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Krieg und Frieden
Benefizveranstaltung von Palästinensern in Wuppertal am 27.September 2014
"Hand in Hand für Gaza"
Von Evelyn Hecht-Galinski

Am 27. September, einen Tag vor der Verleihung des Kölner Karls-Preises, war unsere Autorin Evelyn Hecht-Galinski von der "Allianz der Palästinensischen Gemeinden, Vereine der Gemeinschaft NRW" zu einer Gaza-Benefizveranstaltung nach Wuppertal eingeladen. Vor 1300 Mitgliedern und Gästen wurde ihr eine "Ehrenurkunde zur Anerkennung ihrer besonderen Verdienste um den gerechten Frieden in Palästina" überreicht. Hier ihre Rede in dieser Veranstaltung:

Evelyn Hecht-Galinski
 
Lieber Jamal Mahmoud, liebe Freunde von der Allianz der Palästinensischen Gemeinschaft und Vereine, NRW, sehr geehrte Frau Botschafterin Dr. Daibes, als mich diese Einladung erreichte, habe ich mich sehr gefreut über die große Ehre, hier und heute Abend mit Ihnen meine Solidarität mit den notleidenden Menschen in Gaza zum Ausdruck zu bringen. Diese ist bitter notwendig angesichts der schrecklichen Bilanz der letzten israelischen Aggression mit dem blumigen Titel „Fels in der Brandung“, der zum größten Teil Zivilisten zum Opfer fielen, und der mutwilligen Zerstörungen, vor allem der zivilen Infrastruktur.
 
Die Palästinenser haben leider keine große Lobby und es fehlt auch hier eklatant an Politprominenz, die sich sonst auf allen möglichen jüdischen und israelischen Charity-Veranstaltungen die Klinke in die Hand geben. Und so möge der heutige Benefiz-Abend ein Beispiel sein, dem hoffentlich noch andere deutsche Städte folgen werden! Danke auch für die wundervolle Ehrenurkunde, sie wird einen Ehrenplatz in unserem Haus bekommen.

Übergabe der Ehrenurkunde in Anerkennung ihrer besonderen Verdienste um gerechten Frieden in Palästina
 
Wo sind Sie, Prominente, Politiker und Prominenz, die sich sonst so gern am Brandenburger Tor einfinden, um dort zusammen mit dem Zentralrat der Juden zu protestieren? Gaza ist aus den Schlagzeilen verschwunden, ohne dass sich die Situation dort grundlegend verbessert hat. Warum? Weil interessierte Kreise, verschiedene jüdische Lobby-Organisationen, wie auch gerade der Zentralrat der Juden in Deutschland, es grandios, ja geradezu perfide verstanden haben, von den israelischen Kriegsverbrechen und der Besatzung, Besiedlung und Demütigung des palästinensischen Volkes abzulenken und auf das Thema Antisemitismus umzulenken.
 
Wir alle sind doch einer Meinung, dass es keinen Raum für Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus in Deutschland geben darf und wir wären die ersten, die gegen tatsächlichen Antisemitismus auf die Straße gehen würden! Aber liebe Freunde, handelte es sich wirklich um Antisemitismus, als auf Gaza-Demonstrationen so massiv gegen die Kriegsverbrechen des "Jüdischen Staates" demonstriert wurde? Bei denen ganze Familien ausgelöscht wurden – von toten Kindern zu hunderten ganz zu schweigen?
 
Auf den vielen Demonstrationen gegen die israelischen Massaker in Gaza, an denen ich teilgenommen habe, habe ich nie antisemitische Parolen gehört! Am 19.Juli war ich in Berlin auf einer großen Demonstration, zusammen mit Ken Jebsen, und sprach dort über die Kriegsverbrechen des "Jüdischen Staates" vor mehr als 7.000 Zuhörern, die - wie der Großteil der deutschen Bevölkerung - auf der Seite der unterdrückten Palästinenser stehen!
 
Und wird nicht unweigerlich jede Israel-Kritik zum „Judenhass“, nachdem Israel auch von den Palästinensern verlangt, als „Jüdischer Staat“ anerkannt zu werden?
 
Warum gab es keine Großdemonstration mit Beteiligung der Politprominenz am Brandenburger Tor gegen das Massaker, das der "Jüdische Staat" in Gaza anrichtete? Seit wann hat eine Besatzungsmacht das Recht auf Selbstverteidigung? Warum stehen diese Politiker nicht auf der Seite der unterdrückten Palästinenser, sondern immer nur auf der Seite des "Jüdischen Staates“, der doch keinen Frieden will - und nicht zu vergessen - sogar die Zwei Staaten-Lösung durch alle bisherigen Regierungen Israels verweigert wurde!

Jamal Mahmoud, Vorsitzender des Wuppertaler Palästinenser-Vereins, rechts vor Evelyn Hecht-Galinski. Hinter ihr Ehemann Benjamin Hecht und der Berliner Journalist Ken Jebsen
 
Die deutsche Bundeskanzlerin hat Israels Sicherheit - die Sicherheit einer Besatzungsmacht - zur deutschen Staatsräson erhoben, aber über die Sicherheit und Freiheit für das palästinensische Volk breitet sie den Mantel des feigen Schweigens. Als deutsche Regierungsmitglieder von CDU und SPD den "Jüdischen Staat" auch während des Gaza-Genozids mit tausenden zivilen palästinensischen Opfern auch noch Rüstungsgüter lieferten und dem israelischen Ministerpräsidenten ihre Solidarität in seinem "Kampf für die Sicherheit der Bevölkerung im Jüdischen Staat" versicherten, konnte ich mich nur angeekelt abwenden!
 
Überall spricht der deutsche Bundespräsident von Freiheit, den Freiheitskampf der Palästinenser erwähnt er dagegen nie, schon gar nicht fordert er die Freiheit für Palästina öffentlich ein! Auch auf einen deutschen Ruf nach Sanktionen gegen den "Jüdischen Staat" warten wir vergeblich, und ebenso wenig gibt es eine Forderung, die israelischen Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag anzuklagen!
 
Warum sprechen so viele deutsche Politiker immer vom Recht auf Heimat, vergessen aber in diesem Zusammenhang immer die Palästinenser, denen dieses Recht verweigert wird?
Warum erklären SPD-Politiker mit "Migrationshintergrund" aus dem besetzten Westjordanland eilfertig, dass sie sich schämen für "antisemitische Hassparolen" auf Berliner Straßen, ohne zugleich zu verlangen, dass sich kollektiv die Juden für die Kriegsverbrechen, die Besatzung und den Völkermord in Gaza schämen sollten?
 
Ich finde, gerade Deutschland hat eine Verantwortung und steht in der Pflicht auch gegenüber den Palästinensern.
Schließlich, und das dürfen wir nie vergessen, liebe Freunde, sind die Palästinenser auch Leidtragende, und die vergessenen Opfer des Holocaust.
 
Den aus ihrer Heimat Palästina Vertriebenen wird die Rückkehr vom "Jüdischen Staat" verweigert! Andererseits dürfen jüdische Menschen aus der ganzen Welt "zurückkehren".
Ich jedoch weigere mich, dieses sogenannte Rückkehrrecht als solches anzuerkennen, da eine "Rückkehr" in ein mir fremdes und zum Teil geraubtes Land niemals zu Recht werden kann, wo es doch ein Unrecht ist, Besatzung und Vertreibung zu legitimieren.  
 
Auch aus diesem Grund kann ich den Satz meines Vaters, Heinz Galinski immer nur wiederholen: "Ich habe Auschwitz nicht überlebt um zu neuem Unrecht zu schweigen".
Und ich bin mir sicher: Würde er die heutigen Zustände im abgeriegelten Gaza-Ghetto, dem größten Freiluftgefängnis, erleben, so wäre auch er entsetzt und würde viele Dinge anders sehen als noch vor Jahrzehnten.

Walter Herrmann von der Kölner Klagemauer und die palästinensische Botschafterin Dr. Kholoud Daibes
 
Dass meine beiden Freunde von der Kölner Klagemauer, Walter Herrmann und Klaus Franke, denen ich sehr verbunden bin, hier sind, freut mich sehr, und ganz besonders freue ich mich auch darüber, dass ich meinen Freund Ken Jebsen und seinen Kameramann Paul Meyer und Marvin überzeugen konnte, extra aus Berlin zu dieser wichtigen Benefizveranstaltung für Gaza zu kommen. Denn eigentlich wollten beide erst morgen nach Köln kommen, anlässlich der Verleihung des Kölner Karls-Preises der NRhZ, meiner "Hauszeitung“, an mich, einer weiteren Anerkennung meiner Arbeit. Auch dies ist ein Ansporn, auf meinem Weg weiter zu gehen.
 
Für diese Benefiz-Tombola für Gaza, habe ich 3 Armbanduhren für die Versteigerung gestiftet und mitgebracht! Deshalb tut es mir leid, dass im Vorfeld aus gewissen Kreisen Streit in die Öffentlichkeit getragen wurde wegen meiner Parteinahme für die Ein Staat-Lösung, die ganz offensichtlich das Auffassungsvermögen einiger Weniger überfordert, bitte Sie aber, diesen Stimmen die ihnen zustehende Bedeutung zu geben: nämlich gar KEINE!
 
In der Tat habe ich eine unverwechselbare Sprache und vertrete meine Positionen immer sehr direkt, auch gegen Widerstände. Ich nehme es nicht schweigend hin, dass das Unrecht, welches der "Jüdische Staat" seit der Nakba 1948 an den Palästinensern beging und immer noch begeht, tatenlos hingenommen wird. Nicht nur ich bin der Meinung, dass die sogenannte Zwei Staaten-Lösung - die, wie schon gesagt, von allen bisherigen israelischen Regierungen verweigert wurde - sich zu einer Fata Morgana entwickelt hat! Schauen Sie sich die Landkarte an.
Wo in diesem zerrissenen Landflecken, der aussieht wie ein Schweizer Käse, soll ein Staat Palästina entstehen, zudem mit einer laut "Jüdischem Staat" ewig ungeteilten Hauptstadt Jerusalem?
Wie lange also will die Palästinenserbehörde noch mit Israel um „nichts“ verhandeln? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sich mit Israel seit langem arrangiert hat in ihrem Status quo. Es gilt, den Tatsachen ins Auge zu blicken, aber ich bin nicht so vermessen, den Palästinensern irgendetwas vorzuschreiben!
 
Gestern hielt Präsident Abbas eine bemerkenswerte Rede vor der UNO, und ich hoffe, dass daraus auch Taten werden! Letztendlich werden die Palästinenser, wenn sie ihre Freiheit erkämpft haben, über ihre „Staatslösung“ selbst bestimmen! Und das ist auch gut so!
Gut ist auch, dass sich die palästinensische Autonomiebehörde und Hamas nun verständigt haben.
Deutschland sollte dies anerkennen und die - immerhin demokratisch gewählte! - Hamas im Gazastreifen endlich als Gesprächs- und Friedenspartner anerkennen. Die Ablehnung der Hamas durch Israel dient nur als Vorwand, nicht zu verhandeln, und unsere Bundesregierung spielt dieses schmutzige Spiel mit!
Die Hamas ist keine Terrororganisation, sondern eine Widerstandsbewegung, gegen die Besatzung!
Tatsache ist: Ohne die Aufhebung der Blockade von Gaza, ohne den Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967, wird es keinen Frieden geben! Aber ist dies nicht eine Vision, die der "Jüdische Staat", dieser Staat ohne feste Grenzen und mit ständig neuen Landrauben, obsolet macht?
 
Die Palästinenser haben uns gezeigt: wo Besatzung und Abriegelung zu „Recht“ wird, wird Widerstand zur Pflicht! Der, liebe Freunde, durch das Völkerrecht gedeckt ist!
Deshalb solidarisiere ich mich mit dem palästinensischen Volk in seinem Freiheitskampf!
Als ehemalige Berlinerin sage ich: Die Apartheidmauer muss fallen, so, wie die Berliner Mauer fiel.
 
Der Apartheidstaat Israel, die "einzige Ethnokratie im Nahen Osten", muss zu einer Demokratie für alle ihre Staatsbürger werden, in den Grenzen von 1967 und mit einer geteilten Hauptstadt Jerusalem für Palästinenser und Israelis!
 
Zum Schluss wünsche ich uns allen trotz des ernsten Hintergrunds dieser Benefiz-Veranstaltung für Gaza einen schönen Abend, frohe Stunden und eine erfolgreiche Veranstaltung dazu!
Ich würde mich auch sehr freuen, wenn so viele der hier heute Anwesenden am Sonntag nach Köln zur Karls-Preis-Verleihung kommen würden, um auch mit uns zu feiern. Denn manchmal fühle ich mich sehr allein auf deutschen Veranstaltungen, wenn kein Palästinenser dabei ist.
 
Stehen wir gemeinsam auf, Hand in Hand für ein freies Palästina, ohne Besatzung und ohne Abrieglung. Free Gaza und Free Palestine! (PK)


Online-Flyer Nr. 479  vom 08.10.2014



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