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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Inland
DGB schlägt ins Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung
"Entspanntes Verhältnis" zur Bundeswehr
Von Hans Georg

Die Führung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) forciert die Verankerung der militärpolitischen Doktrin der Bundesregierung in den Gewerkschaften. Jüngster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein für diese Woche in Berlin angekündigter "Friedens- und Sicherheitspolitischer Workshop" des DGB, zu dem fast ausschließlich Befürworter der deutschen Kriegspolitik als Referenten geladen sind. Unter den Vortragenden findet sich beispielsweise ein Vertreter des beim Vorstand der Industriegewerkschaft Metall angesiedelten "Arbeitskreises Wehrtechnik und Arbeitsplätze". Das Gremium hat in der Vergangenheit immer wieder den Umbau der Bundeswehr zur weltweit agierenden Interventionsarmee und die Ausweitung der deutschen Rüstungsexporte unterstützt. Auf der Rednerliste stehen außerdem Mitarbeiter offizieller militärpolitischer Beraterstäbe. Mittlerweile hat sich energischer Protest gegen die Veranstaltung formiert. Die Kritiker bezeichnen diese offen als "Schlag ins Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung".


Auch DGB-Vorsitzender Michael Sommer
unterstützt deutsche Kriegspolitik
NRhZ-Archiv
Gewerkschaften und Militär
 
Wie der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschafts-bundes Michael Sommer in der Veranstaltungsankündigung schreibt, wolle man "über das Verhältnis der Gewerkschaften zum Militär diskutieren". Von den vergangenen und aktuellen Kriegsoperationen der Bundeswehr ist dabei nicht die Rede; diese werden euphemistisch als "internationale Einsätze" bezeichnet.[1] Auch die Auswahl der als "Inputgeber" vorgesehenen Referenten lässt auf ein klares Bekenntnis zur Militarisierung der deutschen Außenpolitik schließen: Nahezu alle Vortragenden befürworten die militärpolitische Doktrin der Bundesregierung.
 
Kampffähigkeit als Grundlage
 
Im Zentrum des "Workshops" steht laut Programm die Beschäftigung mit den "Auswirkungen" deutscher Kriegsoperationen auf die daran beteiligten Soldaten, Polizisten und Zivilbediensteten der Bundeswehr.[2] Als erster Redner zum Thema ist der Wehrpolitiker Winfried Nachtwei (Bündnis 90/Die Grünen) vorgesehen. Nachtwei ist Mitglied im "Beirat zivile Krisenprävention" des Auswärtigen Amts und gehört außerdem dem "Beirat Innere Führung" des Bundesverteidigungsministeriums an. Das zuerst genannte Gremium agiert auf der Basis des Konzepts der "vernetzten Sicherheit", das eine enge Verzahnung von Außen-, Militär- und Entwicklungspolitik vorsieht. Der "Beirat Innere Führung" wiederum formuliert die Grundsätze für die Ausbildung deutscher Soldaten in Vorbereitung auf Gewaltmaßnahmen im Ausland. Nachtwei spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die Angehörigen der deutschen Streitkräfte im "gesamte(n) Fähigkeitsspektrum" zu schulen - "mit der Kampffähigkeit als Grundlage".[3]
 
Polizei-Interventionen
 
Im Anschluss an Nachtweis Referat sieht das Programm des "Workshops" einen Vortrag des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, vor. Radek ist innerhalb seiner Organisation für "polizeiliche Auslandseinsätze" zuständig und soll diese einer "Bilanz" unterziehen.[4] Grundsätzliche Kritik ist dabei von ihm nicht zu erwarten. Noch während in Libyen der Bürgerkrieg tobte, sprach er sich Presseberichten zufolge dafür aus, deutsche Polizisten in das nordafrikanische Land zu entsenden. Damit einhergehend forderte der GdP-Funktionär die Erarbeitung eines "klare(n) Missionsziel(s)" und die Bereitstellung "zusätzliche(r) Mittel", da entsprechende Operationen "nicht allein aus den bestehenden Etats finanziert werden" könnten.[5] Insgesamt erachtet Radek die deutsche Polizei nach eigenen Angaben als bestens geeignet für die Teilnahme an Militärinterventionen: "Ich denke, dass wir als deutsche Nation einen sehr hohen Standard in der Polizeiarbeit haben und wir uns mit diesem Know-how einbringen können." Insbesondere "Ausbildungsprojekte" für mit dem Westen kollaborierende einheimische Sicherheitskräfte hält Radek für unabdingbar; notwendig ist ihm zufolge die Vermittlung der "gesamte(n) Bandbreite polizeilicher Aufgaben" - "von der Verkehrserziehung, über die Spurensicherung und Personenkontrolle, bis zu Einsätzen bei Demonstrationen".[6]
 
Fachgruppe Bundeswehr
 
Auf Radeks Referat soll ein Redebeitrag des ver.di-Funktionärs Michael Peters folgen. Peters leitet die "Fachgruppe Bundeswehr" der Dienstleistungsgewerkschaft und ist damit qua Amt für die Organisierung und Vertretung der Soldaten und Zivilbediensteten der deutschen Streitkräfte zuständig. Er war jahrelang selbst beim Militär beschäftigt und sitzt heute als Arbeitnehmerrepräsentant im Aufsichtsrat der in Meckenheim bei Bonn beheimateten BWI Informationstechnik GmbH. Das Unternehmen, an dem neben der Bundeswehr auch der Siemens-Konzern und IBM beteiligt sind, rüstet unter der Projektbezeichnung "Herkules" die deutsche Armee mit modernsten Computersystemen aus (german-foreign-policy.com berichtete [7]).
 
Deutsche Qualitätsarbeit
 
Komplettiert wird die Runde der beim DGB-Workshop referierenden Gewerkschaftsfunktionäre durch Jürgen Bühl von der IG Metall.Bühl leitet den beim Vorstand der Organisation angesiedelten "Arbeitskreis Wehrtechnik und Arbeitsplätze", der zuletzt durch eine Studie über den "militärischen Schiffbau" in Deutschland Schlagzeilen machte. Die Autoren des Papiers forderten sowohl den Ausbau der "wehrtechnischen Kernfähigkeiten" der deutschen Industrie als auch die Forcierung der deutschen Rüstungsexporte (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Passend hierzu sieht Bühl die deutschen Waffenschmieden "gut aufgestellt", da sie seiner Ansicht nach "mit Qualität überzeug(en)".[9]
 
Kein Feigenblatt
 
Gegen den geplanten "Workshop" des DGB formiert sich indes Protest. So ruft etwa die gewerkschaftliche "Initiative Frauenfriedenskonferenz" ihre Mitglieder dazu auf, die Teilnehmer der Veranstaltung mit "entschiedenem Widerspruch" zu konfrontieren. Wie die Aktivistinnen erklären, sind sie nicht bereit, "ein Feigenblatt abzugeben für eine angebliche Diskussion, in der es weder um die Verteidigungspolitischen Richtlinien und den Umbau der Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz in aller Welt geht noch um die Militarisierung der Gesellschaft, sondern die der Versuch ist, die sicherheitspolitische Doktrin der Bundesregierung in den Gewerkschaften zu verankern, so wie dies in Schulen und Hochschulen schon seit langem passiert". Die im baden-württembergischen Tübingen beheimatete "Informationsstelle Militarisierung" (IMI) spricht offen von einem "Schlag ins Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung".[10]
 
Ideologische Grundlagen
 
Erinnert wird zudem daran, dass es sich bei dem geplanten "Workshop" keineswegs um ein singuläres Ereignis handelt. Bereits im Februar dieses Jahres kam es zu einem Treffen der DGB-Spitze mit Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) - verbunden mit der Ankündigung, eine "gemeinsame Erklärung" über die "gemeinsamen Werte" von Bundeswehr und Gewerkschaft zu erarbeiten (german-foreign-policy.com berichtete [11]). Jetzt sollen offenbar die ideologischen Grundlagen hierfür entwickelt werden. (PK)
 
 
[1] Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): "Friedens- und Sicherheitspolitischer Workshop". 30. Oktober 2013, 10.30 Uhr, Kalkscheune, Johannisstr. 2, 10117 Berlin (Einladung)
[2] Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): "Friedens- und Sicherheitspolitischer Workshop". 30. Oktober 2013, 10.30 Uhr, Kalkscheune, Johannisstr. 2, 10117 Berlin (Programm)
[3] Winfried Nachtwei: Der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr - Von der Friedenssicherung zur Aufstandsbekämpfung. In: Anja Seiffert/Phil C. Langer/Carsten Pietsch (Hg.): Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Sozial- und politikwissenschaftliche Perspektiven. Schriftenreihe des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr 11, Wiesbaden 2012. S. hierzu auch Rezension: Anja Seiffert, Phil C. Langer, Carsten Pietsch (Hg.): Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan
[4] Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB): "Friedens- und Sicherheitspolitischer Workshop". 30. Oktober 2013, 10.30 Uhr, Kalkscheune, Johannisstr. 2, 10117 Berlin (Programm)
[5] zitiert nach: Polizisten befürworten deutschen Ausbildungseinsatz; www.handelsblatt.com 22.08.2011
[6] zitiert nach: Deutschland schult Polizisten im Ausland; www.dw.de 24.08.2012
[7] s. dazu Todesdrohung per Handy
[8] s. dazu Deutsche Systemführerschaft und Von nationaler Bedeutung
[9] zitiert nach: Steinmeier regt "Weimarer Weißbuch" an; Behörden-Spiegel. Newsletter Verteidigung, Streitkräfte und Politik, Nr. 64, 14.03.2013
[10] Christoph Marischka/Jürgen Wagner: Sicherheitspolitischer Workshop des DGB: Schlag ins Gesicht der Friedens- und Antikriegsbewegung; IMI-Analyse 29/2013
[11] s. dazu Entspanntes Verhältnis
 
 
Diesen aufklärenden Artikel haben wir mit Dank von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58716 übernommen.
 


Online-Flyer Nr. 429  vom 23.10.2013

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