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Kultur und Wissen
Vortrag zum 35jährigen Bestehen des Bundesverbands Arbeiterfotografie
Enteignung von 99 Prozent der Menschheit – Teil 2
Von Klaus Hartmann

Unter dem Motto „Wacht auf, Verdammte dieser Erde!“ fand anlässlich des 35jährigen Bestehens des Bundesverbands Arbeiterfotografie am 21. September 2013 in Werder an der Havel eine Vortrags- und Kultur-Veranstaltung statt. Zu den Vortragenden gehörte Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbands und Vizepräsident der Weltunion der Freidenker. Wir geben seinen Vortrag „Enteignung von 99 Prozent der Menschheit – und die Methoden ihrer Absicherung“ hier wieder – nachfolgend Teil 2.


Klaus Hartmann bei seinem Vortrag in Werder am 21.9.2013
Foto: arbeiterfotografie.com

Die Gehirnwäscher von der publizistischen Front bedienen sich der Sprachverwirrung, indem überfallene Staaten „Einsatzländer“, Krieg „Stabilisierungseinsatz“ und Bombenterror „Luftschläge“ genannt werden. Entsprechend deklarieren die Kirchen ihre „Militärseelsorge“ jetzt als „Einsatzbegleitung“‘.

Medien wie Huren zu Diensten bei der Feind-Dämonisierung

Mumia Abu-Jamal schrieb in der ‚junge Welt’ vom 21.09.2013: „Ich habe genau verfolgt, wie man sich in den USA rhetorisch zu einem Krieg gegen Syrien aufgeputscht hat. Dabei fragte ich mich, ob diese Nation oder ihre politische Führung aus dem lähmenden Debakel des Irak-Krieges irgendetwas gelernt hat. Das scheint jedoch bedauerlicherweise nicht der Fall zu sein. Die Politiker lieben nichts mehr, als wenn alle Mikrofone auf sie gerichtet sind. Und die Medien verhalten sich wie Huren, sind ihnen bereitwillig zu Diensten und feuern sie an bei ihrem Treiben. Das war so, als wenn man noch einmal denselben Film gezeigt bekäme, nur daß der Schnitt ein wenig verändert war und die handelnden Personen andere Namen trugen. Statt Saddam Hussein heißt der »Wahnsinnige«, das »Monster«, der »Unmensch« oder »Kriegsverbrecher« in der Neufassung nun Baschar Al-Assad. Aber es ist immer das gleiche alte Spiel: Erst werden sie dämonisiert, und dann bringt man sie um.“

Die Mechanismen der Manipulation kann man wieder an der aktuellen Kriegstreiberei gegen Syrien besichtigen. Sie folgen den bekannten Mustern. Bevor wir sie abschließend kurz beleuchten, möchte ich klarstellen: Auch Krieg wird von den imperialistischen Mächten nicht aus Mutwillen oder Lust am Untergang gemacht.

Auch hier wirken die ökonomischen Triebkräfte. Gerade wurde berichtet, dass die Staatsverschuldung der USA neue Rekordhöhen erreicht hat. Die USA gelten nur noch als zuverlässiger Schuldner, weil sie jederzeit glaubwürdig mit Krieg drohen können. Damit kann, durch Raub oder Vernichtung von Werten, das  Rückzahlversprechen gehalten werden. Glaubwürdig mit Krieg drohen – das ist auch das Geheimnis der Aufregung der letzten Tage, ob Obama nach der einstweiligen Absage der offenen Syrien-Aggression noch glaubwürdig ist.

Die Politik des Imperialismus setzt systematisch auf die Militarisierung und Faschisierung der internationalen Beziehungen und die fortschreitende Zerstörung des Völkerrechts.

Prinzip Gleiwitz: 1999 gegen Jugoslawien, heute gegen Syrien

Kurze Rückblende: Zwei Tage nach dem vermeintlichen Massaker von Racak Anfang 1999 schrieb ich: „Das Massaker von Racak ähnelt dem Überfall auf den Sender Gleiwitz.“ Während der NATO-Aggression gegen Jugoslawien schrieben wir: Dies wird ein Türöffnerkrieg für weitere Kriege des Imperialismus sein. Damals wurde dies belächelt, für absurd oder – natürlich – für eine „Verschwörungstheorie“ gehalten.

Heute lesen wir dazu folgende aktuelle Meldungen:

DIE WELT vom 26.08.2013 gab ihrem Beitrag „Intervention“ die Zweitüberschrift: „Kosovo-Krieg soll Blaupause für Syrien-Schlag sein“.

Manipulation geschieht schon durch die Wortwahl. Die FAZ vom 30.08.2013: „Hollande bereit zum Militärschlag gegen Assad“. Was heißt eigentlich „bereit“ zum Militärschlag? Da müssen wir ja offenbar richtig aufatmen: Die sind bereit. Endlich sind sie bereit! Wer hat sie denn so lange gebeten? Wer hat denn um den Militärschlag gebettelt? Bereit sind sie – endlich werden unsere Wünsche wahr – das ist ja wie an Weihnachten.

„Merkel kritisiert Russland und China“, weil deren Blockadepolitik Krieg verhindert – weiß DIE ZEIT am 31.08.2013. Und weiter: Dass die Bundesregierung bislang eine politische Lösung des Konflikts forderte, kritisierte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: die Bundesregierung solle loyal zu ihren Bündnispartnern sein, sagte Dieter Graumann. Der „fatale Fehler“ in der Libyen-Krise vor zwei Jahren, als Deutschland den Verbündeten „in den Rücken gefallen“ sei, dürfe sich nicht wiederholen. Das kann man aus dem Faschismus auch lernen: Statt „nie wieder“ jetzt „immer wieder“ Krieg?

„Die USA sind überzeugt", sagte Kerry: Das „Regime“ von Baschar al-Assad habe systematisch versucht, den Einsatz der Chemikalien zu vertuschen. Man habe die UNO-Inspektoren fünf Tage lang daran gehindert, die Orte zu besuchen. Leider spricht er die totale Unwahrheit, denn:

„Tatsächlich haben die UN – gemäß eines Wortwechsels bei einer UN-Pressekonferenz heute – eine förmliche Anfrage nicht vor Samstag an die syrische Regierung gerichtet. Und die syrische Regierung antwortete am darauf folgenden Tag positiv.“ (1)

Die fünf Tage hat der Herr Kerry also erfunden. Erst am Samstag hat die UN nachgefragt, nicht am Dienstag, wie Kerry sich eingebildet hat. Und Syrien hat bereits am nächsten Tag, am Sonntag, positiv geantwortet.

Nun hat Außenminister John Kerry in Washington einen Geheimdienstbericht vorgelegt. Er enthalte „klare und schlüssige“ Beweise, dass die syrische Regierung am 21. August chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Die US-Geheimdienste hätten alle Fakten ausführlich überprüft und seien sich sicher, was exakt passiert sei. In dem Geheimdienstbericht heißt es, man sei der „festen Überzeugung“, dass die syrische Regierung die Attacke ausgeführt habe.

Die Fakten selbst nannte Kerry nicht. Vielleicht hat die CIA sie ihm auch vorenthalten? Sagte er deshalb „Die Frage ist nicht mehr, was wir wissen“, weil er selbst nichts Genaues weiß?

Was man aber wissen könnte: AP-Journalistin Dale Gavlak führte Interviews mit Ärzten, Ghouta-Bewohnern, Rebellen und ihren Familien. Danach haben die Terroristen die Chemiewaffen über den Saudi-Geheimdienstchef, Prinz Bandar bin Sultan, erhalten, und:

„Mehr als ein Dutzend interviewte Rebellen berichteten, dass sie ihren Sold von der saudischen Regierung erhalten haben“, schreibt Gavlak.

Mit alten Leichen neue Leichen begründen

Zur Begründung der nächsten Leichen, die sie produzieren wollen, verwenden die USA Bilder von ihren alten Leichen, die sie im Irak auf ihr Schuldkonto geladen haben.


Foto von Marco di Lauro – Kinderleichen, aufgenommen am 27.3.2003 im Irak – in einem BBC-Artikel vom 27.5.2012 ausgegeben als „Foto eines Aktivisten“ aus Syrien, von dem „angenommen wird, dass es Kinderleichen in Houla zeigt, die auf ihr Begräbnis warten“.

Der Fotograf Marco di Lauro sagte, er sei fast vom Stuhl gefallen, als er sah, dass sein Bild verwendet wurde, um für einen Krieg in Syrien zu werben.

Am 12.09.2013 ereifert sich Clemens Wergin in DIE WELT: „Putin will die amerikanische Debatte manipulieren“ – mit seinem Beitrag in der „New York Times“. Perfide versuche er dabei, das Irakkrieg-Trauma zu aktivieren, schreibt der Hetzer aus Springers Welt. Und nach jedem zitierten Absatz von Putins Beitrag schreibt er einen kriegshetzerischen Absatz zur „Richtigstellung“ – was die Schafe ebenso glauben sollen.

Das Weltbild ihrer Untertanen nach ihren Interessen formen

Die Systemkrise der kapitalistischen Weltordnung geht einher mit einer drastisch verschärften ideologisch-weltanschaulichen Auseinandersetzung. Der imperialistischen Herrschaftsstrategie liegen reaktionäre weltanschaulich-ideologische Positionen zugrunde.

Die milliardenschwere Bewusstseinsindustrie verstellt mit Desinformation und Propaganda vielen Menschen den Blick auf die Ursachen dieses Niedergangs, fördert Pessimismus, Fatalismus und Apathie.

Die staatstragenden Medienkonzerne setzen auf Ablenkung und Zerstreuung, Banalisierung und Trivialisierung, auf die Überfütterung mit Infohäppchen und die Inszenierung von Kampagnen zur Ablenkung vom Wesentlichen, die Verschleierung von Zusammenhängen und der mörderischen Natur des Imperialismus, zur Apologie der bestehenden Gesellschaftsordnung.

„Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten“ lautet ein Buchtitel, der im Herbert-von-Halem-Verlag in Köln erschienen ist (2), in dem untersucht wird, wie der für Außenpolitik verantwortliche Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ), Klaus-Dieter Frankenberger, wie der Mitherausgeber des Wochenblattes "Die Zeit", Josef Joffe, wie der Ressortleiter Außenpolitik der "Süddeutschen Zeitung", Stefan Kornelius, wie der Chefkorrespondent der "Welt", Michael Stürmer, in einem Netzwerk verbunden sind: „im transatlantischen Elitenmilieu" mit engen Verbindungen zur „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP), einem Think-Tank politischer und militärischer Führungszirkel, wie Kornelius und Frankenberger darüber hinaus dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) angehören.

Damit sind wir bei der Aufzählung der ganzen Reihe von Organisationen wie der Bertelsmann Stiftung, der Atlantik-Brücke, der Münchner Sicherheits-Konferenz, der Trilateralen Kommission, dem Weltwirtschaftsforum Davos, der Bilderberger-Konferenz und Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, die vom Milliardär George Soros gegründet und bezahlt werden, und allen sonstigen Organisationen der Bewusstseinsindustrie, Instituten und Stiftungen der Überzeugungsindustrie, „unabhängigen“ Wissenschaftlern und geheimdienstlich geführten „Nichtregierungsorganisationen“. All dies soll dazu führen, dass das Weltbild ihrer Untertanen nach ihren Interessen geformt wird.

Geschichte verfälschen, Feindbilder kreieren, Sozialismus delegitimieren

Längst wird kein Hehl daraus gemacht, dass die USA „neben seinen Streitkräften noch ein zweites Instrument zur Entmachtung von Diktatoren“ besitzen – so Konrad Schuller in der FAZ vom 21. September 2005. „Dieses ist quer durch die Parteien verankert, nährt sich von Steuermitteln und arbeitet mit privaten Stiftungen, internationalen Organisationen und ausländischen Regierungen zusammen.“ Bei der Einflussnahme der herrschenden Kreise der USA auf die politischen Prozesse in Osteuropa gehe es um mehr „als nur um eine strikt unparteiliche, rein legalistische „Stärkung der Demokratie“. Einige Organisationen verbreiten offen Konzepte für den Sturz von Regierungen und bringen „Oppositionelle“ aller Kontinente zusammen.

Laut Time Magazin haben die USA über 40 Millionen Dollar “an unabhängige Medien, Gewerkschaften und zivile Gruppen ausgegeben – über die US-Agentur für Internationale Entwicklung und andere. Dies ist nach Regierungseinschätzung der Schlüssel zum Sturz Milosevics gewesen”.

Über die NGO’s National Democratic Institute, International Republican Institute und National Endowment for Democracy wurden DOS und OTPOR von der US-Regierung finanziert.

Um den Kapitalismus als alternativlos und unantastbar erscheinen zu lassen, werden die Geschichte verfälscht, Feindbilder kreiert, der Sozialismus delegitimiert, Befreiungsbewegungen kriminalisiert, Faschismus rehabilitiert.

EU-weit wird eine krankhafte antikommunistische Hysterie geschürt, die immer wieder in mediale Hetze und Hexenjagden gegen linke, fortschrittliche Positionen, Projekte und Persönlichkeiten mündet.

Statt Nazi-Organisationen zu verbieten, werden diese geheimdienstlich verstärkt und gesteuert, und wenn „Rechte“ „linke Themen“ aufgreifen, ist dies willkommener Anlass, „Querfront!“ zu schreien, alle Kritik und Aufklärungsbemühungen zu diskreditieren. Kritik an den Kriegen der USA und Israels, ja gar am Kapitalismus, wird als „antisemitisch“ denunziert. Wer die von den Leitmedien dekretierten Deutungen der Wirklichkeit anzweifelt, wird als „Verschwörungstheoretiker“ aus der „erlaubten“ Meinungsbildung ausgeschlossen.

Gegen Gehirnwäsche und Volksverdummung

Wir müssen den Verdummungsstrategen konkrete Aufklärung entgegensetzen, aber wir müssen auch Mut zum selbstständigen Denken machen, nicht das von den Konzernmedien Vorgefertigte wiederzukäuen und sich für dumm verkaufen zu lassen, sich nicht dem ‚Mainstream‘ anzupassen und mit den Wölfen zu heulen. Wir wollen Mut machen, dem Druck zur Anpassung zu widerstehen, selbst Fragen zu stellen, kritisch zu prüfen und Widerspruch anzumelden.

Wir verteidigen unsere Geschichte und unsere von Kapital- und Herrschaftsinteressen unabhängigen weltanschaulichen Positionen.

Bei dieser Aufgabenstellung haben wir den Bundesverband Arbeiterfotografie immer als zuverlässigen Partner kennengelernt. Wir wissen selbst, wie schwierig es ist, dem „Druck zur Anpassung“ auch in einer Organisation zu widerstehen. Auch wir kennen die „wohlgemeinten“ Ratschläge, doch „nicht immer und überall anzuecken“.

Dabei herrscht doch landauf, landab an system- und staatsnahen Organisationen überhaupt kein Mangel. Wer den Konflikten aus dem Weg gehen will, hat doch kein Problem, sondern eine große Auswahl an sonstigen Betätigungsfeldern. Dann muss man ja nicht ausgerechnet die ganz, ganz wenigen Organisationen, die sich der Klarheit verschrieben haben, auch noch liquidieren. In diesem Sinne bleiben wir unserer Maxime „gegen Gehirnwäsche und Volksverdummung“ treu. (PK)


Fussnoten:

(1) „In fact, according to an exchange at a news conference at the UN today, the UN did not make a formal request of the Syrian government until Saturday and the Syria government responded positively the next day.“ in “Lies and Fabrications to Justify War: UN Admits It Didn’t Ask for Access in Syria Until Saturday”, http://www.globalresearch.ca/lies-and-fabricaitons-to-jutify-war-un-admits-it-didnt-ask-for-access-in-syria-until-saturday/5347168

(2) Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten - eine kritische Netzwerkanalyse
Reihe des Instituts für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung 9
Köln (Herbert von Halem Verlag) 2013
378 Seiten
29,50 Euro
ISBN 978-3-86962-070-1


Hinweise:

Vortrag "Enteignung von 99 Prozent der Menschheit"
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19848
Teil 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19867

Vortrag "Fotografie als Waffe" von Anneliese Fikentscher
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19673
Teil 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19697
Teil 3: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19722
Teil 4: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19747
Teil 5: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19792
Teil 6: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19818

Vortrag "Die Medienkrieger" von Jürgen Rose
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19618
Teil 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19623

NRhZ zur Ausstellung "Wacht auf, Verdammte dieser Erde"
Fotogalerie 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19347
Fotogalerie 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19375

Dokumentation der Aktivitäten zum 35jährigen Bestehen des Bundesverbands Arbeiterfotografie: http://www.arbeiterfotografie.com/35jahre

Online-Flyer Nr. 439  vom 01.01.2014



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