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Globales
Deutsche Unterstützung für die Abspaltung Kataloniens von Spanien
Los von Madrid
Von Hans Georg

Kurz vor der unverbindlichen Abstimmung über die Abspaltung Kataloniens von Spanien am 9. November fordern Berliner Außenpolitik-Spezialisten Madrid zur Zustimmung zur Sezession auf. Die Loslösung Kataloniens, einer der wohlhabendsten Regionen des Landes, werde zwar zu gravierenden Problemen vor allem für die ärmeren Gegenden Spaniens führen und neue Spannungen im Sezessionsgebiet selbst auslösen, heißt es in einem aktuellen Papier aus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Dennoch solle die Abtrennung nicht verhindert werden.
 

Veranstaltung der Assemblea Nacional Catalana
(ANC) in Barcelona
Der katalanische Separatismus, über Jahrzehnte gewachsen, erstarkt vor allem, seit die Finanzkrise im Jahr 2008 Spanien erfasst hat; gefördert wird er von dem Gedanken, den relativen Reichtum der Region nicht mehr für die Umverteilung an ärmere Gebiete Spaniens zur Verfügung stellen zu wollen. Auf kulturpolitischem Wege hat auch Deutschland den katalanischen Separatismus unterstützt. Ein Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums urteilt, die katalanische Sezession stärke "den wirtschaftspolitischen Wettbewerb" und sei deshalb zu befürworten.
 
Am Rande der Illegalität
 
Katalonien bereitet sich auf eine - unverbindliche, dennoch möglicherweise illegale - Abstimmung über die Abspaltung der Region von Spanien vor. Ursprünglich als reguläres Referendum geplant, als solches aber vom spanischen Verfassungsgericht untersagt, muss die Abstimmung offiziell als private Meinungsbefragung durchgeführt werden. Für den 9. November richten die Bürgermeister fast aller 947 Städte und Gemeinden Kataloniens Wahllokale in Schulen und anderen öffentlichen Räumlichkeiten ein; nur einige wenige Bürgermeister, die den nicht-separatistischen Parteien angehören, verweigern sich dem Ansinnen. Mehr als 30.000 Freiwillige werden den organisatorischen Ablauf unterstützen, darunter rund 7.000 Angestellte des öffentlichen Dienstes, die sich damit dem Urteil von Juristen zufolge "am Rande der Illegalität" bewegen. Wie berichtet wird, wurden "die von den Subventionen der Regierung abhängigen Medien angehalten, eine stimulierende Rolle zu spielen".[1] Die Abstimmung wird auch im Ausland durchgeführt, unter anderem in Berlin, wo die in Deutschland ansässigen Katalanen ihr Votum abgeben dürfen.
 
Durch die Krise verstärkt
 
Die Sezessionsbestrebungen in Katalonien haben in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Aufschwung erfahren. Wie es in einem aktuellen Papier der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) heißt, ist der auslösende Funke für diesen Aufschwung die Finanzkrise des Jahres 2008 gewesen. Sie hatte katastrophale Folgen für die Wirtschaft ganz Spaniens und führte auch in Katalonien zu Haushaltskürzungen und zu hoher Jugendarbeitslosigkeit. Katalonien ist eine der wohlhabendsten Regionen Spaniens; der Gedanke, die eigenen Mittel nicht mehr zur Umverteilung an die weniger wohlhabenden, teilweise bitter armen Regionen des Landes zur Verfügung zu stellen, um sie selbst nutzen zu können, hat in der Krise rasch verfangen. "Praktisch jeder hat das Gefühl, dass wir abgezockt worden sind und immer noch abgezockt werden", wird ein Aktivist der linken Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) zitiert.[2] Die Zahl derjenigen, die die Abspaltung von Spanien befürworten, hat sich seit der Eskalation der Krise im Jahr 2008 in etwa verdoppelt. Besonders stark ist die Unterstützung für die Sezessionspläne mit über 60 Prozent unter jungen Menschen, die von der exzessiven Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind.
 
Identität und Nationalismus
 
Wie es bei der DGAP weiter heißt, hat außerdem die zunehmende Nutzung der katalanischen Sprache zur Herausbildung eines "katalanischen Identitätsgefühls" beigetragen. "Sprache steht im Zentrum des katalanischen Nationalismus", erklärt ein Berater des katalanischen Parlaments. Das Katalanische ist seit 1984 offizielle Verkehrssprache an den Schulen Kataloniens; dazu erklärt der Parlamentsberater: "Es gibt eine nationalistische Tendenz in der Erziehung." Dabei läuft die Entwicklung in Katalonien schon seit Jahren nicht mehr auf Mehrsprachigkeit hinaus, sondern darauf, die spanische Sprache aus dem öffentlichen Gebrauch zu verdrängen. Das gilt für alle Bereiche des öffentlichen Lebens - von der Kommunikation mit den Behörden über den Rundfunk bis zu kulturellen Veranstaltungen. Die Bedeutung der Sprache für den katalanischen Nationalismus macht deutlich, wie hilfreich für die Separatisten die Entscheidung der auswärtigen Berliner Kulturpolitik gewesen ist, die Frankfurter Buchmesse im Jahr 2007 erstmals einem Gastland zu widmen, das kein eigener Staat ist - Katalonien. Vorgestellt wurde auf der damaligen Buchmesse lediglich katalanischsprachige Literatur; in Katalonien ansässige Autoren, die in spanischer Sprache publizieren, blieben außen vor.[3]
 
Wirtschaftspolitischer Wettbewerb
 
Als schlagkräftige Massenorganisation im Kampf für die Sezession Kataloniens hat sich in jüngster Zeit die Assemblea Nacional Catalana (ANC) erwiesen. Die Organisation, die mehr als 30.000 Mitglieder zählt und weitere 20.000 Aktivisten mobilisieren kann, bündelt politische Kräfte von der katalanischen Linken bis zu rechtslastigen Milieus auf der alleinigen Basis des Separatismus. Ihr ist es in den letzten Jahren gelungen, Massenkundgebungen mit bis zu 1,6 Millionen Teilnehmern zu veranstalten. Sie unterhält Ableger in Deutschland, führt auch hier Demonstrationen durch - und wirbt damit, dass Teile des deutschen Establishments Sympathien für die Abspaltung Kataloniens hegen. Zuletzt hat die Assemblea Nacional Catalana auf ihrer deutschsprachigen Website einen Beitrag des Mannheimer Wirtschaftsprofessors Roland Vaubel publiziert, der dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums angehört und sich außerdem in der rechtslastigen "Alternative für Deutschland" engagiert. Vaubel hat vor Jahren dafür plädiert, zum "Schutz der Leistungseliten" das Wahlrecht zu ändern und wohlhabenden Wählern größeres Stimmgewicht zuzuteilen (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Jetzt erklärt er, Sezession stärke "den wirtschaftspolitischen Wettbewerb" und sei daher zu befürworten. "Die heutigen Staaten Europas" seien ohnehin lediglich "das Ergebnis von Jahrhunderten und Jahrtausenden der Willkür und der Gewalt"; deshalb sei "das Sezessionsrecht ... notwendig, damit sich endlich politische Einheiten bilden können, die den Wünschen der Bürger entsprechen".[5] Vaubel will dies ausdrücklich auf Katalonien angewandt wissen.
 
Künftige Spannungen
 
"Die Abspaltung einer der wohlhabendsten Regionen Spaniens würde nicht problemlos vonstatten gehen", heißt es nun bei der DGAP. "Besonders hart getroffen" würden die ärmeren Gegenden des Landes, die auf die zentralstaatliche Umverteilung der nationalen Einkünfte angewiesen seien. Auch Katalonien selbst werde zumindest in einer Übergangsphase mit Verlusten zu rechnen haben; und da sich "ein signifikanter Prozentsatz von Katalanen" - gemeint sind vor allem diejenigen, die Spanisch als Muttersprache sprechen - "in dem neuen Staat weniger zuhause fühlen" werde, sei "mit neuen Spannungen" zu rechnen. Dies alles bedeute jedoch nicht, dass Katalonien "für immer ein Teil Spaniens bleiben" solle. Die Autorin des DGAP-Papiers prescht mit der Forderung vor, die Abspaltung der Region von Spanien zu dulden: "Madrid sollte auf eine Übereinkunft hinarbeiten, um dem neuen Staat entgegenzukommen".[6]
 
Weitere Berichte und Hintergrundinformationen zur deutschen Unterstützung für den katalanischen Separatismus finden Sie hier: Zukunft als Volk, Sprachenkampf, Europa der Völker, Das deutsche Blutsmodell (IV), Grenzland-Verbünde, Der Zentralstaat als Minusgeschäft (II) und Spaniens Zypern-Szenario. (PK)
 
[1] Leo Wieland: Der freie Wille der Vollstrecker. www.faz.net 29.10.2014.
[2] Zitate hier und im Folgenden aus: Cale Salih: Catalonia's Separatist Swell. DGAPkompakt No 12, October 2014.
[3] s. dazu Sprachenkampf und Europa der Völker.
[4] S. dazu Brüche im Establishment (II).
[5] Roland Vaubel: Katalonien und das Recht auf Sezession. www.anc-deutschland.cat Oktober 2014.
[6] Cale Salih: Catalonia's Separatist Swell. DGAPkompakt No 12, October 2014.
 
Diesen Artikel haben wir mit Dank übernommen von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58980


Online-Flyer Nr. 483  vom 05.11.2014

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