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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Kommentar
Nur wer selber brennt, kann andere anstecken
Wie Solidarität entsteht
Von Franz Kersjes

Viele Menschen wissen nicht genau, wodurch ihre soziale Situation verursacht wurde. Wer sich täglich von Medien wie der Bild-Zeitung (“ein entsetzliches, menschenverachtendes Blatt“, so die FAZ Sonntagszeitung) und von anspruchslosem Fernsehkonsum ablenken lässt, wird niemals herausfinden, wie und wodurch seine Lebens- und Arbeitssituation entstanden ist und wie sie verändert werden kann. Nur wer seine eigenen Interessen erkennt, mit anderen Menschen darüber redet, wird oft eine Übereinstimmung der Probleme entdecken und einen gemeinsamen Willen zur Veränderung entwickeln können. Über diesen Weg werden gemeinsames Handeln, gemeinsamer Kampf möglich. Solidarität entsteht aus Vertrauen in die eigene Kraft. Darüber hinaus ist Überzeugungsarbeit erforderlich zur Überwindung von Ängsten und Bedenken, zur Ermutigung aller Beteiligten und zur Akzeptanz der Risiken. Nur wer selber brennt, kann andere anstecken.
 

Bertolt Brecht
Quelle: Bundesarchiv
Bertold Brecht schrieb zum Thema Solidarität 1929 einen Text, der – 1931 vertont von Hans Eisler – von dem politischen Sänger Ernst Busch mit großem Erfolg auf die Bühne gebracht und von linken Demonstranten übernommen wurde:
 
"Wollen wir es schnell erreichen
Brauchen wir noch dich und dich.
Wer im Stich lässt seinesgleichen
Läßt ja nur sich selbst im Stich.
     Vorwärts und nicht vergessen
     Worin unsere Stärke besteht!
     Beim Hungern und beim Essen
     Vorwärts, nie vergessen
     Die Solidarität!"
 
Was können Gewerkschaften zur Förderung der Solidarität tun? Zunächst müssen sie ihre Mitglieder und solche, die es werden sollen, glaubwürdig in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Mit knappen Beratungs- und Sprechstunden, mit Versammlungen und Schulungen ist es nicht getan. Notwendig ist die Entwicklung einer Beteiligungskultur. Wichtigste Aufgaben sind: Begegnungen der Erwerbstätigen zu organisieren, Kontakte herzustellen und Kommunikation zu fördern. Die kleinsten Einheiten in der Gewerkschaftsarbeit sind die wichtigsten: Betriebsgruppen, Berufsgruppen, Fachgruppen, Ortsvereine. Sie müssen in jeder Hinsicht unterstützt werden. In ihnen sammeln sich vergleichbare individuelle oder sogar die gleichen Erfahrungen. Die bilden das Fundament zum Erarbeiten gemeinsamer Ziele in der Gewerkschaft und über die jeweilige Gruppe hinaus.
 
Demokratie erfordert Beteiligung. Man darf Zustand und Politik der Gewerkschaften nur dann beklagen, wenn man sich einmischt, mitarbeitet und für Änderungen kämpft. Mitglieder haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Es geht um die gemeinsamen Interessen der abhängig Beschäftigten und der Arbeitsuchenden, um die Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse. Gewerkschaften sind kein Interessenverband wie jeder andere. Sie bündeln sehr unterschiedliche individuelle Interessen und formulieren gemeinsame Ziele. Als soziale Bewegung können sie die notwendige gesellschaftliche Kraft zur Beseitigung der Ursachen für die Entstehung undemokratischer und sozialer Missstände entwickeln. Solidarität macht stark! Schwache Gewerkschaften haben die falsche Führung oder gleichgültige und/oder ängstliche Mitglieder - manchmal sogar beides.
 
Solidarität und Demokratie haben gemeinsame Feinde: Demagogie, Unterdrückung, Gleichgültigkeit, Dummheit. Die Herrschenden in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft haben stets die Solidarität ihrer „Untergebenen“ gefürchtet. Zur Erhaltung ihrer Macht versuchen sie, Rechte und Freiheiten Anderer zu beschränken. Es soll sich grundsätzlich nichts ändern. Wer trotzdem auf Veränderung drängt, braucht Mut und Ausdauer; muss konfliktbereit und konfliktfähig sein. Das kann man lernen. Und dafür gibt es viele Beispiele in der Geschichte der Arbeiterbewegung. (PK)
 
Franz Kersjes wurde als Rentner Herausgeber der einst von der IG Druck und Papier gegründeten aber 1988 wieder eingestellten Gewerkschaftszeitung "Welt der Arbeit", die er inzwischen im Internet herausgibt. Er war von 1980 bis 2001 Landesvorsitzender der IG Druck und Papier und der IG Medien in NRW. Aus seiner www.weltderarbeit.de haben wir mit Dank diesen Text übernommen.


Online-Flyer Nr. 429  vom 23.10.2013

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