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Globales
Gewalt auch im ukrainischen Odessa: Juden bereiten sich auf einen Exodus vor
Rechtsextremisten gegen Referendum
Von Peter Kleinert

Nach den blutigen Ausschreitungen am Freitag in Odessa bereitet sich die örtliche Judengemeinde auf eine Evakuierung vor. Für den Fall, dass die Gewalt eskaliert, stehen 70 Busse parat, wie die Zeitung The Jerusalem Post berichtet. Dies erfährt man nicht durch die übl(ich)en deutschen Medien, sondern von der Russischen Agentur für internationale Informationen RIA Novosti.

Nicht 42 sondern 116 Menschen starben in dem brennenden Gewerkschaftshaus von Odessa
Quelle: Ria Novosti
 
„Am Wochenende haben wir die Große Choral-Synagoge geschlossen und Studenten aus dem Stadtzentrum in Sicherheit gebracht. Wir hatten Angst vor einer Ausbreitung der Gewalt“, sagte laut einer Meldung von RIA Novosti nach Refael Kruskal, Leiter der jüdischen Wohltätigkeitsorganisation Tikwa in Odessa. Bei den Ausschreitungen rechter Nationalisten am Freitag wurden ihm zufolge auch Vertreter der Judengemeinde verletzt. Sollte sich die Lage weiter verschlimmern, werde die Gemeinde Kinder aus der Stadt und dann wahrscheinlich auch außer Landes bringen. Für den 9. Mai und die Folgetage wolle er außerhalb der Stadt ein provisorisches Lager für 600 Mitglieder der Gemeinde mieten, so Kruskal.
 
Nach Angaben der Zeitung The Jerusalem Post hat die jüdische Gemeinde bereits 70 Busse gemietet, um im Notfall Kinder und Erwachsene in Sicherheit zu bringen. Als einer der möglichen Zufluchtsorte ist Chisinau im Gespräch. Die Hauptstadt des benachbarten Moldawien ist rund zweieinhalb Fahrtstunden von Odessa entfernt.
 
In Odessa leben rund eine Million Menschen, darunter etwa 30.000 Juden. Am Freitag war es in der Schwarzmeerstadt zu Ausschreitungen zwischen den Anhängern eines Referendums und Kämpfern des ultranationalistischen rechten Sektors gekommen. Die Extremisten steckten ein Zeltlager in Brand, in dem Unterschriften für ein Referendum über die Zukunft des Gebietes Odessa gesammelt wurden. Mehrere Anti-Maidan-Aktivisten versteckten sich im benachbarten Gewerkschaftshaus, das dann ebenfalls von den Rechten angezündet wurde.
 
Die rechten Angreifer versperrten die Ausgänge und bewarfen das Gebäude mit Molotow-Cocktails. Laut Westmedien und der Regierung in Kiew verbrannten etwa 40 Menschen oder starben beim Sprung aus den Fenstern. Fernsehbilder zeigten, wie verletzte Anti-Maidan-Aktivisten, denen die Flucht aus den Flammen gelang, von den Rechtsradikalen zusammengeschlagen wurden. Die Polizei schritt nicht ein. Drei Tage nach dem Branddrama in Odessa warf auch der Abgeordnete Wadim Sawenko den Kiewer Behörden vor, die wahre Opferzahl zu manipulieren. Nach seinen Angaben starben nicht 40, sondern 116 Menschen in dem brennenden Gewerkschaftshaus. Unterstützt und finanziert würden die Mitglieder rechtsradikaler nationalistischer Organisationen vom Unternehmer Igor Kolomoiski.
 
Die ukrainische Opposition hatte im Februar den Staatschef Viktor Janukowitsch für abgesetzt erklärt. Obwohl die von der Verfassung vorgeschriebene 75-Prozent-Mehrheit im Parlament nicht erreicht wurde, stellten Oppositionsparteien die aktuelle Übergangsregierung, die von den westlichen Staaten anerkannt wurde. Dagegen haben die von russischsprachigen Einwohnern dominierten Gebiete im Osten und Süden der Ukraine die neue, nationalistisch geprägte Regierung mit ihren Swoboda-Ministern nicht anerkannt. Auch in Donezk, Charkow, Lugansk und anderen Städten demonstrierten laut RIA Novosti tausende Menschen für ein Referendum und eine Föderalisierung der Ukraine. Befürworter der Föderalisierung besetzten Verwaltungsgebäude, bauten Barrikaden und riefen "Volksrepubliken“ aus. Daraufhin startete die Regierung in Kiew in den Protestregionen ihre auch in den deutschen Medien bekannt gemachte "Anti-Terror-Operation“ unter Einsatz der Armee.

Der ukrainische Geheimdienst SBU bereitet sich laut inoffiziellen Angaben aus Kiew auf eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste in Odessa vor. SBU-Chef Walentin Naliwajtschenko hat der Außenstelle der Behörde in der Schwarzmeerstadt entsprechende Anweisungen erteilt. „Der Chef des SBU-Verwaltung des Gebietes Odessa hat von Naliwajtschenko die Anweisung bekommen, in den nächsten Tagen in der Stadt die notwendigen Voraussetzungen für einen Sondereinsatz und eine Niederschlagung der prorussischen Elemente zu schaffen“, erfuhr RIA Novosti aus ukrainischen Sicherheitskreisen. "Es wurde befohlen, Agenten in die Protestbewegung einzuschleusen und am 9. Mai Unruhen zu provozieren" hieß es dort. Auch sollen die SBU-Mitarbeiter vor Ort "Beweise“ dafür beschaffen, dass Russland über die Kirchen des Moskauer Patriarchats Waffen und Geld nach Odessa schicke. Zur Niederschlagung der so provozierten Unruhen sollen nach Angaben der Quelle im SBU Kämpfer des Rechten Sektors und Spezialeinheiten des Innenministeriums eingesetzt werden. (PK)


Online-Flyer Nr. 457  vom 07.05.2014

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