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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Kölner attac-Aktion gegen den Transatlantik-Pakt TTIP
Das Kapital will uferlose Freiheit
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Zwei Marionetten des vom US-Imperium gestützten Kapitals liefen in Köln frei herum. Sie bekamen zu hören: „O Bama und O Muttilein, Nun öffnet Aug' und Ohren, TTIP, das 'Frei'-Handelsdiktat, Stärkt weder Bürger noch den Staat, Konzernriesen die freuen sich, Sie ruinieren dich und mich.“ Diese Worte, gesungen nach einer Heintje-Melodie, drangen in die Ohren der Marionetten, die auf die Namen Obama und Merkel hören, und in die der Passanten. „Lust auf in Chlor gebadete Weihnachtsgänse? Lust auf gentechnisch verändertes Gemüse als Beilage? Lust auf Streichung des Weihnachtsgeldes und die Kürzung des Jahresurlaubes? Falls ja, dann können Sie sich auf das TTIP freuen, das transatlantische Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und der USA.“ So hieß es in einem mehrfach zusammengefalteten Informationsblatt, das mit Weihnachtsmann-Mützen verkleidete attac-AktivistInnen zusammen mit einem „nicht genmanipulierten“ Maiskorn in einem Geschenkbeutel an Passanten verteilten, um über die Konsequenzen des so genannten Freihandels aufzuklären.


Schildergasse in Köln: Marionetten des Kapitals hatten Freigang
alle Bilder: arbeiterfotografie.com


„Alle Jahre wieder; Hört man nun dieses Wort; Freihandel kommt nieder und: Rettet die Welt sofort“


TTIP-Präsente für die Passanten…


Einkaufsstraße Schildergasse in Köln


„Wir brauchen nicht den Abbau, sondern die Bewahrung bzw. den Ausbau von Verbraucherschutz, Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und demokratischen Grundrechten!“


TTIP-Präsente für die Passanten: Informationsblatt in Sachen TTIP und ein „nicht genmanipuliertes“ Maiskorn


TTIP-Präsente für die Passanten…


„Sekretärin für Agitation und Propaganda“ – seinerzeit in der DDR, jetzt für den „Westen“


TTIP-Präsente für die Passanten…


„Kling Kasse klingelingeling; Kling Kasse kling; Hört Ihr Spekulanten; Der Hedgefonds und der Banken; Skrupellose Zecher; Handelt wie Verbrecher“


„Obama richtet Blutbad an – Viele Tote und Verletzte bei US-Drohnenangriff auf Hochzeitsgesellschaft im Jemen“ (Überschrift eines junge-Welt-Artikels vom Tage).


„Darum lasst euch sagen; Freihandel ist nicht fair; Es geht uns an den Kragen; Sozial ist bald nichts mehr.“


TTIP-Präsente für die Passanten…


„Mutti, Hörst Du denn nicht Europa weinen? Mutti. In jedem Alptraum tust Du uns erscheinen; Du kennst kein Erbarmen; Jedenfalls nicht mit den Armen; Du schickst die Menschen in finstere Nacht; Dich int'ressiert nur die Macht“


TTIP-Präsente für die Passanten…


„Du hast oh Mutti kein Herz; Du kuschst brav vor den Reichen; Und dem Finanzkapital; Für die gehst Du über Leichen; Eiskalt neoliberal; Mutti, Du spielst hier ein ganz fieses Stück; Wir woll'n unser Leben zurück...“


„Stopp TTIP“


TTIP-Präsente für die Passanten…


TTIP-Präsente für die Passanten…


Angelehnt an den Wirtschaftsexperten Werner Rügemer lässt sich sagen: Jede mit verursachte „Krise“ ist für das große Kapital keine Krise, sondern die Möglichkeit zu neuen Enteignungen von Staaten, Unternehmen und Sozialsystemen. Das gilt nicht nur für die so genannten „Krisen“. Auch für die Legalisierung krimineller Praktiken, wie sie mit dem Transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) geplant ist, gilt dies. Es geht um die Perfektionierung des Systems zur Enteignung des weit überwiegenden Teils der Menschen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Menschenrechtsverachtung als Maßstab?

„Am geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union entzündete sich bisher manche Kritik: Kultur dürfe keine Ware werden, Nahrungsmittel müssten vor Gen-Durchseuchung geschützt werden. Aber wie sieht es eigentlich mit den Arbeitsbedingungen aus, die ebenfalls auf der Agenda stehen?“, fragt Werner Rügemer und führt aus: „Wir müssen uns verdeutlichen, was es bedeutet, die USA im Bereich der Arbeitsrechte als Verhandlungspartner zu haben. Die USA stehen weltweit im Bereich der Arbeit an der Spitze derer, die die Menschenrechte NICHT anerkannt haben.“ Gegenüber den Lohnabhängigen herrsche in den USA bei den maßgebenden politischen Kräften Verachtung. Sechs der acht von der International Labour Organisation (ILO), einer Unterorganisation der Vereinten Nationen, festgeschriebenen arbeitsrechtlichen Kern-Normen werden von den USA bis heute nicht anerkannt.

Werner Rügemer führt sie aus: „Die Koalitionsfreiheit, also auch das Recht der Beschäftigten, sich frei zu organisieren, etwa in Gewerkschaften; das Recht auf kollektive Tarifverträge; die Abschaffung der Zwangs- und Pflichtarbeit allgemein, vor allem wegen des Einsatzes von Häftlingen für private Unternehmen; gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau; das Mindestalter für den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis; und das Verbot der Diskriminierung in der Arbeitswelt aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politischer Meinung, nationaler und sozialer Herkunft.“ All diese arbeitsrechtlichen Kern-Normen gelten in den USA NICHT!

Einfallstor für US-Unrecht

Immerhin bestätigen sogar CDU/CSU und SPD in ihrem abgeschlossenen Koalitionsvertrag die Gefahr, dass der Transatlantik-Pakt TTIP zu einem Einfallstor für US-amerikanisches Unrecht wird, indem sie formulieren: „Bei EU-Handelsabkommen soll die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) berücksichtigt werden, damit der Freihandel nicht zum Einfallstor für Lohn- und Sozialdumping wird.“ Auch die eskalierende Gefahr für die ohnehin schon weitgehend Kapital-Interessen unterworfenen Bereiche wie Verbraucher- und Datenschutz sowie Kultur und Medien wird angesprochen: „Dem besonderen Schutzbedürfnis von Kultur und Medien“ müsse Rechnung getragen werden. Die „hohen europäischen Standards im Verbraucher- und Datenschutz“ müssten Geltung behalten.

Aber es ist klar, was im Vordergrund steht. Unter den Überschriften „Verantwortung in der Welt“ und „Verlässlicher Partner in der Welt“ heißt es im Koalitionsvertrag: „Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung. Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten... Die transatlantische Zusammenarbeit ist sowohl für Europa als auch für Nordamerika von grundlegender Bedeutung. Die transatlantische Partnerschaft basiert auf einem Fundament gemeinsamer Werte und Interessen... Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA ist eines der zentralen Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen. Wir wollen, dass die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss geführt werden...“

Verfassungsfeindliche Absprachen

Nebenbei bemerkt: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ So heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Das widerspricht Grundgesetz-Artikel 38: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages [...] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Demnach handelt es sich beim Koalitionsvertrag um eine verfassungsfeindliche Absprache, deren juristische Konsequenzen zu untersuchen wären.

Im Kölner attac-Informationsblatt heißt es: „Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierungskoalition zielt ausdrücklich auf einen 'erfolgreichen Abschluss' der transatlantischen Verhandlungen.“ Dagegen gilt es alle an einem menschlichen Gemeinwesen interessierten Kräfte zu mobilisieren. Einige Ansätze dazu gibt es. Sie sind im Anhang aufgeführt. (PK)


Anhang

Aufruf des Umweltinstituts München e.V. „Transatlantisches Freihandelsabkommen verhindern! – STOP TTIP“



Hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt die Europäische Union seit Juli über das geplante Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP), um "Handelshemmnisse“ dies- und jenseits des Atlantiks abzubauen.

Ergebnisse der Verhandlungen sickern - wenn überhaupt - nur sehr dürftig nach außen. Die Folgen eines solchen Abkommens hätten jedoch fundamentale Auswirkungen auf unsere Verbraucherschutz- und Gesundheitsstandards, unsere Klima- und Umweltschutzauflagen, auf unsere Landwirtschaft sowie auf viele andere Bereiche.

Wir brauchen keine geheimen Verhandlungen und Abkommen, die zur Folge hätten, dass mit Chlor desinfizierte Hühnchen, Klon- oder Hormonfleisch, Milch von genmanipulierten Turbokühen oder gentechnisch veränderte Tiere und Pflanzen völlig legal per Import aus den USA auf unseren Tellern landen können. Auch eine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel würde als „Handelshemmnis“ dem Freihandel zum Opfer fallen. Zulassungen von genmanipulierten Pflanzen und Tieren würden nach US-amerikanischem Recht noch schneller und völlig ohne Risikobewertung vonstatten gehen. Dumpingpreise für landwirtschaftliche Produkte aus der industriellen Landwirtschaft in den USA werden die kleinbäuerlichen Strukturen in Europa endgültig ruinieren.

US-Exporteure und Konzerne könnten gegen Umweltgesetze in der EU klagen, wenn sich durch Gesetzesänderungen oder höhere Umweltstandards Profiteinbußen für sie ergäben. Auch ein eventuelles Fracking-Verbot könnte unter diesem Vorwand zu Fall gebracht werden.

Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierungskoalition zielt ausdrücklich auf einen "erfolgreichen Abschluss" der transatlantischen Verhandlungen. Dies darf auf keinen Fall Wirklichkeit werden!

Machen Sie mit, unterstützen Sie unsere Forderungen und unterzeichnen Sie den Appell an Bundeskanzlerin Merkel und EU-Handelskommissar Karel De Gucht!

Wir wollen:

* Die mühsam erkämpften europäische Verbraucherschutz und Gesundheitsstandards erhalten
* Eine kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft erhalten und schützen
* Klima- und Umweltschutzauflagen sowie das Vorsorge- und Verursacherprinzip in Europa und in Deutschland aufrechterhalten
* Dienstleistungen der Daseinsvorsorge wie Trinkwasserversorgung oder Bildung sollen in demokratisch legitimierter öffentlicher Hand bleiben
* Unser Grundgesetz und Rechtssystem vor intransparenten Schiedsgerichten ohne Berufung oder Revision und demokratische Kontrolle schützen.

Deshalb wollen wir diese gravierenden Eingriffe für Verbraucher und Konsumenten verhindern und fordern daher einen STOPP der Freihandels-Verhandlungen!

Hier unterzeichnen:
http://umweltinstitut.org/freihandelsabkommen/allgemeines/freihandelsabkommen-verhindern-1144.html



Campact-Aufruf „Keine Geschenke für Monsanto, BASF & Co.“



Das TTIP-Handelsabkommen soll Konzernen Profite durch Fracking, Chlorhühner, Gen-Essen und laxen Datenschutz erleichtern - und es bedroht Europas Demokratie. Auf diesen Deal lassen wir uns nicht ein. Fordern Sie jetzt den Verhandlungsstopp von EU-Handeskommissar Karel De Gucht und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz!

TTIP: Verkauft nicht unsere Zukunft!

Das geplante Freihandels-Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA dient den Interessen der Konzerne und nicht uns Bürger/innen:

* TTIP höhlt Demokratie und Rechtsstaat aus: Ausländische Konzerne können Staaten künftig vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohe Schadenersatzzahlungen verklagen, wenn sie Gesetze verabschieden, die ihre Gewinne schmälern.
* TTIP öffnet Privatisierungen Tür und Tor: Das Abkommen soll es Konzernen erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung zu machen.
* TTIP gefährdet unsere Gesundheit: Was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal – so wäre der Weg frei für Fracking, Gen-Essen und Hormonfleisch. Die bäuerliche Landwirtschaft wird geschwächt und die Agrarindustrie erhält noch mehr Macht.
* TTIP untergräbt die Freiheit: Es droht noch umfassendere Überwachung und Gängelung von Internetnutzern. Exzessive Urheberrechte erschweren den Zugang zu Kultur, Bildung und Wissenschaft.
* TTIP ist praktisch unumkehrbar: Einmal beschlossen, sind die Verträge für gewählte Politiker nicht mehr zu ändern. Denn bei jeder Änderung müssen alle Vertragspartner zustimmen. Deutschland allein könnte aus dem Vertrag auch nicht aussteigen, da die EU den Vertrag abschließt.

Daher fordere ich: Beenden Sie die Verhandlungen über das TTIP-Abkommen!

Hier unterzeichnen:
https://www.campact.de/ttip/appell/teilnehmen/



Bei der Protestaktion von attac Köln verteiltes Informationsblatt

TTIP - Eine schöne Bescherung...!?

Lust auf in Chlor gebadete Weihnachtsgänse?
Lust auf gentechnisch verändertes Gemüse als Beilage?
Lust auf Streichung des Weihnachtsgeldes und die Kürzung des Jahresurlaubes?

Falls ja, dann können Sie sich auf das TTIP (o. TAFTA) freuen, das transatlantische Handels- und Investitionsschutzsabkommen zwischen der EU und der USA.

Aufgrund strikter Geheimhaltung der aktuellen Verhandlungen wissen wir zwar noch nicht konkret, was wirklich in dem Päckchen drin steckt, aber Eines ist schon jetzt völlig klar:

Das Ziel des Abkommens sind gegenseitige Vereinbarungen zum Investitionsschutz und zur Deregulierung und somit der Abbau von Verbraucherschutz, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechten. Denn diese Standards werden als so genannte "nicht tarifäre Handelshemmnisse" betrachtet und sollen daher harmonisiert, sprich: auf den niedrigsten Nenner nach unten angeglichen werden.

Und dafür, dass dieses Päckchen auch gut und fest verschnürt bleibt, sorgen internationale Schiedsgerichte, bei denen (z.B. amerikanische) Konzerne im Zweifelsfall die Einhaltung dieser Beschlüsse gegen einzelne Staaten (z.B. Deutschland) einklagen können - vorbei an jeglicher demokratisch legitimierter Rechtssprechung und entsprechender parlamentarischer Kontrolle!

Und die neue Bundesregierung hat laut Koalitionsvertrag auch fest vor, dieses Abkommen durchzuwinken. Dies gilt es unbedingt zu verhindern!

Wir brauchen nicht den Abbau, sondern die Bewahrung bzw. den Ausbau von Verbraucherschutz, Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und demokratischen Grundrechten!

Wir schenken Ihnen heute symbolisch ein Maiskorn, das NOCH nicht gentechnisch verändert ist. Wir müssen dafür kämpfen, dass es so bleibt!

Lassen Sie sich keine Mogelpackung andrehen, der Umtausch ist nämlich ausgeschlossen! Denn ist dasTTIF einmal beschlossen, gibt es kein Zurück!

Informieren Sie sich und Ihre Mitmenschen und helfen Sie mit, dass aus der schönen Bescherung keine böse Überraschung wird!

!! Stoppt TTIP!!

Vielen Dank und frohe Weihnachten wünscht Ihnen attac Köln!


Brief von Attac Deutschland vom 8.11.2013 an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages:

Sehr geehrte/r Herr/Frau [MdB],

die Herausforderungen, vor denen Sie als Mitglied des neu gewählten Bundestages stehen, sind enorm. Eurozonen-Krise, soziale Ungleichheit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Energiewende sind nur einige Stichworte. Heute schreiben wir Ihnen anlässlich eines politischen Projektes, das all diese Bereiche berührt: die zwischen der EU und den USA angestrebte Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP).

Wir sind anlässlich der Pläne zur Schaffung der größten Freihandelszone der Welt sehr besorgt. Auch wenn der EU-Kommissar De Gucht die TTIP als eine Art kostenloses Konjunkturpaket preist - die zu erwartenden Wachstums- und Beschäftigungseffekte sind gering. So geht sogar die freihandelsfreundliche und selbst an dem Abkommen interessierte Bertelsmann-Stiftung beispielsweise für Deutschland je nach Szenario lediglich von einem Anstieg der Beschäftigung um 0,12 bzw. 0,47 Prozent aus – verteilt über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren. Demgegenüber steht vor allem die Gefahr einer weiteren Vertiefung des Standortwettbewerbs, einer Verringerung demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten und eines Abbaus sozialer und ökologischer Standards. Unsere Besorgnis bezieht sich hauptsächlich auf die folgenden Bereiche:

* Investitionsschutz: Laut dem Verhandlungsmandat der EU-Kommission soll ein Investitionsschutzabkommen Teil des Vertrags werden. Konzerne sollen das Recht bekommen, die Vertragsstaaten vor einem Schiedsgericht zu verklagen, wenn eine „direkte oder indirekte Enteignung“ droht. Einerseits wird dadurch eine parallele Rechtsstruktur jenseits demokratischer Kontrolle geschaffen, die die Standards unseres modernen Rechtssystems untergräbt. Andererseits können Investor-Staat-Klagen demokratische Entscheidungsspielräume schmälern, wenn Konzerne entsprechende Regulierungsmaßnahmen (Umweltstandards, Sozialstandards etc.) wegklagen können.

* Finanzmarktregulierung: Die globale Finanzmarkt-und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass unregulierte Finanzmärkte eine Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft bedeuten. Auch fünf Jahre nach dem Kollaps von Lehman Brothers ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Finanzkrisen mit ähnlichen Dominoeffekten wie 2007ff eintreten. Viele notwendige Maßnahmen wurden nicht ergriffen. Lediglich einige zaghafte Ansätze wurden auf den Weg gebracht. Alles deutet darauf hin, dass die EU-Kommission es in den Freihandelsverhandlungen billigend in Kauf nimmt, dass diese Ansätze wieder ausgehebelt werden.

* Vorsorgeprinzip und Verbraucherschutz: Zwischen der EU und den USA gibt es erhebliche Unterschiede bei Produktstandards, Kennzeichnungspflichten, Gesundheitsstandards u.v.m. Bei der TTIP-Verhandlung soll eine möglichst weitreichende Angleichung herbeigeführt werden. Die TTIP könnte so dem umweltschädlichen Fracking, gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln u.v.m. Tür und Tor öffnen und die gesundheitliche Grundversorgung weiter aushöhlen.

* ArbeitnehmerInnenrechte: Die USA haben zentrale ILO-Normen betreffend gewerkschaftlicher Organisationsrechte nicht unterzeichnet. In Teilen der USA herrscht eine regelrecht gewerkschaftsfeindliche Politik. Die TTIP könnte bei einer Angleichung entsprechender Standards eine erhebliche Schwächung der ArbeitnehmerInnen in der EU bedeuten.

* Kultur: Kulturelle Vielfalt kann es ohne Förderung und Schutz nicht geben. Die TTIP gefährdet bspw. die Filmförderung und die Buchpreisbindung. Die Kultur nur dort sich entwickeln zu lassen, wo sie nach Marktkriterien profitabel ist, bedeutet kulturelle Verarmung.

* Öffentliches Beschaffungswesen: Durch eine vollständige Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für Anbieter des jeweils anderen TTIP-Partners würde es künftig schwerer werden, ökologische und soziale Aspekte bei der Auftragsvergabe einzubeziehen. Genau darauf pocht die EU in den Verhandlungen.

Wir verstehen die TTIP-Verhandlungen daher als eine Bedrohung für soziale Rechte, Verbraucherschutz und Umwelt. Die Verhandlungen werden ohne demokratische Kontrolle durchgeführt. Vorbereitet wurden die Verhandlungen von der transatlantischen „High Level Working Group on Jobs and Growth“. Kein einziges Mitglied dieser Gruppe hatte ein demokratisches Mandat. Dass ein übergroßer Anteil der externen Expertise von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden kam, während Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbände kaum Einfluss nehmen konnten, machte ein ausgeglichenes Verfahren zu allseitigem Nutzen völlig unmöglich. Die Verhandlungen selbst werden seitens der EU von der Kommission geführt, die hierzu ein wenig konkretes, aber weitreichendes Mandat des Europäischen Rates erhielt. Demokratisch gewählte VertreterInnen der Mitgliedsländer sind an den Verhandlungen nicht beteiligt. Der Einfluss der Parlamente – Ihr Einfluss – beschränkt sich allein darauf, dem Verhandlungsergebnis zuzustimmen oder nicht.

Der aktuelle Prozess zu einer transatlantischen Freihandelszone ist demokratisch organisierten Gesellschaften nicht würdig. Die potenziellen Folgen eines ratifizierten Freihandelsvertrages sind äußerst Besorgnis erregend und widersprechen gesellschaftlichen Interessen fundamental.

Attac setzt sich ein für eine solidarische und ökologische Weltwirtschaft. Deshalb fordern wir einen Stopp der TTIP-Verhandlungen. Auch unter dem Eindruck der jüngsten Datenschutz- und Abhörskandale verbietet sich jede weitere Fortsetzung der intransparenten Verhandlungen. Die durch den Abhörskandal offenbarten Methoden und Möglichkeiten der Informationsbeschaffung von Geheimdiensten lassen nur den Schluss zu, dass die bisherige Praxis, strategische Geheimverhandlung zu führen, überholt ist. Zum einen, weil ohnehin nichts mehr geheim bleibt, zum anderen aber vor allem, weil die Bürger ein Recht darauf haben, ihre Gesellschaften aktiv gemeinsam zu gestalten und nicht bevormundet zu werden. Wir befürchten, dass die BürgerInnen-Rechte durch ein transatlantisches Projekt wie die TTIP weiter geschwächt würden.

Wir fordern Sie daher auf: Nehmen Sie Ihr Mandat ernst! Handeln Sie zum Wohle und im Interesse der Allgemeinheit! Widersprechen Sie der undemokratischen Praxis der TTIP-Verhandlungen! Üben Sie Druck auf die Bundesregierung und die EU-Institutionen aus! Setzen Sie sich dafür ein, TTIP zu verhindern!

Online-Flyer Nr. 437  vom 18.12.2013



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