliten in der Ukraine sollen vor allem diejenigen, die sich das am wenigsten leisten können: Kranke, Kinder, Alte und Opfer der Tschernobyl-Katastrophe. Denkt man an die Vorgaben der Troika für Griechenland und andere südeuropäische Länder, dann erfüllt die Ukraine zumindest bei der Ausrichtung ihrer Sparpolitik tatsächlich schon EU-Standards. (PK)
 
Die Anregung zu diesem Beitrag erhielten wir von www.rtdeutsch.com/
.


Online-Flyer Nr. 492  vom 07.01.2015

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE