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Kommentar
Zur polizeiministeriellen Absprache gegen “gewaltbereite Islamisten”
Halbmond-Zwang
Von Volker Bräutigam

Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seine Länderkollegen haben beschlossen, “gewaltbereiten Islamisten” den Personalausweis zu entziehen, um sie, wie dpa berichtet, “an der Ausreise in den Dschihad nach Syrien oder den Irak” zu hindern. Dem fraglichen Personenkreis werde ein Ersatzdokument ausgestellt. Ein Muster hatte der Minister schon für die TV-Kameras dabei. Ein Vermerk auf dem Ausweis verbiete dem Inhaber das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland bzw. die heimliche Wiedereinreise.

Thomas de Maizière
NRhZ-Archiv
 
Rechtsstaatliche Bedenken, das Projekt kollidiere u.a. mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, wurden in dem erlauchten Polizeiministerkreis vermutlich damit abgetan, dass die Betroffenen ja Rechtsmittel einlegen könnten. Die Minister dürften zwar gemerkt haben, dass damit eine unzulässige Beweislastumkehr stattfände, weil die Kläger gegebenenfalls beweisen müssten, dass sie nicht gewaltbereit sind. Aber Verfassungsminister können das Grundgesetz nicht immer unterm Arm tragen – und im Kopf schon gar nicht, aus Platzmangel.
 
Es sei mir immerhin gestattet, auf Schwächen des Beschlusses hinzuweisen und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Da sich mittels geheimdienstlicher Überwachung und willkürlicher Polizeikontrollen nicht sicherstellen lässt, dass der anvisierte Personenkreis den Ersatzausweis mit sich führt und an der Grenze gegebenenfalls auch unaufgefordert vorlegt, sollten die Gewaltbereiten zwangsweise einen gelben Halbmond mit der Aufschrift „Islamist“ gut sichtbar auf Brust und Rücken ihres Kaftans tragen (oder sonstiger Klamotten, die der perfekt informierte Deutsche und sein Büttel an solchen Leuten kennen). Rechtliche Grundlagen und Durchführungsbestimmungen bräuchte man nicht erst zu entwickeln, sie könnten von Archivvorlagen abgeschrieben werden (Stichwort “Judenstern”).
 
Die polizeiministerielle Absprache weist noch ein kleines Manko auf: Es fehlt die Rechtsgrundlage. Was soll mit den „Gewaltbereiten“ geschehen, die sich durch die Grenzkontrollen zu mogeln versuchen? Im Strafgesetzbuch gibt es weder den Tatbestand „Gewaltbereitschaft“ noch den zugehörigen Strafrahmen. Mit dem saftbayerischen Motto „gor net ingnorier´n“ kommt man diesen Hemmnissen aber sicherlich bei. Es empfiehlt sich das Vorbild „kurzer Prozess“, ein ebenfalls archivarisch gesicherter Teil der deutschen Justizgeschichte. Er enthöbe die Staatsanwaltschaften der Pflicht, den Vorwurf der “Gewaltbereitschaft” zu substantiieren, Beweis zu führen und eine verhältnisgemäße Strafe zu fordern.
 
Auf Verfassungskonformität der polizeiministeriellen Absprache zu beharren ist jedenfalls nicht sonderlich zielführend. Der wiederholte Hinweis auf die Kopfabschneiderei der IS-Terroristen und entsprechende Medienbelege sollten als Begründung für unumgängliche innenpolitische Abwehrmaßnahmen wie das hier angekündigte Reiseverbot genügen. Weitere Akzeptanzstrategien sind angesichts der pflichtbewussten Vorarbeit unserer Zwangsgebührensender und Konzernmedien nicht vonnöten. Minister de Maizière kann bei der flotten Umsetzung des Projekts auf Verständnis und Mitwirkung der homogenisierten SchwarzRotGrünen Hyperkoalition bauen.
 
Dass der Minister im Braunhemd aufgetreten sei ist ein Gerücht, auch dass er einen Herrenausstatter um farbliche Ergänzung seiner Garderobe gebeten habe. Das stünde ja in eklatantem Widerspruch zum Zeitgeist und zum gesunden Volksempfinden.

Mich quält eine Frage: Gelte ich als „gewaltbereit“, weil ich mir wünschte, die Herren Verfassungsminister so lange am Watschenbaum klingeln zu lassen bis ich „halt!“ gesagt habe? Obwohl ich kein Islamist bin, nicht mal blasser Lutheraner wie der Clan derer v. Maisschober (de Maizière), sondern ein gottverlassener Heide? (PK)
 
Textwiedergabe mitfreundlichem Einverständnis der Politikzeitschrift Ossietzky


Online-Flyer Nr. 482  vom 29.10.2014

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