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Globales
Nach der Ermordung Gaddafis libysche Waffen an die syrischen Rebellen
USA wollen auch Assad stürzen
Von Armin Wertz

„Ich werde mich nicht hinstellen und ihn rundheraus verurteilen“, kommentierte die US-Botschafterin in Libyen General Khalifa Haftirs Putschversuch gegen die Übergangsregierung des Landes. „Er geht ja mit seinen Truppen gegen Kräfte vor, die auf unserer Terrorliste stehen.“ Die nach dem Putschversuch so gelassen zur Schau gestellte neutrale Haltung Washingtons darf füglich in Frage gestellt werden. Das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher. Schließlich steht der in den westlichen Medien bereits gefeierte Kämpfer gegen religiösen
Fanatismus Haftir schon seit langem in Diensten der USA.
 

Einst General Gaddafis, nun auf der
Seite der USA - Khalifa Haftir
Quelle: wikipedia/flickr.com,
Foto: Magharebia
Kampf gegen Gaddafi
 
Im Mai 1984 griffen Aufständische einer Nationalen Front zur Rettung Libyens (NFSL) eine Kasernenanlage, in der sich auch Gaddafis Familienanwesen befand, mit Raketen- und Gewehrfeuer an. Die meisten der Angreifer wurden getötet, als libysche Panzer ihre Stellung überrollten. Nur wenige Tage vor dem Angriff hatte Präsident Ronald Reagan eine Direktive unterzeichnet, die signalisierte, dass Exilgruppen wie die NFSL eine nicht zu unterschätzende Waffe im Kampf gegen Gaddafi seien.
 
Der Washington Post-Reporter Bob Woodward zitierte die Präsidentenanweisung, in der die US-Nachrichtendienste angewiesen wurden, gegen den internationalen Terrorismus „in die Offensive (zu) gehen“, in seinem Buch „Veil“: „… wenn sie ausreichend unterstützt werden, könnten die Exilgruppen bald eine fortgesetzte Sabotage- und Gewaltkampagne beginnen, die weitere Herausforderungen an Gaddafis Autorität auslösen könnte.“ Schon damals war man in Washington der Auffassung, dass „… keine Operation, die nicht den Sturz Gaddafis auslöst, irgendeine bedeutsame und anhaltende Änderung in der libyschen Politik erreichen wird.“
 
Drei Jahre zuvor, 1981, hatte William Casey in seiner ersten geheimen Operation als CIA-Direktor Hissène Habré im Tschad zur Macht verholfen. Mit Washingtons Unterstützung (zwei AWAKS-Überwachungsflugzeuge sowie acht F-15 Kampfjets und Logistiktruppen) terrorisierte Habré acht Jahre lang seine Landsleute. Nach Schätzungen von Human Rights Watch ließ er 40.000 ermorden, zahlreiche Menschen verschwinden und rund 200.000 foltern. Im Jahr 2000 brachten einige seiner Folteropfer „Afrikas Pinochet“ im Senegal, wo er lebte, vor Gericht.
 
Von Libyen nach Amerika
 
In den Jahren nach Habrés Machtübernahme im Tschad kam es zu häufigen Zusammenstößen zwischen seinen von CIA und französischen Agenten unterstützten Streitkräften und libyschen Verbänden. Im März 1987 gerieten 600 bis 700 libysche Soldaten unter dem Befehl Khalifa Haftirs in Gefangenschaft. Gaddafi behauptete, nichts mit dem General zu tun zu haben, woraufhin Haftir (gelegentlich auch Haftar, Hefter oder Huftur geschrieben) zur NFSL überlief. In einem Bericht des Congressional Research Service vom Dezember 1996 wird Haftir als Kommandeur der Libyschen Nationalen Armee erwähnt, der militärische Flügel der NFSL, die sich – so der Report – „mit vielen ihrer Mitglieder in den Vereinigten Staaten“ aufhalte.
 
Tatsächlich hatten die Männer eine wahre Odyssee hinter sich. Zunächst waren sie “in einem Stützpunkt nahe Ndjamena, der Hauptstadt des Tschad, von amerikanischen Agenten in Sabotage und anderen Guerillataktiken unterwiesen“ worden, berichtete die New York Times schon vor 20 Jahren: „Der Plan, die Exilanten zu benutzen, passt hervorragend in Präsident Reagans Absichten, Oberst Gaddafi zu stürzen.“ Schließlich flogen die USA die Männer nach Zaire aus, wo sich die Hälfte von ihnen entschied, nach Libyen zurückzukehren. Weil die USA ihr Versprechen, Zaire im Austausch für eine Aufenthaltserlaubnis der Männer Finanzhilfe zu überweisen, nicht einlösten, wurden Haftir und seine Leute nach Kenia ausgewiesen. Als auch Kenia der Männer überdrüssig war, ließ Washington sie in die USA bringen.
 
Zurück in Libyen
 
Im März 1996 kehrte Haftir nach Libyen zurück, um einen Aufstand gegen Gaddafi zu unterstützen. Vagen Informationen zufolge, war es in den Jabal Akhar-Bergen in Ostlibyen zu Unruhen gekommen. Die bewaffneten Rebellen hätten sich wohl entflohenen Gefangenen des Gefängnisses von Benghazi angeschlossen. „Ihr Anführer ist Oberst Khalifa Haftir von einer Contra-ähnlichen Gruppe, die ihre Basis in den Vereinigten Staaten hat und die Libysche Nationale Armee genannt wird“, berichtete die Washington Post (26. März 1996). Drei Monate nach diesem Umsturzversuch ermordeten Gaddafis Sicherheitskräfte 1.200 Gefangene in Benghazis Abu Simal-Gefängnis.
 
Danach verschwand der Oberst oder General für einige Jahre aus den Schlagzeilen. Erst 2011, als die NATO auf Seiten der Aufständischen in den libyschen Bürgerkrieg eingriff, tauchte Khalifa Haftir wieder auf. Die USA schickten ihren alten Verbündeten nach Benghazi. Haftir wurde zum neuen Kommandeur ernannt, um Ordnung und Disziplin in das militärische Chaos der Rebellenarmee zu bringen. Er war der dritte Kommandeur in weniger als drei Monaten. Haftir schien sich auf Misrata zu konzentrieren, wo seit Mitte April 2011 heftige Straßenkämpfe tobten. Schließlich gelang es den Aufständischen mit Hilfe der NATO, einige Positionen im Zentrum der Stadt einzunehmen. Am 23. April zogen Gaddafis Truppen aus der Stadt ab.
 
Und nun will oder soll Haftir das „Terroristenversteck“ Libyen von den Islamisten befreien und einen säkularen Staat errichten. Und wieder scheint seine Front durch Misrata zu verlaufen. Seine Gegner, die Übergangsregierung, rief den „Zentralen Schild“, eine paramilitärische Miliz aus Misrata, zur Verteidigung in die Hauptstadt. Unterstützt werden diese Verbände von al-Kaida-nahen Gruppen wie der Ansar al-Sharia oder Al-Jama’a al-Islamiyyah al-Muqatilah bi-Libya (Libysche Islamische Kampfgruppe oder JIML), die bereits in Afghanistan und nach ihrer Rückkehr gegen das säkulare Regime Gaddafis gekämpft hatte.
 
Hilfe für Islamisten
 
Doch während Haftir die sogenannten Islamisten aus Libyen vertreiben soll, werden andernorts Aufständische, die eine gefährliche Nähe zu solchen Islamisten zeigen, mit Kriegsgerät aus den Arsenalen des gestürzten und ermordeten Diktators Gaddafi versorgt. Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs ist die CIA eifrig dabei, die arabischen Regierungen und die Türkei beim Einkauf auch schwereren Kriegsmaterials zu unterstützen.
 
Die CIA stellt die notwendigen Verbindungen zu den internationalen Waffenhändlern her und koordiniert die Flüge der geheimen Luftbrücke. Über 160 jordanische, saudische und katarische Militärtransporte landeten alleine auf dem Esenboga-Flughafen bei Ankara. „Eine vorsichtige Schätzung der Ladungen dieser Transporte läge bei 3500 Tonnen militärischem Material“, erklärte Hugh Griffiths vom Stockholm International Peace Research Institute, das illegale Waffentransfers beobachtet, gegenüber der New York Times.
Gleichzeitig kaufte Saudi Arabien Waffen und Ausrüstung in Kroatien für die Aufständischen im Süden Syriens oder für den Weitertransport in die Türkei für die Rebellen im Norden Syriens. Zusammen bildeten all diese Logistikströme „einen wahren Wasserfall von Waffen“, wie ein amerikanischer Offizier sagte, der bestätigte, dass der ehemalige CIA-Direktor (bis November 2012) David H. Petraeus erheblich zum Aufbau dieses Netzwerks beigetragen und einige Staaten dazu gebracht habe, bei der Sache zusammenzuarbeiten.
 
Waffenhandel im US-Konsulat
 
Und vor einem Monat berichtete der Enthüllungsjournalist Seymour Hersh in der London Review of Books, dass die CIA auf einer sogenannten „rat line“ Kriegsmaterial auch aus Libyen über die Türkei an syrische Rebellen schickt. Zwar erklärte ein Regierungssprecher: „Die Vorstellung, die USA lieferten Waffen aus Libyen an irgendjemanden, ist falsch.“ Doch ein nie veröffentlichter Anhang zum Untersuchungsbericht des Senate Intelligence Committee über den Anschlag auf ein US-Konsulat und eine nahegelegene, geheime CIA-Einrichtung in Benghazi, dem neben drei weiteren Personen auch der amerikanische Botschafter Christopher Stevens zum Opfer gefallen war, beschreibt ein Geheimabkommen zwischen der US-Regierung und der türkischen Regierung Ministerpräsident Recep Erdogans, das sich auf diese Rattenlinie bezieht.
 
Demnach wurde das Projekt von der Türkei, Saudi-Arabien und Qatar finanziert, während CIA und der britische MI6 unter Leitung von General David Petraeus den Transport der Waffen aus Gaddafis Arsenalen nach Syrien organisierten. Dazu wurden in Libyen einige Firmen gegründet, hinter deren Fassade die Geschäfte abgewickelt werden konnten. Aus dem aktiven Dienst ausgeschiedene US-Soldaten, die gelegentlich nicht einmal wussten, wer sie beschäftigte, managten das Tagesgeschäft. Das Projekt war so geheim, dass nicht einmal die zuständigen Komitees des amerikanischen Kongresses informiert waren, obwohl das Gesetz dies verlangt.
 
Tatsächlich, so informierte ein ehemaliger amerikanischer Geheimdienstmitarbeiter Seymour Hersh, „war der einzige Auftrag des Konsulats (in Benghazi), ein Cover für die Waffentransporte zu liefern. Es hatte keine politischen Aufgaben.“ Nach dem Anschlag auf das US-Konsulat in Benghazi stellte die CIA abrupt jede Mitarbeit an dem Projekt ein, das nun einfach ohne US-Beteiligung weiterlief. Damit aber hatten die USA „keine Kontrolle mehr darüber, was die Türken an die Jihadisten leiteten“, so der amerikanische Ex-Geheimdienstagent. Nur wenige Wochen später passierte, was die Obama-Administration stets hatte vermeiden wollen: Dass derartige Waffen in die Hände der syrischen Rebellen fielen und womöglich gegen den zivilen Luftverkehr eingesetzt werden könnten. Nun aber verfügten die syrischen Aufständischen bereits über 40 Boden-Luft-Raketen-Stellungen, sogenannte „manpads“. (PK)
 
Armin Wertz hat diesen Artikel am 29.5. im www.journal21.ch veröffentlicht und uns erlaubt, ihn auch in die NRhZ zu stellen.
 


Online-Flyer Nr. 461  vom 04.06.2014

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