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Globales
Gegen milliardenschwere Beihilfen aus Brüssel für englisches AKW
EWS startet Massenbeschwerde
Von Peter Kleinert

Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) im Schwarzwald haben eine offizielle Beschwerde an die Generalsekretärin der EU-Kommission übersandt. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss der EU-Kommission, durch den staatliche Beihilfen für ein neues Atomkraftwerk im englischen Hinkley Point genehmigt werden, obwohl diese klar gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoßen. Gleichzeitig starteten die EWS vor einigen Tagen eine öffentliche Massenbeschwerde-Aktion. Mit der Kampagne „Kein Geld für Atom – Stoppt Brüssel!“ können Tausende Menschen sich der Beschwerde der EWS anschließen, um den skandalösen Beschluss der EU-Kommission anzufechten.

Zeichentrickfilm zur EWS-Beschwerde
Quelle: http://www.ews-schoenau.de/
© EWS Schönau
 
Trotz erheblicher drohender Wettbewerbsverzerrungen hatte die EU-Kommission noch kurz vor Ende ihrer Amtszeit im Oktober massive staatliche Subventionen Großbritanniens für den Bau von zwei neuen Atomreaktoren genehmigt. Dadurch darf die britische Regierung dem Betreiberkonsortium unter Führung des französischen Staatskonzerns Electricité de France (EdF) Bürgschaften in Höhe von über 21 Milliarden Euro für den Bau des Atomkraftwerks zusichern. Noch schwerer wiegt jedoch die garantierte Vergütung für diesen Atomstrom: Mit Beginn der Stromerzeugung (geplant 2023) wird der Garantiepreis dann bei rund 11 Cent pro Kilowattstunde liegen. Dieser soll über einen Zeitraum von 35 Jahren gewährt werden, dazu kommt ein jährlicher Inflationsausgleich. Nach Berechnungen der Financial Times wächst dadurch die Garantievergütung bis zum Ende des Förderzeitraums auf 35 Cent je Kilowattstunde an. Zum Vergleich: Eine große Photovoltaik-Anlage in der Bundesrepublik bekommt heute über das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Vergütung von etwa 8,9 Cent/kWh, die jedoch nur über 20 Jahre und ohne Inflationsausgleich gezahlt wird.
 
Eine solche Begünstigung eines einzelnen Projektes muss allerdings von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Grundsätzlich verbietet das Europäische Wettbewerbsrecht solche staatlichen Beihilfen. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Maßnahmen ein gemeinsames Interesse der EU darstellen, sind sie zulässig. Nachdem noch im März 2014 die EU-Kommission zu dem Schluss kam, dass diese Beihilfe nicht zulässig sei, änderte die Kommission nach marginalen Anpassungen ihre Meinung und erklärte kurz vor ihrem Ausscheiden im Oktober in einer denkbar knappen Abstimmung, dass die britischen Pläne mit dem EU Beihilferecht nun doch vereinbar seien.
 
Sebastian Sladek, Geschäftsführer der Elektrizitätswerke Schönau Vertriebs GmbH und designierter Vorstand der Netzkauf EWS eG stellt hierzu klar: „Nur durch diese Subventionen wird der Bau unrentabler Atomreaktoren möglich – auch 60 Jahre nach Beginn der zivilen Nutzung ist die Atomenergie immer noch unwirtschaftlich. Mit der Entscheidung zu Hinkley Point C schafft die EU-Kommission einen Präzedenzfall, der geeignet ist, einen Dammbruch auszulösen und dem Neubau von Atomkraftwerken in Europa Tür und Tor zu öffnen. Nach dem Vorbild Hinkley Point könnten nun weitere Neubauprojekte in ganz Europa vorangetrieben werden. Leidtragende sind die Bürgerinnen und Bürger, die nicht nur die exorbitanten Kosten, sondern auch die unkalkulierbaren Risiken der Atomtechnologie tragen müssen.“
 
Die Österreichische Regierung hat gegen die Entscheidung der EU-Kommission eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angekündigt. Der EWS ist der Klageweg versperrt, da nur Organe der EU vor dem EuGH klagen können. Daher hat sich die EWS entschieden, Beschwerde einzulegen – ein Recht, das jeder Bürgerin und jedem Bürger der EU zusteht.
Unter dem Motto “Kein Geld für Atom – Stoppt Brüssel!” startete die EWS am 10. Dezember eine Mitmachaktion über das Internet. Unter dem Link www.ews-schoenau.de/kampagne
können sich Bürgerinnen und Bürger schnell und unkompliziert der EWS-Beschwerde anschließen und damit auch die österreichische Klage solidarisch flankieren. Wenn sich möglichst viele Menschen an der Beschwerde der EWS beteiligen, wird die Chance größer, dass die inzwischen amtierende neue EU-Kommission die Beihilfeentscheidung zurücknimmt.
 
Die Elektrizitätswerke Schönau sind ein Energieversorgungsunternehmen, das aus der Anti-AKW-Bewegung nach der Katastrophe von Tschernobyl von Bürgern gegründet wurde, betreibt das örtliche Stromnetz und vertreibt in ganz Deutschland Ökostrom, wobei es für eine klimafreundliche und atomstromlose Energieversorgung eintritt. Seit Oktober 2009 hat EWS in Baden-Württemberg, Bayern und Bremen auch die Konzession für den Vertrieb von Erdgas. Strom wird vom EWS zu beinahe hundert Prozent aus Erneuerbaren Energien herstellt - also Strom aus Sonne, Wasser, Wind, Biomasse. "Damit das Geld der Stromkunden auf keinen Fall Atom- und Kohlepolitik unterstützt, kaufen wir nur bei Produzenten, die nicht mit der Atomwirtschaft verflochten sind", so EWS-Mitgründerin Ursula Sladek 2009 in einem Interview. (1)
 

Ursula Sladek - EWS-Mitgründerin
NRhZ-Archiv
Die Mutter von fünf Kindern ist Geschäfts-führerin der bürgerei- genen EWS. Seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 engagiert sie sich mit aller Kraft für eine atomstromlose und klimafreundliche Energieversorgung, was schließlich in die Gründung der Elektrizitätswerke Schönau mündete. Für ihr Engagement erhielt sie unter anderem 2011 den Goldman Environmental Prize in der Kategorie Nachhaltige Entwicklung für die Region Europa, 2008 den Ashoka Social Entrepreneur, 2007 den Deutschen Gründerpreis und 2003 den Europäischen Solarpreis. Als Mitbegründer der Schönauer Energieinitiativen wurden sie und ihr Mann Michael Sladek 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. (PK)
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17216
 
Weitergehende Informationen und die Beschwerdeschrift der EWS im Wortlaut unter
www.ews-schoenau.de/kampagne
Kontakt: Elektrizitätswerke Schönau Vertriebs GmbH, http://www.ews-schoenau.de


Online-Flyer Nr. 489  vom 17.12.2014

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