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Globales
Brachten Polizisten oder Drogenbande Volksfront-Demonstrant in Istanbul um?
"Gerechtigkeit für Hasan Ferit Gedik!"
Von Peter Kleinert

Seit etwa 40 Tagen steht auf einem Platz im Istanbuler Stadtteil Kartal ein Zelt, in dem Angehörige und Freunde des 2013 bei einer Demonstration getöteten Hasan Ferit Gedik einen Sitzstreik durchführen, um Gerechtigkeit zu fordern. Seit Dienstag vergangener Woche wird die Aktion mit einem Hungerstreik fortgesetzt. Dazu hat uns der Anadolu Newsblog Informationen für den folgenden Text geschickt.


Solidarität mit Hasan Ferit Gedik
Fotos: Anadolu Newsblog

 
Nach einem bewaffneten Angriff durch staatlich gedeckte Drogenbanden auf eine Demonstration in Gülsuyu am 29. September 2013, verstarb der 21-jährige Unterstützer der Volksfront (Halk Cephesi), Hasan Ferit Gedik am Tag darauf im Krankenhaus.

In einem Zeitungsartikel des Autors Fatih Yasli in der Yurt Gazetesi vom 3. Oktober 2013 kann man lesen: "Die 'Oberbekleidung' (des Getöteten) war im Bezug auf die abgefeuerten Schüsse insofern ein wichtiger Beweis, weil dadurch festgestellt werden kann, aus welcher Entfernung und aus welcher Waffe geschossen wurde." (1) Und laut einem Artikel von Ismail Saymaz in der Zeitung Radikal "ließ man auch das T-Shirt von Ferhat Gercek, der durch Polizeischüsse eine Querschnittslähmung erlitt, sowie das Hemd von Festus Okey, der in der Polizeizentrale in Beyoglu ermordet wurde, verschwinden".
 
Knapp ein Jahr später, am 12. August 2014, schickte der CHP-Abgeordnete Hüseyin Aygün aus dem ursprünglich armenischen Dersim (türkischer Name heute Tunceli), bezüglich des blutigen Hemds von Hasan Ferit Gedik eine Anfrage an Innenminister Efkan Ala. Darin heißt es: “Nachdem am 29.09.2013 Bandenmitglieder auf eine von Bewohnern eines Viertels abgehaltene Demonstration das Feuer eröffnet hatten, kam Hasan Ferit Gedik ums Leben, und es gab mehrere Verletzte. Es ist öffentlich bekannt, dass am gleichen Tag, nachdem mitgeteilt wurde, dass Gedik im Krankenhaus für Bildung und Forschung in Kartal verstarb, zwei Personen in "Technikerkitteln" - es wird davon ausgegangen, dass es sich tatsächlich um Zivilpolizisten handelte - auf die Intensivstation kamen. Die beiden Personen drangen in die Intensivabteilung ein, in der sich Hasan Ferit befand, und vernichteten sein Hemd und seine Unterwäsche. Obwohl bereits inzwischen ein Jahr vergangen ist, wurden weder das Hemd von Hasan Ferit gefunden noch die Personen, die es vernichteten...". (2)
 
Um den Kampf gegen die angeblich staatlich geförderte Drogenpolitik in den Stadtvierteln zu verstärken, weitere Opfer von Bandenkriminalität zu verhindern und Gerechtigkeit für Hasan Ferit Gedik zu fordern, wird in der Türkei seit einigen Monaten eine landesweite Kampagne für die Bestrafung der Mörder von Hasan Ferit geführt.
 
So haben Mitglieder der Volksfront und Angehörige von Hasan Ferit, mitunter auch seine Mutter Nuray Gedik und sein Großvater Mustafa Meray, vor mehr als 40 Tagen in einem Zelt im Stadtteil Kartal mit einer Gerechtigkeitswache begonnen. Diese Aktion soll insgesamt zweieinhalb Monate fortgesetzt werden. Am 34. Tag der Kampagne, also vor einer Woche, wurde dort auch ein Hungerstreik gestartet.
 
In der Nacht davor kam es jedoch zu einem bewaffneten Angriff. "Unbekannte" - für die Angehörigen von Hasan Ferit liegt die Vermutung, dass die Personen mit seinen Mördern unter einer Decke stecken, nahe - schossen auf das Zeltlager und verfehlten zwei im Zelt schlafende Personen nur um ein Haar.
 
Der Prozess
 
Der von Angehörigen und deren Anwälten eingeleitete Prozess gegen die mutmaßlichen Täter begann offiziell am 14. August 2014. Der erste Verhandlungstag zeigte bereits, auf welcher Seite sich Staat und Gerichte positionierten. Das 10. Istanbuler Gericht für schwere Strafsachen wurde bis in die 3. Etage, in der die Verhandlung stattfand, von Polizisten besetzt. Obwohl es keinen gerichtlichen Beschluss dafür gab, wurde kein Journalist, geschweige denn ein Gerichtsreporter zum Prozess zugelassen.

Emonstration für Hasan Ferit in Istanbul


Selbst die Anwälte wurden ausgeschlossen, und der Prozess begann in ihrer Abwesenheit. Währenddessen versuchte ein großes Polizeiaufgebot, Proteste vor dem Gericht und in anderen Stadtteilen mit Gewalt zu verhindern. Dieser erste Prozesstermin endete also noch bevor er richtig beginnen konnte mit der Begründung, dass die nötige "Sicherheit nicht gewährleistet werden" könne und wurde auf den 4. September verschoben. Doch auch diese Verhandlung wurde mit dem Vorwand, dass die "physischen Bedingungen des Verhandlungssaals nicht ausreichend" seien auf den 15. September vertagt. Doch auch dieser Prozesstag konnte nicht fortgesetzt werden, da das Gericht diesmal darauf verwies, es stünde "nicht genügend Platz zur Verfügung". Es wurde sogar in Erwägung gezogen, den Prozess im Gerichtssaal des Hochsicherheitsgefängnisses Silivri fortzusetzen.
 
Nun steht jedoch anscheinend fest, dass der nächste Prozesstermin am 19. November 2014 im Istanbuler Gericht Kartal stattfinden wird.
 
Folgende schockierende, jedoch nicht erstaunliche Passagen aus einer Telefonkonversation der angeklagten Bandenmitglieder sind in der Anklage aufgeführt. Der als Boss der Drogenbande geltende Mann sagte darin zu einem anderen der Mordangeklagten: "Möge Gott allen gute Morde verheißen. Polizisten usw. sollten wir nicht töten, Polizisten gehören dem Staat an. Es spielt aber keine Rolle, wenn wir Revolutionäre töten!"
 
Die Aktivisten des Anadolu Newblog "rufen die demokratische Öffentlichkeit auf, die Familie Hasan Ferit Gedik's in diesem Prozess und in ihrem Kampf für Gerechtigkeit zu unterstützen. Nehmt am Prozess am 19. November 2014 teil und tragt durch eure Anwesenheit dazu bei, dass die Gerichte ein gerechtes Urteil fällen!" (PK)

(1) http://www.yurtgazetesi.com.tr/hasan-ferit-gedikin-kanli-gomlegi-nerede-makale,5952.html
2) http://zete.com/hasan-ferit-gedikin-kanli-gomlegi-nerede/
 
Quelle: Anadolu Newsblog | linksunten.indymedia.org


Online-Flyer Nr. 481  vom 25.10.2014

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