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Aktuelles
Bremer Nordderby: Passanten und Journalisten von Neonazis bedrängt
Polizeistrategie rund um das "Hooligan-Schiff"
Von Peter Kleinert

Rund 130 überwiegend rechtsradikale Hooligans aus Bremen und ihre Sympathisanten aus anderen Städten hatten am Samstag den 1.3. vor dem Nordderby gegen den HSV ein Ausflugsschiff gemietet und waren von Gröpelingen aus auf der Weser unterwegs. Die Wasserschutzpolizei, die auf diese Ausflugsgesellschaft aufmerksam gemacht worden war, kontrollierte das Schiff mit der vermummten und provozierenden Menge daraufhin am Martini-Anleger. Laut Polizei wurden dabei Reizgas und Pyrotechnik beschlagnahmt - während Sturmhauben und andere Vermummungsgegenstände laut Pressemitteilung der Polizei im ‚turbulenten Einsatzgeschehen‘ nicht sichergestellt wurden. Nach zwei Stunden ließ die Polizei alle polizeibekannten Hooligans ‚aus Gründen der Verhältnismäßigkeit‘ von Bord (so die Pressemitteilung der Bremer Polizei vom 3. März 2014).
 
Berichten zufolge kam es anschließend, nachdem die gewaltsuchenden vermummten Hooligans ohne Polizeibegleitung durch die Stadt ziehen konnten, zu massiven Bedrohungen und Angriffen auf PassantInnen und JournalistInnen sowie zu Auseinandersetzungen mit den eingesetzten Polizeikräften. Die Fraktion DIE LINKE fordert Aufklärung über die Einsatztaktik der Polizei und hat zur Märzsitzung der staatlichen Deputation für Inneres eine Berichtsbitte eingereicht. 
 
Kristina Vogt, Vorsitzende und innenpolitische Sprecherin, erklärt: „Es waren polizeibekannte organisierte Straftäter unterwegs, auf der Suche nach Gewalt und Krawallen, und die Polizei erteilte nicht mal die sonst üblichen Platzverweise und Aufenthaltsverbote. Dass stattdessen Nazi-Gruppen nach dem Bootsausflug durch die Straßen ziehen und gezielt Menschen angreifen konnten, muss erklärt werden. Wenn die Polizei öffentlich zugibt, dem ‚turbulenten Einsatzgeschehen‘ auf dem Schiff kräftemäßig nicht gewachsen gewesen zu sein, fragen wir uns, warum nicht ein Teil des Großaufgebots am Stadion in Richtung Schlachte verlegt wurde, um erwartbare Straftaten konsequent zu verhindern. Wenn schon eine Durchsuchung nicht wirklich kontrolliert verläuft, kann die Schlussfolgerung jedenfalls nicht lauten, die Leute einfach laufen zu lassen.“
 
Rolf Gössner, parteiloser Innendeputierter der Fraktion DIE LINKE, der für die Deputationssitzung am 12. März eine Berichtsbitte mit 20 Fragen an den Innensenator stellt, dazu: „Wir problematisieren mit unserer Anfrage nur einen Ausschnitt des gesamten Polizeieinsatzes vom 1. März, den wir für besonders bedeutsam halten. Entscheidende Fragen, auf die ich plausible Antworten erwarte: Warum schritt die Polizei in diesem Fall nicht unverzüglich gefahrenabwehrend ein, als sie von der Schifffahrt der mutmaßlich gewaltbereiten und neonazistischen Hooligans erfuhr? Aus welchen konkreten Gründen hat die Polizei während der zweistündigen Personenkontrolle auf dem 'Hooligan-Schiff' offen getragene Sturmhauben nicht beschlagnahmt, obwohl dies nach eigenen Polizeiangaben erforderlich und innerhalb von zwei Stunden auch möglich gewesen wäre? Weshalb sind keine oder kaum Platzverweise und Aufenthaltsverbote verhängt worden – obwohl es sich bei vielen der Anwesenden um gewaltbereite Personen handelte, die im Umfeld von Fußballspielen schon früher durch Straftaten aufgefallen waren? Und warum konnten ganze Gruppen weitgehend ohne Polizeibegleitung durch Innenstadt und Viertel ziehen und dabei ihr kriminelles Unwesen treiben, Passanten und Journalisten bedrohen?“

Berichtsbitte der Franktion DIE LINKE
 
Hier die Berichtsbitte von Rolf Gössner und Cindi Tuncel um Aufklärung über die Einsatztaktik der Polizei am 1. März. Antworten auf die folgen Fragen werden in der Märzsitzung der staatlichen Deputation für Inneres am 12. März erwartet.
 
Im Vorfeld des Nordderbys hatten 137 Personen, die mutmaßlich dem gewaltbereiten neonazistischen Hooligan-Spektrum zuzurechnen sind, in Gröpelingen ein Schiff gechartert, um ins Bremer Zentrum bzw. in Richtung Stadion zu gelangen. Im Zusammenhang mit dieser Schifffahrt, polizeilichen Maßnahmen und anschließenden Vorkommnissen am 1.03.2014 stellen wir folgende Fragen mit der Bitte um mündliche und schriftliche Beantwortung:
 
1. Wann hatte die Polizei davon erfahren, dass es am 1. März 2014 zu einer größeren, geplanten Aktion Bremer Neonazis, Hooligans und mutmaßlich aus Essen stammenden befreundeten gewaltorientierten Personen kommen würde?
2. Wann hatte die Polizei Kenntnis erlangt über die Anmietung des Schiffes und über seine Passagiere und wann wurden die Schiffseigner über den Charakter dieser Bootstour informiert?
3. Was unternahm die Polizei bereits vor Ort, um die Personen, die das Schiff betreten, zu kontrollieren und ggfls. das Ablegen des Schiffes zu verhindern?
4. Wann legte das Schiff in Gröpelingen ab?
5. Wann wurde das Schiff von der Wasserschutzpolizei aufgebracht, zum Schlachte-Anleger dirigiert, um die Passagiere zu kontrollieren?
6. Wie viele PolizeibeamtInnen waren an der Kontrolle beteiligt, wurden alle auf dem Schiff befindlichen Personen polizeilich kontrolliert bzw. einer polizeilichen Identitätsfeststellung unterzogen?
7. Wurden auch erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt und wenn ja, in wie vielen Fällen?
8. Wie viele der kontrollierten Personen werden polizeilich als „Kategorie-C“/gewaltsuchend eingestuft? Wie viele hatten einschlägige Vorstrafen? Wie viele Personen sind in der Gewalttäterdatei „Rechts“, wie viele in der Gewalttäterdatei „Sport“ erfasst?
9. Wie viele polizeiliche Meldeauflagen waren im Vorfeld des Spiels gegen einschlägig bekannte Mitglieder der genannten Szenen verhängt worden?
10. Wie viele der Personen sind dem Bremer Neonazi-Spektrum bzw. dem Spektrum rechter Hooligans zuzurechnen?
11. Aus welchen konkreten Gründen wurden während der zweistündigen Polizeikontrolle mitgeführte Vermummungsgegenstände bzw. offen getragene Sturmhauben nicht beschlagnahmt, obwohl dies nach Polizeiangaben erforderlich und innerhalb von zwei Stunden möglich gewesen wäre - und mussten sich vermummte Personen zur Personenkontrolle kenntlich machen?
12. Wie viele Personen wurden im Rahmen dieser Kontrollen in Gewahrsam genommen? Und wie viele der Anwesenden durften das Schiff wann und wo wieder verlassen?
13. Nachdem die Polizei alle kontrollierten Personen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit entließ: Wie viele Platzverweise/Aufenthaltsverbote wurden in diesem Zusammenhang ausgesprochen?
14. Falls von dieser Befugnis kein oder nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wurde: Wie wird begründet, dass zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Kriterien für Platzverweise / Aufenthaltsverbote nach § 14 BremPolizeigesetz nicht gegeben waren – obwohl es sich bei vielen der Anwesenden um gewaltbereite Personen handelte, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen konnten, dass sie im Umfeld des Nordderbys Straftaten begehen würden.
15. Wann wurde die Einsatzleitung über die Freilassung der mutmaßlich neonazistischen Hooligans im Innenstadtgebiet in Kenntnis gesetzt?
16. Gab es Polizeibegleitung für die Hooligan-Kleingruppen, die nach Verlassen des Schiffes durch die Innenstadt liefen? Und wenn ja, wie erfolgte die Begleitung; wenn nein, warum nicht?
17. Welche Erkenntnisse hat die Polizei/das Innenressort darüber, welche und wie viele Straftaten nach Verlassen des Schiffs durch Hooligans verübt wurden und wie viele Ermittlungsverfahren sind mittlerweile eingeleitet worden?
18. Nach Informationen von Betroffenen und Augenzeugen wurden JournalistInnen und PassantInnen von mutmaßlichen Neonazis bzw. neonazistischen Hooligans verfolgt, bedroht und angegriffen; wie ist dies zu erklären angesichts der vorherigen Kontrollen und der konkreten Kenntnis, die die Polizeiführung über anwesende Gewalttäter zuvor erlangt hatte?
19. Welche Kenntnis hat die Innenbehörde darüber, dass sich Mitglieder des Bremer Hooligan-Spektrums im Internet mit der „Jagd“ auf FotografInnen brüsten und welche Konsequenzen werden ggfls. daraus gezogen?
20. Wie bewertet das Innenressort den Polizeieinsatz gegen die Gruppe der neonazistischen Hooligans am 1. März 2014 insgesamt und welche Schlussfolgerungen zieht der Senat für zukünftige Hochrisikospiele, bei denen organisierte Hooligans Aktionen planen? (PK)


Online-Flyer Nr. 448  vom 05.03.2014

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