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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Seit dem Frühjahr wirbt Iran in der EU um Erdgas-Käufer
Gesprächskreis in Teheran
Von Hans Georg

Berlin lotet intensiv die Möglichkeit einer zukünftigen Kooperation mit Iran aus. Dies geht aus Berichten von einer hochrangig besetzten Konferenz der Hamburger Körber-Stiftung hervor. Demnach wurden beim jüngsten Treffen des "Bergedorfer Gesprächskreises" der Stiftung, das Mitte Juni in Teheran durchgeführt wurde, "Perspektiven der Zusammenarbeit" zwischen Iran und dem Westen in den Blick genommen. Dazu gehörten, hieß es, eventuell umfangreiche iranische Erdgaslieferungen in die EU. 
 

Hassan Rohani
NRhZ-Archiv
Teheran hat derlei Lieferungen explizit auch mit Blick auf den Konflikt zwischen Russland und dem Westen angeboten - und sucht sich damit als Erdgas-Konkurrenz zu Moskau zu positionieren. Bei der Körber-Stiftung heißt es, womöglich stünden mit der Schwerpunktverlagerung der US-Weltpolitik nach Ost- und Südostasien erhebliche Umbrüche in Mittelost bevor. Für diesen Fall gilt eine mögliche Kooperation mit Iran als höchst bedeutsam. An dem Treffen des "Bergedorfer Gesprächskreises" in Teheran nahmen unter anderem der Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt sowie der iranische Außenminister persönlich teil.
 
Hochrangig besetzt
 
Mit den Perspektiven einer etwaigen künftigen Kooperation zwischen dem Westen und Iran hat sich Mitte Juni die Hamburger Körber-Stiftung befasst. Die einflussreiche Organisation widmete dem Thema ihren 156. "Bergedorfer Gesprächskreis", der vom 13. bis zum 15. Juni in Teheran tagte. Das in der Öffentlichkeit kaum beachtete Treffen war wie üblich hochrangig besetzt. Neben den Botschaftern Irans in Deutschland und Deutschlands in Iran waren führende Außenpolitiker vor allem der Union aus dem Bundestag und dem Europaparlament zugegen. Kanzler- und Auswärtiges Amt hatten mehrere mit dem Mittleren Osten befasste Referatsleiter entsandt; auch der Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, der den Bundesaußenminister persönlich berät, nahm an der Zusammenkunft teil. Neben einigen Mitarbeitern westlicher und mittelöstlicher Think-Tanks waren auch Journalisten zugegen. Die Regierung Irans ließ sich von einem Vize-Minister aus ihrem Ölministerium und von Außenminister Mohammad Javad Zarif persönlich vertreten.[1]
 
Die Zeit drängt
 
Der Zeitpunkt für das Treffen ist in mehrfacher Hinsicht sorgfältig gewählt worden. Zum einen fand die Zusammenkunft rund einen Monat vor dem geplanten Abschluss der Verhandlungen über Irans Nuklearprogramm statt - rechtzeitig also, um Hintergrundabsprachen zu treffen und bei heiklen Fragen vorzufühlen. Zum anderen hieß es, die Zeit, eine neue Phase der Kooperation einzuleiten, dränge. In der EU stünden nach der Bildung einer neuen Kommission zeitraubende personelle Umbrüche bevor, in den USA stehe man im Herbst vor Zwischenwahlen. Vertreter Teherans machten ihrerseits deutlich, dass ihr Land durchaus über Alternativen verfüge: "Iran sei längst Teil der internationalen Gemeinschaft", gibt der Tagungsbericht der Körber-Stiftung die iranische Seite wieder; "gerade in den Wachstumsmärkten Asiens lägen Irans größte Möglichkeiten".[2] Allzu lange abzuwarten oder zu hohe Forderungen zu stellen - das könne die Kooperation verhindern oder doch zumindest schwächen.
 
In die EU oder nach Osten
 
Ein plastisches Beispiel dafür bietet die Rohstoffbranche. Iran, das Land mit den viertgrößten Öl- und den zweitgrößten Gasreserven weltweit, will seine Rohstoffexporte dringend ausweiten, um nach den sanktionsbedingten Schädigungen der letzten Zeit neue Einkünfte zu erzielen. Bereits seit dem Frühjahr wirbt Teheran in der EU um Erdgas-Käufer. "Wir wollen auf dem internationalen Gasmarkt künftig eine große Rolle spielen", erklärte Irans Industrieminister Mohammed Reza Nematsadeh im April in der deutschen Wirtschaftspresse: "Iran kann ein zuverlässiger, sicherer und dauerhafter Partner Europas werden".[3] Kurz zuvor, am 8. April, hatte die iranische Regierung eine hochkarätige Delegation zu einer "Iranian German Business Conference" nach Berlin entsandt, auf der ebenfalls mögliche Öl- und Gaslieferungen thematisiert werden sollten. Lieferungen in die EU sind allerdings nicht die einzige Option, an der Teheran arbeitet. Im Mai besuchte der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif Teheran - und verhandelte dort mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani über eine mögliche Wiederaufnahme der Arbeiten am Bau einer Erdgaspipeline aus Iran nach Pakistan. Die Gespräche stocken zwar; doch gilt ihre baldige Weiterführung als nicht ausgeschlossen.
 
Russland oder Iran
 
Beim Werben um Erdgas-Käufer sucht Teheran zurzeit zusätzlich die eskalierenden Spannungen zwischen Russland und dem Westen zu nutzen. "Iranische Teilnehmer betonten, dass die Krise in der Ukraine gezeigt habe, dass insbesondere die europäischen Staaten großes Interesse an der Diversifizierung ihrer Energielieferanten haben müssten", heißt es beispielhaft im Tagungsbericht des "Bergedorfer Gesprächskreises": "Iran könne in Fragen der globalen Energiesicherheit eine wichtige Rolle spielen und sei ein verlässlicher Energielieferant."[4] In Moskau werden Teherans Angebote an die EU sehr aufmerksam registriert. "Der Westen" sei "de facto bereit, sich mit einer Atommacht Iran abzufinden - genauso wie einst mit Indien und Pakistan", wird ein russischer Mittelost-Experte zitiert; "als Gegenleistung" rechne er "im Zuge seines wirtschaftlichen Krieges gegen Russland mit iranischem Öl und Gas". Der Experte vermutet: "Der Iran wird mit Sicherheit auf diese Annäherung eingehen. Der iranische Präsident Hassan Rohani arbeitet ja darauf hin, die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Teheran lockern zu lassen und die Energieexporte wieder aufzunehmen".[5]
 
Die künftige Regionalmacht
 
Teherans Kooperationsangebot an den Westen ist von strategischer Bedeutung - insbesondere, weil im Mittleren Osten strategische Umbrüche nicht auszuschließen sind. Die USA fokussieren ihre weltpolitischen Aktivitäten zunehmend auf den Konkurrenzkampf gegen China und damit nach Ost- und Südostasien; deshalb sei "die künftige amerikanische Rolle" in Mittelost "unklar", heißt es bei der Körber-Stiftung.[6] Zuletzt nahmen die arabischen Golfdiktaturen, insbesondere Saudi-Arabien, eine zentrale Rolle in der westlichen Mittelostpolitik ein. Bei einer Verringerung der US-Aktivitäten in Mittelost müsse Riad, das "jahrzehntelang von der US-amerikanischen Sicherheitsgarantie profitiert habe", womöglich "die eigenen sicherheitspolitischen Prioritäten neu definieren", erläutert die Körber-Stiftung, die mit Blick auf Teherans immenses wirtschaftliches und politisches Potenzial trocken konstatiert: "Iran ist die künftige Regionalmacht". Ob und, wenn ja, in welchem Umfang eine Kooperation mit Teheran und damit eine Neustrukturierung der Machtverhältnisse in Mittelost möglich sind, ist Gegenstand der aktuellen Debatte. (PK)
 
 
[1], [2] Iran und der Westen: Perspektiven der Zusammenarbeit. 156. Bergedorfer Gesprächskreis. Teheran, 13.-15. Juni 2014.
[3] Iran bietet sich Europa als Gaslieferant an. www.welt.de 14.04.2014.
[4] Iran und der Westen: Perspektiven der Zusammenarbeit. 156. Bergedorfer Gesprächskreis. Teheran, 13.-15. Juni 2014.
[5] Pipeline-Krieg gegen Russland. german.ruvr.ru 24.06.2014
[6] Iran und der Westen: Perspektiven der Zusammenarbeit. 156. Bergedorfer Gesprächskreis. Teheran, 13.-15. Juni 2014.
 
Diesen Beitrag haben wir mit Dank fon german foreign policy übernommen.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58915


Online-Flyer Nr. 468  vom 23.07.2014

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