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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Globales
Seit Tagen Gewalt in Venezuela. Vereinte Nationen fordern Untersuchung
Präsident Maduro ruft zu friedlicher Debatte auf
Von Philipp Zimmermann und Eva Haule

Venezuela hat in der Nacht zum Samstag eine erneute Welle von Demonstrationen und Gewaltausbrüchen erlebt. Eine von Studierenden errichtete Straßenbarrikade auf der zentralen Stadtautobahn von Caracas wurde am Freitagnachmittag von der Nationalgarde unter Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas entfernt. Präsident Nicolás Maduro hatte zuvor angekündigt, keine Straßenblockaden mehr dulden zu wollen. "Wir werden nicht mehr zulassen, dass ein paar Verrückte den Leuten das Leben schwer machen und die Autobahn blockieren", sagte Maduro.
 
Vertreter der Studierenden, die seit Tagen gegen die Regierung von Maduro protestieren, gelangten in einem Demonstra-tionszug zum Sitz der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), wo sie eine Petition übergaben. In dem Dokument werden die staat-lichen Sicherheitsorgane be- schuldigt, "brutale Repression" gegen Demonstrierende auszuüben. Die venezolanische Regierung setze zudem "im Stil von autoritären und kriminellen Regimen" nicht-staatliche "Terrorkollektive" und "paramilitärische Schwadronen" ein, um Protestierende einzuschüchtern und zu verfolgen. Gefordert wurden die sofortige Freilassung aller im Zusammenhang mit den jüngsten Gewaltakten inhaftierten Personen und die Einstellung ihrer Gerichtsverfahren.
 
Am Abend kam es in den Stadtteilen Altamira und Chacao erneut zu Ausschreitungen, bei denen vonseiten der Protestierenden Steine und Feuerwerkskörper geworfen wurden. Einsatzkräfte der Bolivarischen Nationalpolizei (PNB) und der Nationalgarde trieben die Demonstrierenden mit Tränengas auseinander. Während mehrerer Stunden errichteten Vermummte immer wieder Barrikaden aus brennendem Abfall. Laut dem oppositionellen Bürgermeister von Chacao, Ramón Muchacho, wurde unter anderem auch ein Krankenwagen der Stadtverwaltung angegriffen. Infolge von Vandalismusschäden blieben heute drei Stationen der Metro in den betreffenden Vierteln geschlossen.
 
Auch in den Bundesstaaten Carabobo und Táchira kam es in der Nacht zu Vandalismus und Angriffen auf Regierungsgebäude. In Carabobo wurden nach Angaben des Gouverneurs Francisco Ameliach 11 Personen festgehalten, die mehrere Fahrzeuge angezündet hatten. Im westlichen Grenzstaat Táchira, wo die Übergriffe bereits seit über einer Woche andauern, griffen Gruppen von Gewalttätern eine Stromverteilerstation und eine Einrichtung des Gesundheitsministeriums an. Darüber hinaus wurden die Zufahrten zum Militärkrankenhaus von San Cristóbal und zum Flughafen von San Antonio del Táchira blockiert.
 
Unterdessen drückte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte am Freitag seine Besorgnis über die Eskalation der Gewalt in Venezuela aus und verlangte eine "unverzügliche, umfassende und unabhängige" Untersuchung der Vorkommnisse. "Wir haben beunruhigende Informationen über die Einschüchterung von Journalisten erhalten, in einigen Fällen wurde ihre Ausrüstung konfisziert", sagte Rupert Colville, Sprecher des Hochkommissariats. Venezuelas Vertreter bei den Vereinten Nationen in Genf, Jorge Valero, wies die Vorwürfe zurück. Es lägen genügend Beweise vor, dass die Unruhen von "faschistischen Gruppen" mit dem Ziel hervorgerufen wurden, "Chaos und Aufruhr in der Bevölkerung zu stiften", so der Botschafter.
 
Präsident Maduro auf einer Großkundgebung
 
Zehntausende Menschen haben sich am Samstag auf der zentralen Avenida Bolívar in Caracas an der Kundgebung "Für den Frieden und das Leben" beteiligt, zu der Venezuelas Präsident Nicolás Maduro aufgerufen hatte. In seiner Ansprache appellierte Maduro an die Bevölkerung des südamerikanischen Landes, "auf den Straßen für ihre Ideen und ihre Werte zu kämpfen, in einer Debatte mit Respekt gegenüber den Rechten des Volkes, ohne Gewalt". Er akzeptiere auch keine gewalttätigen Gruppen in den Reihen des Chavismus, betonte der Präsident. Wer ohne staatliche Erlaubnis eine Waffe trage, werde strafrechtlich verfolgt.
 
An die Opposition gerichtet warnte Maduro, es wäre "der Anfang vom Ende dieser Oligarchie", würde sie mit Gewalt die politische Macht an sich reißen. Die bolivarische Revolution nähme dann einen radikalen Weg und das Volk würde gemeinsam mit den Streitkräften "die Demokratie und das Vaterland retten."
 
Am Samstagabend kam es erneut zu schweren Ausschreitungen oppositioneller Gruppen, vor allem in Chacao, einem wohlhabenden Stadtteil im Osten von Caracas. Der rechtsgerichtete Bürgermeister des Stadtbezirks, Ramón Muchacho von der Partei Primero Justicia, beklagte "den Mangel an Führung der Opposition, um die Welle der Gewalt und den Vandalismus zu stoppen". Via Twitter verurteilte er die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen in Chacao. Betroffen waren unter anderem der Sitz der staatlichen Bank von Venezuela, ein Verwaltungsgebäude und das Ministerium für Transport, das mit Brandbomben attackiert wurde.
 
Muchacho erklärte weiter, dass angebliche Studentenführer sich zuvor mit der örtlichen Polizei abgesprochen und zugesagt hätten, sie würden die Stadtautobahn nicht blockieren. Eine Gruppe habe dies dennoch getan. Später seien immer mehr Demonstranten dazugestoßen. Die Nationalgarde habe versucht, sie an der Besetzung der Straße zu hindern. Es sei zu Zusammenstößen gekommen, bei denen Demonstranten die Gardisten mit Gegenständen bewarfen und diese Tränengas eingesetzt hätten.
 
Nach den gewalttätigen Aktionen seit Freitag gegen Fahrzeuge und Angestellte des öffentlichen Nahverkehrs hat die Regierung indes drei Metrostationen in dem Bezirk geschlossen und den Busverkehr eingestellt. Insgesamt seien 36 Arbeiter der Metro Caracas verletzt worden, sagte der der zuständige Minister Haiman El Troudi. 200 Fahrgäste mussten medizinisch betreut werden.
 
Nach Angaben der Oppositionsführerin Delsa Solórzano wurden 112 der bei Ausschreitungen am Mittwoch festgenommen Personen inzwischen wieder freigelassen, 47 seien noch in Haft.
 
Lateinamerikanische Staaten verurteilen Gewalt der Opposition
 
Mehrere lateinamerikanische Regierungen haben zu den Ereignissen der vergangenen Tage in Venezuela Stellung genommen. So erklärte Boliviens Außenminister David Choquehuanca die Unterstützung der Regierung von Evo Morales für die Demokratie in Venezuela und Präsident Nicolás Maduro. "Wir wollen unsere totale Ablehnung jedweder Destabilisierungsversuche und putschistischer Abenteuer in Venezuela ausdrücken." Die gewalttätigen Demonstrationen der Opposition in Caracas stellten einen "Angriff auf die Demokratien in der Region" dar, so Choquehuanca.
 
Kubas Regierung "verurteilt energisch die Versuche eines Staatsstreichs gegen die verfassungsmäßige Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela", hieß es in einer Mitteilung des Außenminis-teriums des Inselstaates. Kuba unterstütze die Anstrengungen der bolivarischen Regierung, "den Frieden zu sichern, alle Sektoren des Landes einzubeziehen und die sozio-ökonomische Entwicklung dieser Nation voranzutreiben".
 
Auch Ecuadors Regierung machte in einem Kommuniqué ihre Ablehnung der Gewaltausbrüche in Venezuela deutlich. "Die Regierung Ecuadors verurteilt die Gewalttaten und den Vandalismus, den unverantwortliche Teile der Opposition in Venezuela hervorgerufen haben", hieß es in der offiziellen Stellungnahme. Der Andenstaat sprach sich für die Respektierung der verfassungsmäßigen Ordnung aus und sicherte Präsident Maduro die "volle Unterstützung" zu. Juan Meriguete, ein Berater des ecuadorianischen Außenministers, verwies auf das Abkommen über den Schutz und die Verteidigung der Demokratie, das die südamerikanischen Staaten im Rahmen der UNASUR unterzeichnet haben. "Wir werden keinen erneuten Staatsstreich zulassen, weder in Venezuela noch irgendwo in Lateinamerika", sagte Meriguete.
 
Aus Nicaragua ließ die Regierung Daniel Ortegas verlauten, sie weise "die Politik des Hasses der Rechten" zurück. Sie sprach den Angehörigen der Opfer ihre Anteilnahme aus und bekräftigte "die Solidarität mit dem venezolanischen Volk und seinem Präsidenten".
 
Die Regierung Argentiniens ließ über ihr Außenministerium ihr Bedauern über die Ereignisse in Caracas mitteilen. "Es ist daran zu erinnern, dass das venezolanische Volk vor weniger als einem Jahr auf friedliche und demokratische Weise Nicolás Maduro zum Präsidenten gewählt hat", erklärte das Ministerium. Das Erbe der Repression und der Menschenrechtsverletzungen, das die Militärdiktaturen in Lateinamerika hinterlassen hätten, müsse überwunden werden, daher sei die aktive Solidarität zwischen den demokratischen Staaten die vorrangige Aufgabe in dieser Region. Die Demokratie müsse gegen "autoritäre Gruppen" verteidigt werden, die durch den Umsturz demokratisch gewählter Regierungen ihre partikulären Interessen durchzusetzen versuchten.
 
Nach Demonstrationen oppositioneller Studenten war es bereits am Mittwoch in mehreren Städten Venezuelas zu schweren Ausschreitungen und zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Drei Menschen kamen ums Leben, mindestens 60 wurden verletzt und mehr als 70 festgenommen. (PK)
 
Philipp Zimmermann und Eva Haule haben diese drei von uns aneinander gehängten Berichte für das Internetportal amerika21 geschrieben.
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Online-Flyer Nr. 446  vom 19.02.2014

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