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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Inland
Karlsruhe: Sensationeller Auftritt des weltberühmten US-Intellektuellen
Friedenstreffen mit Noam Chomsky
Von Carl Routier

Erst eine Woche vor Prof. Noam Chomskys Rede am 30. Mai zum Thema „Driving forces in US policy“ auf Einladung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) war der Veranstaltungstermin bekannt geworden und mehr als 2.000 Menschen fanden den Weg ins ZKM, darunter sehr viele Studierende aus dem KIT und anderen Karlsruher Bildungseinrichtungen.


Quelle: BNN DER SONNTAG, 25. Mai
Es war eine der größten Veranstaltungen, die das ZKM je erlebt hat, wie Prof. Peter Weibel in seiner Eröffnungsrede erklärte, in der er die Gäste und Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup begrüßte und Leben und Wirken von Noam Chomsky kurz skizzierte. Allein die große Teilnahme war eine Demons-tration des friedensbewussten Karlsruhe für den 85-jährigen US-Friedensaktivisten, dessen politische Proteste bis in die Zeit des Vietnam-Krieges zurück reichen. Eine schöne Referenz an Noam Chomsky und ein ermutigendes Zeichen für den Friedenswillen der BürgerInnen zugleich.
 
Auf den Inhalt der hochinteres-santen Rede kann hier nicht eingegangen werden. Eine automatische Simultanübersetzung in Form von projiziertem Text, die zwar nicht gut funktionierte, spricht jedenfalls dafür, dass die komplette Rede bald zweisprachig veröffentlicht werden kann.
 
Dieser Beitrag soll sich auf die mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT zusammenhängende Thematik der Militärforschung konzentrieren, die in einem Flyer und einem Diskussionsbeitrag zum Ausdruck kam.
 
Wortwechsel zur Militärforschung von MIT und KIT
 
Dietrich Schulze von der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten bat Noam Chomsky unter Verweis auf dessen Signierung des Internationalen Appells „Commit Universities to Peace. Reject Research for the Military. It is time to act” aus dem Jahre 2011 [1], diesen Appell an die Adresse der KIT-Leitung zu wiederholen. Das KIT (Karlsruhe Institute of Technology) betreibe Militärforschung, und er wisse als Professor am MIT (Massachusetts Institute of Technology) sehr gut, wie Militarisierung von Wissenschaft aussieht. Schulze begründete seine Bitte zu dieser zugegeben großen Vision von militärfreien Hochschulen weltweit den Realitäten zum Trotz als erreichbar, wenn diese unermüdlich aufgegriffen werde. Chomsky ging in seiner längeren Antwort auf das Prinzipielle der Militarisierung der Hochschulen ein und bezeichnete diese als Gefahr für Demokratie und Freiheit. Der Beifall der Zuhörer für Schulzes Beitrag und für Chomskys Antwort wird die KIT-Leitung hoffentlich zum Nachdenken anregen.

Collage: Dietrich Schulze
 
Für die Zustimmung der Zuhörer spielte möglicherweise auch der im folgenden wieder gegebene Flyer der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten eine Rolle. Davon wurden 300 Exemplare [2] vor dem ZKM verteilt, darunter einige Exemplare in englischer Übersetzung. Hier der Text des Flyers.
 
Peaceful Karlsruhe welcomes Noam Chomsky:
 
"Für die Stadt Karlsruhe ist es eine Ehre und Herausforderung zugleich, einen der wichtigsten US-amerikanischen Intellektuellen und bekanntesten Kritiker der US-Außen-, Wirtschafts- und Kriegspolitik hören zu dürfen.
Noam Chomsky hat mehr mit Karlsruhe zu tun, als manchem hier lieb sein dürfte. Er gehört zu den Unterzeichnern eines Internationalen Appells, der sich gegen die Indienstnahme der Universitäten für Rüstungsforschung und Kriegszwecke wendet.
Ja, Sie haben es erraten, der Appell hat etwas mit dem intellektuellen Prunkstück der Stadt und der Region, der Bildungs- und Forschungsstätte KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie, zu tun.
Internationaler Appell
Unter dem Titel „Universitäten dem Frieden verpflichten. Forschung für das Militär ablehnen. Es ist Zeit zu handeln.“ appellieren international bekannte Persönlichkeiten wie Noam Chomsky, der Hiroshima-Bürgermeister Tadatoshi Akiba und vier Nobelpreisträger unter Verweis auf die wachsende Militarisierung an alle Hochschulen weltweit, all ihre Bemühungen auf die Förderung des Friedens und der Verständigung zwischen den Völkern zu richten. Von den Universitätsleitungen und den zuständigen akademischen Gremien wird die Abkehr von jeglicher Forschung und Lehre für militärische Zwecke und die Übernahme von verbindlichen Verpflichtungen für die Universitätssatzungen entsprechend den Zivilklauseln gefordert.
Der Appell vom Januar 2011 ist dem KIT-Präsidium bekannt. Es lehnte bereits die Forderung der Studierenden vom Januar 2009 für die Zivilklausel für das KIT-Gesetz „Das KIT verfolgt nur friedliche Zwecke.“ rundweg ab, ebenso wie die grüne Wissenschaftsministerin, die sie in der Oppostion noch gefordert hatte. Die KIT-Vizepräsidentin demonstrierte die gleiche ablehnende Haltung gerade in einem Zivilklausel-Podium am 18. Mai im Rahmen des Symposiums „Immer noch: KRIEG! Vom Giftgas zur Drohne“. Das KIT hält sich die Option auf Militärforschung offen und betreibt diese auch wirklich. Dafür drei Beispiele.
KIT-Militärforschung
• Grundlagenforschung für Pentagon: Im letzten Oktober ist aufgrund einer NDR-Veröffentlichung aufgedeckt worden, dass 22 hiesige Hochschulen seit 2003 für Forschungsprojekte Finanzmittel aus dem Pentagon erhalten. KIT war mit fünf Projekten beteiligt. Über das jüngste aus dem Informatikbereich mit Mitteln der US-Marine wurde in einer internationalen Wissenschaftskonferenz unter Teilnahme von KIT-Wissenschaftlern von einem britischen Rüstungsforscher unter dem Titel „Agile militärische Fähigkeiten“ erklärt: Wie uns globale Ereignisse ständig vor Augen führen, leben wir in einer gefährlichen und unberechenbaren Welt. … Innovativen Strategien, Taktiken und Doktrinen können radikale Veränderungen des Charakters von Kriegen oder der Art der Kriegführung herbeiführen.… Da heute die Fähigkeit fortgeschrittener Systeme weitgehend von Algorithmen bestimmt wird, spielt es eine wichtige Rolle, flexible, anpassungsfähige Systeme für unsere militärischen Erfordernisse zu erhalten.“
• Geheimdienstforschung für NSA: Im letzten September wurde aufgrund der NSA-Enthüllungen bekannt, dass Prof. Alex Waibel seit Jahren US-Geheimdienstgelder für seine Spracherkennungsforschung am KIT und an einem US-Institut bezieht. Nach dessen Einlassung „reine Grundlagenforschung“ verbunden mit heftiger Gegenwehr „Rufmord“ ist inzwischen der Mantel des Schweigens über die Affäre gebreitet worden. Ein bemerkenswertes Verteidigungsargument von Prof. Waibel: »In Deutschland gebe es jede Menge wissenschaftliche Institute, die geheime Militärforschung betreiben.«
• Atomreaktorforschung für Militärs: Wie erst kürzlich bekannt wurde, forciert das KIT im Interesse der alten Atomlobby neue Forschung an Atomreaktoren, z.B. an einer neuartigen geräuscharmen Flüssigmetallkühlung für große Atomreaktoren, die besonders für Atom-U-Boote geeignet ist. Damit kann die Erkennung durch den „Feind“ erschwert werden. Kaum verwunderlich, dass militärische Großmächte schon Interesse gezeigt haben. Ganz abgesehen von der Zuwiderhandlung gegen den Atomausstieg ist diese Forschung ein eindeutiger Verstoß gegen das gültige KIT-Gesetz, in dem es heißt: "Zur Wahrnehmung der Großforschungsaufgabe [das ist die Atomforschung definitiv] betreibt das KIT im Interesse der Allgemeinheit Forschung und Entwicklung zu friedlichen Zwecken vorwiegend auf dem Gebiet der Technik und ihrer Grundlagen." All das ist von der Initiative mehrfach angeprangert worden, ohne jegliche Reaktionen. Die Arroganz der Macht im akademischen Gewand.
Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.
Möge es Noam Chomsky vorbehalten bleiben, die Verantwortlichen des KIT auf einen anderen Weg zu bringen. Als Institutsprofessor am MIT, dem Massachusetts Institute of Technology, weiß er aus eigener unmittelbarer Anschauung, was Militarisierung bedeutet.
Auf diesem Weg kann das KIT auch auf die Unterstützung des Karlsruher Gemeinderats und von Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup zählen. Am 20. Mai hatte der Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossen, dem 1983 von Hiroshima-Bürgermeister Tadatoshi Akiba ins Leben gerufenen Friedens-Netzwerk „Mayors for Peace“ („Bürgermeister für den Frieden“) beizutreten.
Soweit der Text des Flyers.
 
Aus aktuellen Gründen war dem Flyer noch eine kleine Beilage [3] mit einem taz-Beitrag und Zusatz-Informationen beigefügt worden. Mehr Berichte über die Veranstaltung und die Hintergründe im Internet-Wiki der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten [4]. Der Auftritt von Noam Chomsky in Karlsruhe war übrigens am Schluss eines Beitrags von Dietrich Schulze in der Neuen Rheinischen Zeitung am 28. Mai [5] angekündigt worden. (PK)
 
Quellen:
[1] http://www.inesglobal.com/commit-universities-to-peace.phtml
[2] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20140530.pdf
[3] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20140529.pdf
[4] http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf
[5] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20384
 


Online-Flyer Nr. 461  vom 04.06.2014



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