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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Nach der BAYER-Bilanzpressekonferenz in Leverkusen:
CBG-Gegenantrag zu PCB-Vergiftungen
Von Peter Kleinert

Die BAYER AG veröffentlichte am 28. Februar ihre Bilanz für das Geschäftsjahr 2013. Parallel dazu reichte die Coordination gegen BAYER-Gefahren einen Gegenantrag zur Hauptversammlung des Konzerns ein. Darin fordern die Kritiker, dass sich das Unternehmen an den Sanierungskosten PCB-kontaminierter Gebäude beteiligt und einen Fonds für gesundheitlich Geschädigte auflegt.

Wie der aktuelle BAYER-Chef Marijn Dekkers mit der Konzerngeschichte umgeht
NRhZ-Archiv
 
BAYER hat die giftige Substanzklasse mehr als ein halbes Jahrhundert lang produziert. Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) erklärt dazu: „Die Hersteller, vor allem die Firmen MONSANTO und BAYER, haben die Gefahren von Polychlorierten Biphenylen jahrzehntelang vertuscht. Damit tragen sie Mitverantwortung für Tausende von Vergiftungsfällen. Es wird höchste Zeit, dass die Produzenten einen Teil der ungeheuren Sanierungs- und Behandlungskosten übernehmen.“ Vertreter der CBG werden die Forderungen auch in der BAYER-Hauptversammlung am 29. April in Köln vorbringen. Ihre Begründung:
 
Weltweit wurden von 1930 bis 1990 rund 1,3 Millionen Tonnen PCB produziert. Die Chemikalien kamen u. a. in Elektrogeräten, Fugendichtungen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz. Mit 160.000 Tonnen, rund 12 Prozent der Gesamtproduktion, war BAYER der zweitgrößte Hersteller. Als die USA im Jahr 1977 die Herstellung von PCB verboten, sprang die BAYER AG in die Bresche und steigerte ihre jährliche Produktion von 6.000 auf 7.500 Tonnen. Erst 1983 stellte BAYER als letzte westliche Firma die Herstellung ein. 
 
Polychlorierte Biphenyle können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. Die Weltgesundheitsorganisation hat PCB in die Liste krebserzeugender Stoffe der Kategorie 1 eingestuft. 
 
Weltweit existieren über drei Millionen Tonnen PCB-kontaminiertes Öl und PCB-belastete Geräte. Die Kosten für Verpackung, Transport und Zerstörung betragen pro Tonne zwischen 2.000 und 5.000 Dollar, was Ausgaben von bis zu 15 Milliarden Dollar bedeutet. Noch höhere Kosten verursacht die Sanierung vergifteter Gebäude. So wurden in Deutschland allein in Fugendichtungen rund 20.000 Tonnen PCB verbaut. Mehr als die Hälfte davon befindet sich bis heute in der Bausubstanz. 
 
Wegen der bisherigen Weigerung des Konzerns, sich an den Entsorgungskosten zu beteiligen, fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren eine nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat in der Hauptversammlung des Konzerns.

Hier der CBG-Gegenantrag im Wortlaut:
 
Weltweit wurden rund 1,3 Millionen Tonnen Polychlorierte Biphenyle (PCB) produziert. Nach Monsanto war BAYER der zweitgrößte Hersteller weltweit. Die Giftstoffe kamen in Elektrogeräten, Fugendichtungen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz, Tausende Gebäude wurden dadurch kontaminiert. Die Entsorgung kostet Milliarden. Die Hersteller haben die Gefahren von PCB jahrzehntelang vertuscht und wälzen die Sanierungskosten nun auf die Allgemeinheit ab.
 
Polychlorierte Biphenyle gehören zu den giftigsten Erfindungen der Chlorchemie. Sie können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, die Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. Die Weltgesundheitsorganisation hat PCB in die Liste krebserzeugender Stoffe der Kategorie 1 eingestuft.
 
PCB sind extrem langlebig und weisen eine hohe Mobilität auf. Sie finden sich nahezu überall in der Natur - in der Tiefsee ebenso wie in der Arktis. PCB besitzen eine hohe Fettlöslichkeit und reichern sich in der Nahrungskette an. Traurige Berühmtheit erlangten kanadische Inuit, bei denen PCB-Konzentrationen gemessen werden wie bei Opfern großer Chemie-Unglücke.
 
BAYER nahm die PCB-Fertigung 1930 auf und verkaufte die Substanzen unter den Handelsnamen Clophen und Elanol. Mit 160.000 Tonnen, rund 12 Prozent der Gesamtproduktion, war BAYER der zweitgrößte Hersteller.
 
Das weltweit erste Verbot „offener“ Anwendungen, zum Beispiel in Dichtungsmassen, Farben und Kunststoffen, wurde bereits 1972 in Schweden verhängt. Deutschland folgte 1978. Der Einsatz in vorgeblich „geschlossenen“ Systemen wie Hydraulik-Ölen und Transformatoren blieb jedoch auf Druck der Industrie gestattet. Schlimmer noch: Als die USA, bis dahin größter Anbieter, 1977 die Herstellung und Verwendung von PCB vollständig verboten, sprang die BAYER AG in die Bresche und steigerte ihre jährliche Produktion von 6.000 auf 7.500 Tonnen. Erst 1983 stellte BAYER als letzte westliche Firma die Herstellung ein.
 
PCB werden besonders im Fettgewebe und in der Muttermilch nachgewiesen. Bei gestillten Säuglingen kann die Aufnahme um den Faktor 50 bis 100 über der von Erwachsenen liegen. Toxikologen fanden Hinweise darauf, dass die Belastung im Mutterleib zu schweren neurologische Schäden führen kann. Umwelt-Mediziner bezeichnen jedes 20. Kind als hoch belastet. Zwar ging die PCB-Konzentration in der Muttermilch in den vergangenen 20 Jahren um etwa 75 Prozent zurück, dennoch wird es mehr als 100 Jahre dauern, bis die PCB-Aufnahme durch die Muttermilch unter der von der Weltgesundheitsorganisation maximal tolerierten Tagesdosis liegt.
 
Weltweit existieren über drei Millionen Tonnen PCB-kontaminiertes Öl und PCB-belastete Geräte. Die Kosten für Verpackung, Transport und Zerstörung betragen pro Tonne zwischen 2.000 und 5.000 Dollar, was Ausgaben von bis zu 15 Milliarden Dollar bedeutet. Noch höhere Kosten verursacht die Sanierung vergifteter Gebäude. So wurden in Deutschland allein in Fugendichtungen rund 20.000 Tonnen PCB verbaut. Mehr als die Hälfte davon befindet sich bis heute in der Bausubstanz.
 
Tausende von Schulen und Universitäten sind mit PCB verseucht. Die Ausgasungen führen zu einer permanenten Belastung der Luft und haben zu unzähligen schweren Gesundheitsschäden geführt. In einigen Fällen waren Lehrer und Schüler einer Giftkonzentration ausgesetzt, bei der Fabrikarbeiter Schutzanzüge und Atemschutz hätten tragen müssen.
 
Die Uni Bochum musste im Oktober beschließen, mehrere PCB-belastete Gebäude abzureißen und neu zu errichten; die Kosten allein in diesem Fall liegen im dreistelligen Millionenbereich. Die Sanierung des Kölner UniCenters kostet rund 30 Mio. Ähnliche Probleme gibt es an den Universitäten Erlangen, Bielefeld und Düsseldorf sowie in vielen Behörden. Alle Kosten werden bislang von öffentlichen Haushalten getragen.
 
Auch die Kosten der Kontamination von Lebensmitteln werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Allein der durch den Eintrag von 25 Litern PCB in Futterfett verursachte Lebensmittelskandal in Belgien verursachte eine Milliarde Euro an direkten und drei Milliarden Euro an indirekten Kosten. Die irische Schweinefleischkrise geht ebenfalls auf den Einsatz von PCB-kontaminierten Ölen bei der Futtermittel-Trocknung zurück und kostete die staatlichen Stellen etwa 100 Millionen Euro.
 
Die Industrie hat Informationen, dass PCB beim Menschen und der Umwelt zu Schäden führen können, jahrzehntelang unter Verschluss gehalten und ignoriert. Damit trägt sie Mitverantwortung für Tausende von Vergiftungsfällen.
 
Es wird höchste Zeit, dass die ungeheuren Sanierungs- und Behandlungskosten von den ehemaligen Produzenten mitgetragen werden! Es ist nicht hinnehmbar, dass die PCB-Hersteller ein halbes Jahrhundert lang Gewinne einfuhren und sich heute nicht an den Folgekosten beteiligen.
 
Der BAYER-Vorstand ist dafür verantwortlich, dass der Konzern keine Verantwortung für sein toxisches PCB-Erbe übernimmt. Daher ist ihm die Entlastung zu verweigern. (PK)
 
Weitere Informationen zur PCB-Kampagne finden Sie unter www.cbgnetwork.org/5402.html


Online-Flyer Nr. 448  vom 05.03.2014



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