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Globales
"Berliner Sicherheitskonferenz" beschwört Waffenbrüderschaft mit der Türkei
Europäische Nachbarschaftspolitik
Von Hans Georg

Die Organisatoren der gestern zu Ende gegangenen "Berliner Sicherheitskonferenz" beschwören die Waffenbrüderschaft mit der Türkei. Der NATO-Staat sei ein "unverzichtbarer Stabilitätsanker für den Nahen Osten", erklären die Herausgeber der offiziösen Zeitschrift "Behörden Spiegel", die für die Tagung verantwortlich zeichnet. Umgekehrt nutzte der türkische Verteidigungsminister İsmet Yılmaz die Veranstaltung, um die seiner Ansicht nach mangelnde Bereitschaft der EU zur militärischen Kooperation zu kritisieren. Diese scheitere meist an übertriebener Geheimhaltung, erklärte Yılmaz und bemängelte, dass sein Land aus den Gremien der Europäischen Verteidigungsagentur EDA "ausgeschlossen" sei. Die "Berliner Sicherheitskonferenz" hat sich seit 2001 zu einer der bedeutendsten militärpolitischen Tagungen in Deutschland entwickelt; regelmäßig treffen sich dort bis zu tausend führende Vertreter aus Staat, Politik, Armee und Rüstungsindustrie. Dieses Jahr waren die von "Unruhe und Instabilität" gekennzeichneten Staaten in "Europas Nachbarschaft" das beherrschende Thema. Laut den Organisatoren der Konferenz geht es darum, "Krisen und Konflikte" vor der eigenen "Haustür" so zu handhaben, "dass sie nicht zu unkontrollierbaren Flächenbränden mutieren".
 

İsmet Yılmaz, türkischer
Verteidigungsminister
NRhZ-Archiv
Geostrategisch bedeutsam
 
Bei der am Mittwoch vergangener Woche zu Ende gegangenen "13. Berliner Sicherheitskonferenz" firmierte die Türkei als offizielles "Partnerland". Wie die Organisatoren der Tagung mitteilen, spiele der NATO-Staat an der "Schnittstelle zwischen Orient und Okzident" eine "geostrategisch bedeutsame Rolle für die gesamte Region". Die Türkei sei nicht nur ein "unverzichtbarer Stabilitätsanker für den Nahen Osten", sondern beeinflusse auch die "Turkvölker des Südkaukasus sowie Zentralasiens", heißt es zur Begründung. Verwiesen wird zudem auf die "leistungsfähige Rüstungsindustrie" des südosteuropäischen Landes.[1] Analog zur diesjährigen "Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung" (ILA), bei der die Türkei ebenfalls als "Partnerland" auftrat (german-foreign-policy.com berichtete [2]), präsentierten türkische Waffenschmieden auch auf der "Berliner Sicherheitskonferenz" ihre Produkte. Unter diesen finden sich nicht zuletzt Drohnen großer Reichweite.
 
Gemeinsame EU-Operationen
 
Veranstaltet wird die "Berliner Sicherheitskonferenz" von der offiziösen Zeitschrift "Behörden Spiegel", die nach eigenen Angaben monatlich in einer Auflage von rund 100.000 Exemplaren erscheint und sich vorrangig an "Leitungsmitarbeiter" staatlicher und kommunaler Stellen richtet.[3] Den Organisatoren zufolge hat sich die militärpolitische Tagung seit 2001 zu "einer der bedeutendsten und größten Veranstaltung(en) der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" entwickelt.[4] Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf mehr als 100 "herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Industrie und Militär", die bereits als Redner aufgetreten seien [5], darunter zahlreiche "Wirtschaftsführer", Minister und Generäle. Ziel der Organisatoren der "Berliner Sicherheitskonferenz" ist es nach eigenem Bekunden, das gemeinsame Vorgehen der EU-Staaten bei Militäroperationen nach Kräften zu "fördern". So will man sich insbesondere Themen widmen, die hierbei immer wieder für "Reibungen" sorgen, etwa "nationalen Vorbehalten" und der "Interoperabilität" der Streitkräfte [6] - dem koordinierten Zusammenwirken der europäischen Armeen im Gefecht.
 
Militärhilfe für die Ukraine
 
Im Fokus der diesjährigen "Berliner Sicherheitskonferenz" standen einer Selbstdarstellung zufolge die von "Unruhe und Instabilität" geprägten "Nachbarn Europas" wie die Ukraine, Syrien oder der Irak. Zu diskutieren sei, wie die Staaten der EU "Krisen und Konflikte vor ihrer Haustür" so "handhaben" könnten, "dass sie nicht zu unkontrollierbaren Flächenbränden mutieren", hieß es. Dies gelte insbesondere in Anbetracht der "militärische(n) Überdehnung der USA", der russischen "Blockade im UN-Sicherheitsrat" und der mit Russland und China verbündeten "autoritäre(n) Regime".[7] Einmal mehr verwiesen die Veranstalter vor diesem Hintergrund auf die ihrer Ansicht nach "geostrategisch bedeutsame Rolle" der Türkei: "Durch die gemeinsame Landgrenze mit den Bürgerkriegsstaaten Syrien und Irak steht sie vor besonderen sicherheitspolitischen Herausforderungen."[8] Der eigens zur Eröffnung der "Berliner Sicherheitskonferenz" angereiste türkische Verteidigungsminister İsmet Yılmaz nutzte seinerseits die Gelegenheit, um die nach seinem Dafürhalten mangelnde Bereitschaft der EU zur militärischen Kooperation zu kritisieren. Diese scheitere nicht nur an "Geheimhaltungsbeschränkungen", sondern vor allem daran, dass sein Land aus den Gremien der Europäischen Verteidigungsagentur EDA "ausgeschlossen" sei, erklärte Yılmaz. Eine andere Botschaft des Ministers dürfte bei etlichen der rund tausend Kongressteilnehmer indessen sehr gut angekommen sein. Wie Yılmaz sagte, verurteile seine Regierung die "illegale Annexion" der Halbinsel Krim durch Russland und prüfe "nicht-letale Militärhilfe" für die Ukraine.[9]
 
Eine militärische Weltraumstrategie
 
Ein weiteres zentrales Thema der "Berliner Sicherheitskonferenz" war die militärische Nutzung des Weltraums, die in einem eigenen "Fachforum" diskutiert wurde. Unter dem Vorsitz von Generalleutnant Joachim Wundrak, Kommandeur des "Zentrums Luftoperationen" der Bundeswehr, kamen hier neben Militärs auch Vertreter deutscher Rüstungskonzerne und Forschungseinrichtungen zu Wort: Vertreten waren OHB, Airbus Defence and Space sowie das Freiburger Fraunhofer-Institut EMI, das auf die Entwicklung von Explosivgeschossen und Panzerungen spezialisiert ist (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Wie der "Behörden-Spiegel" berichtet, hatte Generalleutnant Wundrak schon anlässlich der "Berliner Sicherheitskonferenz" des Jahres 2013 einen "sicheren Zugang zu den Möglichkeiten des Weltraumes" gefordert: "Wir müssen wissen, was dort oben geschieht."[11] Ähnlich hatte sich der Airbus-Manager Wolfgang Dürr geäußert, der auch dieses Jahr wieder zu den Teilnehmern des "Fachforums" zählte. Laut Dürr ist eine "eigene Weltraumstrategie und -politik" geradezu "essentiell für die nationale Sicherheit".[12]
 
Kernkompetenzen
 
Analog zu 2013 wurden auch bei der diesjährigen "Berliner Sicherheitskonferenz" die "Lehren" diskutiert, die nach Lesart des Militärs aus dem von westlichen Truppen in Afghanistan geführten Krieg zu ziehen sind.[13] Einmal mehr stand dabei die Frage auf dem Programm, inwieweit formal zivile Firmen für die involvierten Streitkräfte logistische Dienstleistungen erbringen können. Bei dem entsprechenden "Fachforum" war unter anderem ein Vertreter des im baden-württembergischen Schwaikheim beheimateten Unternehmens Kärcher Futuretech zugegen, das die Bundeswehr mit "mobilen Feldlagern" und Wasseraufbereitungsanlagen beliefert. Schon 2013 waren die "enormen Vorteile" solcher "zivil-militärischer" Kooperationen von einem Teilnehmer gelobt worden: "Sie reduzieren uniformiertes Personal. Beide Seiten können sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren."[14]
 
Bürgerkriege, Migration, Epidemien
 
Fragen der militärischen Logistik und der weltraumgestützten Spionage dürften auch in Zukunft auf der Agenda der "Berliner Sicherheitskonferenz" stehen. "An der Peripherie Europas gärt es", erklärten die Veranstalter und verwiesen auf "zahlreiche sicherheitspolitische Herausforderungen" wie Bürgerkriege, "scheiternde Staatlichkeit", "wirtschaftliche Perspektivlosigkeit aufgrund von Massenarbeitslosigkeit", Migration, Epidemien und durch den Wandel des Weltklimas bedingte Umweltzerstörungen.[15] Somit könnten "jederzeit neue Auslandseinsätze auf die Bundeswehr zukommen", hieß es.[16]
(PK)
 
[1] Diesjähriges Partnerland der BSC: die Republik Türkei. www.european-defence.com.
[2] Siehe hierzu Waffenbrüder und Wehrtechnisches Gipfeltreffen.
[3] Information zum Behörden Spiegel. www.behoerden-spiegel.de.
[4] About the Congress. www.european-defence.com.
[5] Invitation. www.european-defence.com.
[6] Berlin Security Conference (BSC): Planning for the Berlin Security Conference 2014/Review 2013. Berlin, Mai 2014.
[7] Die Berliner Sicherheitskonferenz 2014 tagt. www.european-defence.com.
[8] Diesjähriges Partnerland der BSC: die Republik Türkei. www.european-defence.com.
[9] BSC-Kongresspräsident: "Dialog ist alles!". www.behoerden-spiegel.de 02.12.2014.
[10] Siehe hierzu Schutz und Wirkung.
[11] Mensch oder Maschine? Behörden Spiegel, Dezember 2013.
[12] Panel A1: Weltraum‐Sicherheit stärken. www.european-defence.com.
[13] BSC: 13th Congress on European Security and Defence. Europe's Neighbourhood - Unrest and Instability. Berlin, 2-3 December 2014 (Programm).
[14] Intelligente Strategien notwendig. Behörden Spiegel, Dezember 2013.
[15] Europa vor zahlreichen sicherheitspolitischen Herausforderungen. www.european-defence.com.
[16] Die Bundeswehr im Fokus. www.european-defence.com.
 
Diesen Bericht haben wir mit Dank von german-foreign-policy.com übernommen.


Online-Flyer Nr. 488  vom 10.12.2014

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