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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Globales
Seit Wochen Proteste von Studierenden in Hongkong "für mehr Demokratie"
Wer unterstützt sie und warum?
Von Einar Schlereth und Sara Flounders

Die USA und England haben mit Beginn der Demonstrationen in Hongkong sofort Erklärungen zu deren Unterstützung abgegeben und von China verlangt, die Forderungen der Demonstranten zu erfüllen – so wie sie das ja auch immer machen. (…) England stahl 1842 Hongkong und behielt es 145 Jahre als Kolonie. In der Zeit hat es dort nie Demokratie gegeben. London hatte einen Gouverneur ernannt und damit basta. Und es galt: ‘Hunden und Chinesen ist der Zutritt zu den öffentlichen Parks untersagt’ und ‘Schnauze halten!’. Von wegen ‘demokratische Tradition’, auf die sich die Demonstranten heute berufen.
 

Führte die Revolution von 1949 in
China an - Mao Tsetung
Quelle: wikipedia
Die politisch engagierte US-Schrifts-tellerin und Kriegsgegnerin Sara Flounders hat dazu einen wichtigen, doch sehr langen Artikel geschrieben, den ich hier zusammenfasse und kommentiere. Um von vorne zu beginnen: Die Demonstranten forderten bestimmte Prozeduren für die städtischen Wahlen 2017, die plötzlich eine WELTPOLITISCHE Frage wurden. Die ‘Occupy Central’ genannten Proteste wurden von den US-Medien mit Wohlwollen und als ‘pro-Demokratie’ Bewegung begrüßt, was einen ja unmittelbar misstrauisch werden lässt. Als die Polizei gegen die Demonstranten mit Tränengas vorging, kamen sie erst richtig in Fahrt.
 
Sara Flounders fragt zu Recht, dass man sich zuerst überlegen muss, WER die Bewegung unterstützt, um welche Forderungen es geht, an wen sie sich richten und wie die soziale Zusammensetzung der Demos ist. Chinas Außenminister verlangte Respekt vor Chinas Souveränität. Doch die Imperialisten können kaum erwarten, die chinesische Regierung zu stürzen, aber sie können versuchen, die Rolle des Staates in der Wirtschaft zu schwächen und die bürgerlichen Elemente zu stärken, indem u. a. die sozialistischen/sozialen Bestandteile beseitigt werden und die führende Rolle der KP Chinas in Frage gestellt wird.
 

Sara Flounders
Sara verweist auf Polizei-Repressionen in Mexiko, Italien und den Philippinen. In Mexico haben zum dritten Mal 50 000 Studenten für verbesserte Studien demonstriert, bei der es drei Tote und viele Verwundete gab und 47 Studenten spurlos verschwanden. Es wurden Massengräber gefunden, in denen die verbrannten Toten aber laut Medien und Regierung nicht mit den Verschwun- denen identisch sind. Am 2. Oktober griff die Polizei in Neapel eine friedliche Demonstration mit Wasserkanonen und Tränengas an, weil sie gegen die Sparmaßnahmen und ein Treffen der Europäischen Zentralbank in der Stadt protestierten. In Manila/Philippinen demonstrierten Tausende gegen die illegale zunehmende Anwesenheit von US-Truppen im Land, wobei es Angriffe mit Wasserkanonen, Tränengas und Massenverhaftungen gab. Nicht der geringste Protest von Washington oder London war in diesen Fällen zu hören, keine Botschafter wurden zitiert, nur geringe Hinweise in der Presse.
 
Sara fragt, worin der besondere Unterschied zur Occupy Central Bewegung in Hongkong besteht. „Der Einsatz von Tränengas durch die Polizei in Hongkong wird von denselben Beamten verurteilt, die geschwiegen haben, als ihre militarisierte Polizei in US-Städten nicht nur Tränengas einsetzten, sondern Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, scharfe Munition, elektrische Taser, Gummi-Geschoße, Hunde und Drohnen.“ Besonders lächerlich sind die Klagen über Restriktionen für Kandidaten in Hongkong, wenn man die Prozeduren in den USA kennt, wo Kandidaten sorgfältig von den Mega-Unternehmen ausgesucht werden für zwei pro-imperialistische Parteien.
 
In China wird die ‘Occupy Central’-Bewegung mit den US-bezahlten Farbenrevolutionen in der Ukraine und den früheren Sowjetrepubliken verglichen. In manchen Berichten wird die wichtige Rolle der US-NED und der DNI und anderer staatlich unterstützter NGOs unterstrichen. DNI ist das National Democratic Institute for International Affairs der US-Regierung, NED das amerikanische National Endowment for Democracy. Es weitere NGOs in Hongkong, die alle die Aufgabe haben, ‘Demokratie aufzubauen’. Doch ihre wahre Aufgabe ist die Destabilisierung des Landes. Sie sind in Hongkong seit Jahrzehnten erlaubt, aber im Rest von China verboten.
 

Hongkong - Demonstrationen seit Wochen
Quelle: Kommunisten online
Hongkongs Bedeutung beruht laut Sara nicht in seiner Größe und seiner Bevölkerung von 7.5 Millionen, sondern in seiner führenden Rolle als Zentrum des Finanzkapitals. Schon 2011 hatte Hongkong London, New York und Singapore laut World Economic Forum überflügelt. Hongkong ist das finanzielle Tor zu China. Es hat einen garantierten, Banken-freundlichen und administra- tiven Sonderstatus. Kapitalisten in Hongkong sind heute die größten Investoren in China. „Und in Hongkong gibt es die extremsten Unterschiede zwischen Reichtum und Armut. Die Stadt ist für ihre glitzernden Wolkenkratzer und Luxus-Einkaufstraßen und als Heimat für einige der reichsten Leute der Welt bekannt. Aber die Hälfte der Bewohner lebt in überfüllten und einsturzgefährdeten Sozialwohnungen.“
 
Mehr als 170 000 ‘arbeitende Arme’ leben in Wohnungen, die in 'Hundekäfige' von 6 m Tiefe und knapp 1 m Höhe unterteilt sind. Minimallöhne gibt es nicht. Doch obwohl die ‘Occupy Central’-Bewegung denselben Namen wie die in New York benutzt, hat sie bisher keinerlei Forderungen an die Banken gestellt und hat nicht gegen die 'Einprozenter' in der Bevölkerung protestiert. „In Hongkong ist die Rolle der Banken gesetzlich für 50 Jahre festgeschrieben. Wie kann man das übersehen", fragt Sara.
 
Sodann wirft sie einen Blick zurück auf die Geschichte des britischen Imperialismus. Weil der Kaiser von China 1838 zwei Millionen Pfund Opium konfiszieren und verbrennen ließ, hatten England und andere imperialistische Mächte einen trefflichen Grund, einen Krieg zu beginnen. Mit Kanonenbooten wurden mehrere chinesische Städte in Brand geschossen, Hongkong wurde besetzt und in eine Militärbasis verwandelt und China wurde im Vertrag von 1842 auch noch für die von England verursachten Schäden zu hohen Strafen verurteilt und in der Stadt wurde die Rassentrennung eingeführt.
 
15 Jahre später wurde ein weiterer Krieg von England, Frankreich, den USA sowie den kaiserlichen Russen und Japanern vom Zaun gebrochen. Im Vertrag von 1898 musste China noch mehr Land abtreten und äußerst nachteilige Handelsbeziehungen eingehen. China stürzte in eine endlose Periode von verheerenden Hungersnöten, Bürgerkriegen konkurrierender Kriegsherren, in Unterentwicklung und große Armut für die große Mehrheit.
 
Die Revolution von 1949 unter der Führung von Mao Tsetung und der Chinesischen Kommunistischen Partei beendete all dies. Die chinesische Wirtschaft wurde auf sozialistischer Basis neu organisiert. Aber Hongkong und Macau blieben in englischer bzw. portugiesischer Hand. Und in Taiwan überlebte das reaktionäre Kuomintang-Regime unter Führung des Diktators Chiang Kai-chek als US-Protektorat. Obendrein verweigerten die imperialistischen Länder dem verarmten und unterentwickelten China jede technologische und industrielle Hilfe. Das wurde dann so hingedreht, dass China sich von der übrigen Welt abschottete.
 

US-Günstling und Taiwan-
Diktator Chiang Kai-chek
Quelle: wikipedia
1980 begann China sich den westlichen kapitalistischen Investitionen auf immer breiterer Basis zu öffnen. Der kapitalistische Markt und der Einfluss der kapitalistischen Eigentumsbeziehungen haben den sozialistischen Besitz stark erodiert. Aber die zentrale Stellung der KP in der Politik und Ökonomie wurde nicht gebrochen. Wie 100 und 200 Jahre zuvor die Imperialisten jede Behinderung ihrer Herrschaft sabotierten, versucht Wall Street heute, ungehinderten Zugang zu Chinas Märkten zu bekommen.
 
1997 lief der 99-jährige Vertrag für die Kolonie Hongkong aus. Bereits 1984 unterzeichnete China mit England ein Abkommen über den Status von Hongkong. Um Instabilität und das Versiegen der Investitionen über Hongkong zu vermeiden, schloss Deng Xiaoping das Abkommen „Ein Land, zwei Systeme“ auf 50 Jahre, wodurch das kapitalistische System in der Stadt beibehalten werden sollte. Auch blieb der Hongkong-Dollar frei konvertierbar. Hongkong sollte also sein System bis 2047 unverändert beibehalten dürfen. Das Abkommen erklärte auch, dass das sozialistische System und sozialistische Politik in Hongkong nicht praktiziert werden würden.
 
„Die Hongkong-Banker, Finanziers und Industriellen erhielten volle Autonomie, außer in der Außen- und Verteidigungs-Politik. Und diese minimale Kontrolle Chinas wird jetzt von ‘Occupy Central’ in Frage gestellt durch die Forderung, dass der oberste Beamte Cy Leung zurücktreten soll“, erklärt Sara Flounders. Alle antiquierten britischen Gesetze sind in Hongkong noch gültig und nicht ein fortschrittliches Gesetz aus China ist je übernommen worden. Die Hongkong-Richter sind immer noch wie die englischen Richter in ihre Kasperletracht gekleidet. Durch den völlig ungebremsten Kapitalismus ist es auch erklärlich, dass es so unglaubliche Extreme zwischen reich und arm gibt.
 
Aus Angst vor den Forderungen der Arbeiter begannen die Engländer das Abkommen von 1984 sofort nach der Unabhängigkeit 1997 zu verletzen, gründeten neue, reaktionäre Parteien und veränderten das Verwaltungssystem, was von Beijing stark verurteilt wurde. Aber noch tückischer als diese Veränderungen war die enorme Ausdehnung der US-’Soft Power’. Mehr als 30 000 NGOs sind in Hongkong registriert, die jeden Aspekt des Lebens abdecken. Die USA finanzieren nicht nur NGOs für politische Subversion über die NED, die NDI, die Ford Foundation, Carter Center, Asia Foundation, Freedon House, Soros Open Society und Human Rights Watch. Sie und alle anderen behaupten, Menschenrechte, Demokratie, eine freie Presse und Wahlreformen zu fördern. Diese Finanzierung sozialer Netzwerke operiert mit demselben Ziel in Lateinamerika und der Karibik, im gesamten Nahen Osten, in Afrika, Osteuropa und den ehemaligen Sowjetrepubliken.
 
Aber: „Der US-Imperialismus hat in keiner seiner hunderten Interventionen, Kriege, Drohnen-Attacken, Staatscoups oder globaler Überwachung Demokratie eingeführt. Stattdessen sei „Förderung von Demokratie“ der Deckmantel geworden für Angriffe auf die Souveränität von Ländern in der ganzen Welt, weiß Sara Flounders. Natürlich gibt es auch religiöse Gruppen und andere Staaten, besonders die EU, die politische NGOs und soziale Netzwerke in Hongkong und sonstwo finanzieren. Ein paar von ihnen sind vielleicht wirklich unabhängig und leisten tatsächliche Hilfe für Arbeitslose, Kranke etc. Aber die allermeisten sind vom US-Imperium beherrscht.
 
Die chinesische Presse hat in zahlreichen Artikeln die Verbindung der Führer der ‘occupy central’ und diesen US-finanzierten NGOs aufgedeckt. Sara Flounders zitiert das China Internet Information Center China.org.cn vom 6. Oktober: „Jeder einzelne Führer von ‘Coccupy Central’ ist entweder in direkter Verbindung mit dem US-Außenministerium, dem NED und dem NDI oder mit einer der vielen Unterabteilungen des NDI.“ Der selbsternannte Führer von Occupy Central, Benny Tai, ist ein Jura-Professor, der Darlehen vom National Democratic Institute for International Affairs (NDI) der US-Regierung und von deren National Endowment for Democracy (NED) erhalten hat und im Vorstand des NDI-finanzierten ‘Center for Comparative and Public Law’ sitzt. Er wohnte vielen NDI-finanzierten Konferenzen bei. Dies gilt auch für andere prominente Figuren, wie z. B. Audrey Eu.
 

Martin Lee – erhielt 1997 den NED-
Democracy Preis der USA
Ebenfalls laut China.org.cn ist: „Martin Lee, Gründer und Vorsitzender von Hongkongs Demokratischer Partei, eine weitere prominente Figur, die der Occupy Central zu Hilfe eilte. Genau in diesem Jahr war Lee in Washington auf einem Treffen mit Vizepräsident Joseph Biden und der Republikanerin Nancy Pelosi – ausgerechnet einige der schlimmsten Finger in Washington – und nahm an einem NED-Gespräch teil, das speziell für ihn und seine Tagesordnung für die ‘Demokratie’ in Hongkong organisiert wurde. Lee hat sogar eine NED-Webseite, die ihm gewidmet wurde, als er 1997 den NED Democracy Preis erhielt. Zusammen mit ihm in Washington war Anson Chan, ebenfalls eine prominente Figur, die die Unruhen in Hongkong unterstützt.“
 
Einige Publikationen im Westen greifen diese Artikel auf, wie etwa ‘Counterpunch’ mit dem Titel „Hong Kong and the Democracy Question“; ‘Global Research’ mit „US Now Admits It Is Funding Occupy Central in Hong Kong“ und ‘Infowars.com’ mit „Is the U.S. Secretly Egging on Hong Kong Protesters?“ Eine Hongkong-Umfrage ergab im übrigen, dass die meisten, die nur 10.000 $ im Jahr oder weniger verdienten gegen die Proteste sind, während die Unterstützung am größten bei denen ist, die 100.000 $ im Jahr oder mehr verdienen.
 
Abschließend meint Sara Flounders, dass die Wall Street unzufrieden sei mit der starken Stellung des Kapitalismus in China, weil sie die chinesische Konkurrenz auf den globalen Märkten fürchtet. Stattdessen wollen die USA eine politische Liberalisierung und weitere Privatisierungen von staatlichen Industrien. Der US- und britische Imperialismus will wie vor 100 Jahren Hongkong benutzen, um politisch tiefer in China einzudringen. Aber jetzt haben sie es nicht mit einer zurückgebliebenen feudalen Dynastie zu tun. Deswegen habe Obama mit seiner Asien-Hinwendung zusammen mit der herrschenden Klasse und dem Militärapparat beschlossen, einen Konfrontationskurs gegen Russland und China zu fahren.
 
Die Gegner von US-Kriegen und die Organisationen, die Arbeiterrechte in den USA verteidigen, können eine wichtige Rolle spielen, indem sie sich weigern, auf die US-Pläne einzugehen, die eine Beseitigung pro-sozialistischer Normen in China und die Unterminierung der chinesischen Souveränität zum Ziel haben. (PK)
 
Diesen Artikel haben wir mit freundlicher Genehmigung von Kommunisten-Online,
http://kommunisten-online.de/?p=8071 übernommen.
 
Einar Schlereth (77), geboren in Westpreußen, heute Polen, sammelte 1957 in Paris erste Erfahrungen mit Demos (gegen Frankreichs Krieg in Algerien) und der Polizei. 1967 nahm er an den Massendemos gegen den US-Krieg in Vietnam teil und war ab 1968 in der Studentenbewegung engagiert. 1970 erste Veröffentlichung 'Indonesien: Analyse eines Massakers'. Ab 1971 war 25 Jahre lang freier Mitarbeiter des 3. Programms des NDR mit Features zur 3. Welt und Umwelt. Er war 10 Jahre lang Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Freundschaftsgesellschaft, seit 2009 ist er Mitglied bei der alternativen Info-Agentur Tlaxcala.
 


Online-Flyer Nr. 481  vom 22.10.2014

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