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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Massive Zweifel an der Notwendigkeit der Ost-Süd-Stromtrasse nach Bayern
Strom-Netzplanung muss auf den Prüfstand!
Von Peter Kleinert

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat für die Planung von Stromtrassen einen Neubeginn gefordert. Es sei nicht erkennbar, dass die bisherige Netzplanung an den Klimaschutzzielen und den Zielen der Energiewende ausgerichtet sei, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger vor der Presse in Berlin.

Außer Marktplatz und Kirche soll das Städtchen Profen nun von der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft MIBRAG auch ein Braunkohlekraftwerk erhalten
Quelle: wikipedia/CC BY-SA 3.0
  
Die Planung neuer Stromtrassen müsse einer Strategischen Umweltprüfung unterzogen und mit mehr Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden. Dazu gehöre auch die Einbeziehung vorgeschlagener Alternativen. Die Bevölkerung in den betroffenen Regionen werde bisher über die Planung neuer Stromautobahnen lediglich informiert, Alternativvorschläge würden jedoch meistens ignoriert, kritisierte Weiger.
 
„Die Stromtrassen-Pläne gehören auf den Prüfstand. Überprüft werden muss vor allem, ob die vorgeschlagenen Stromtrassen überhaupt notwendig sind. Stattdessen machen die Netzbetreiber und die Bundesregierung Druck unter anderem für den Bau der Gleichstromtrasse vom Osten Deutschlands nach Bayern. Trotz massiver Zweifel an der Notwendigkeit dieser Leitung und trotz neuer Rahmensetzungen durch das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz wollen die Netzbetreiber in beiden Richtungen jetzt sogar Verlängerungen der Trasse durchsetzen. Es drängt sich der Verdacht politischer Einflussnahme auf das Verfahren der Netzplanung geradezu auf“, so der BUND-Vorsitzende.
 
Anfang November haben die Netzbetreiber ihren Entwurf des „Netzentwicklungsplans 2014“ vorgestellt. Die Bundesnetzagentur muss diesen Entwurf noch genehmigen. Gegen Bedenken vor allem aus Bayern halten die Netzbetreiber an ihren, aus Sicht des BUND und von Experten - überzogenen - Ausbauplänen für die Stromnetze in Deutschland fest.
 
"Der Netzentwicklungsplan 2014 spiegelt in Bezug auf Klimaschutz und den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht die Ziele der Energiewende wider. Im Kontext der Energiewende ist vor allem die Ost-Süd-Stromtrasse in der geplanten Form überflüssig. Diese Leitung soll klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken möglichst viele Volllaststunden ermöglichen. Damit konterkariert diese Planung die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Schlichtweg grotesk ist, dass der Netzentwicklungsplan den Bau eines neuen Braunkohlekraftwerks am Standort Profen in Mitteldeutschland vorsieht. Das würde genau das Gegenteil von dem bewirken, was die Bundesregierung aktuell im Rahmen ihres Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 zur Einhaltung der deutschen Klimaziele anstrebt“, sagte Netzexperte Christian von Hirschhausen von der Technischen Universität Berlin.
 
Grundlage des „Netzentwicklungsplans 2014“ sei ein veraltetes Energieszenario. Das von Schwarz-Rot novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz führe zu einer Verlangsamung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, insbesondere zu einem geringeren Ausbau der Offshore-Windenergie.
 
Der BUND-Energieexperte Thorben Becker ergänzte: „Es ist höchst zweifelhaft, ob die Berechnungen der Netzbetreiber noch der Realität des veränderten Erneuerbare-Energien-Gesetzes entsprechen. Dringend notwendig ist deshalb die komplette Neuberechnung des Stromleitungs-Bedarfs unter Berücksichtigung der neuen Datenlage. Wir fordern die Bundesnetzagentur auf, den Netzentwicklungsplan 2014 ad acta zu legen. Auf keinen Fall dürfen auf der Basis unseriöser Grundlagen neue Stromtrassen geplant werden“, sagte Becker.
 
Seit 2006 plant z.B. die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) am Standort Profen den Bau eines neuen Braunkohlekraftwerks mit einer elektrischen Leistung von 660 Megawatt. Es soll die alten MIBRAG-Kraftwerke in Deuben und Mumsdorf, welche bereits 2013 vom Netz gegangen sind, ersetzen. Der Baubeginn ist für 2015, die Inbetriebnahme für 2019/20 geplant. Voraussetzung für den Bau ist der Aufschluss eines neuen Tagebaus bei Lützen, der die Kohle zur Befeuerung des Kraftwerks liefern soll.
 
Das Kraftwerk soll einen Brennstoffausnutzungsgrad von 43 Prozent haben und für die Kraft-Wärme-Kopplung, jedoch nicht für die CO2-Abscheidung (CCS) ausgelegt werden. Die Investitionssumme von 1,3 Mrd. Euro kann die MIBRAG laut Wikipedia allerdings nicht allein stemmen und sucht daher noch einen Investor. Die Investorensuche gestaltet sich aber seit Jahren schwierig. Auch die Möglichkeit zur Beteiligung für Stadtwerke ab Herbst 2008 fand nur wenig Zuspruch. Bisher haben lediglich die Stadtwerke Leipzig eine Kostenübernahme von zehn Prozent zugesagt. (PK)
 
Ein BUND-Hintergrundpapier zur Stromnetzplanung finden Sie im Internet unter: http://www.bund.net/pdf/netzentwicklungsplan


Online-Flyer Nr. 486  vom 26.11.2014



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