NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 24. April 2024  

zurück  
Druckversion

Globales
Zwei türkische Migranten seit dem 24.9. in Griechenland im Hungerstreik
Türkei und Deutschland fordern Auslieferung
Von Sükriye Akar

Am 30. Juli 2013 hat die griechische Regierung eine breit angelegte Razzia gegen MigrantInnen aus der Türkei durchgeführt. Sie ließ dabei keine Stadt, keine Institution aus, wo MigrantInnen anzutreffen sind. Begründet wurde das mit der üblichen Terrordemagogie. Es wäre eine Operation gegen die DHKP-C, der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front hieß es. Die politische Zeitschrift Agonas O, welche Informationen über MigrantInnen aus der Türkei und Kurdistan publiziert, wurde tagelang unter Beschlag gehalten. Möbel und elektronische Gegenstände wurden zertrümmert. Nicht einmal Rechtsanwälte durften das Gebäude der Zeitschrift betreten.
  

Rechtsanwalt Düzgün Yüksel
Während dieser Repressionswelle wurde auch Ahmet Düzgün Yüksel verhaftet, ein Rechtsanwalt aus der "Rechtskanzlei des Volkes" (“Halkin Hukuk Bürosu”), ein Anwaltskollektiv, das seit seiner Gründung im Schussfeld der türkischen Regierung steht. Aktuell befinden sich dort 9 seiner KollegInnen im Gefängnis, denen im Dezember der Prozess gemacht werden soll.
 
Yüksel hatte in der Türkei zehn Jahre als Rechtsanwalt gearbeitet, an zahlreichen Massakerprozessen als Anwalt der Opfer an der Seite ihrer Angehörigen teilgenommen, war mit Leichen seiner inhaftierten politischen Klienten konfrontiert worden und hatte schweren Herzens an deren Obduktionen teilgenommen, hatte sich Willkürhandlungen der türkischen Polizei auf rechtlichen Weg widersetzt und war schließlich selbst zum Opfer von Repressalien und polizeilicher Folter geworden. Deshalb flüchtete er aus politischen Gründen vor 13 Jahren nach Deutschland, wo er am Abend des 27. November 2006 vor dem Eingang des Anatolischen Kultur- und Kunsthauses Köln von Zivilbeamten ohne jegliche Begründung wortlos im Dabeisein von zwei Augenzeugen verhaftet wurde.
 
Obwohl ihn Deutschland als Asylant anerkannt hatte, kam für ihn der berühmte § 129b-Knüppel "für Kriminelle und terroristische Vereinigungen" aus dem StGB. In Stuttgart-Stammheim war er einer der ersten § 129b-Verurteilten - aus genauso fadenscheinigen Gründen, wie die aktuellen § 129b-Gefangenen. Nachdem er entlassen wurde, hat er Deutschland verlassen. Nun möchten gleich zwei Länder von Griechenland seine Auslieferung: Deutschland und die Türkei.
 
Ähnlich ging es auch Erdogan Cakir. Er wurde ebenfalls im Zuge der Repressionswelle verhaftet. Im nächsten Monat wird ein Revisionsverfahren gegen ihn und andere Festgenommene eröffnet.
 

Griechenlands Ministerpräsident
Andonis Samaras
Quelle: wikipedia
Die Repressionen gegen Migran-tInnen in Griechenland werden von der Türkei diktiert. Und die Samaras-Regierung beugt sich diesem Diktat, denn das war eine der Bedingungen für türkisch-griechische Wirtschafts-abkommen. Natürlich macht das Samaras nicht nur aus wirtschaft-lichen Gründen und wegen der angeschlagenen Situation Griechenlands. Samaras und der türkische Regierungsschef Erdogan stehen sich politisch nahe, ähnlich wie Samaras der Merkel-Regierung nahe steht.
 
Griechenlands Regierung versucht außerdem jeden, der in der Solidaritätsbewegung zur Türkei steht, finanziell fertig zu machen. Sie hat gegen viele MigrantInnen ein Verfahren eröffnet. Selbst gegen jene, die fast seit 30 Jahren dort leben und anerkannte Asylanten sind. Dabei müssen in Griechenland alle Angeklagten für alles selbst bezahlen, sogar für die Verwaltungskosten des Gerichtes. Und in  müssen sie selber aufkommen. In den Gefängnissen muss man selbst das Toilettenpapier aus der eigenen Tasche bezahlen.
 
Ende Mai wurde der Asylantragssteller Bulut Yayla auf offener Straße mitten in Athen entführt. Die Polizei behauptete, Yayla sei aus Griechenland in die Türkei geflohen. Diese Rechnung ist aber nicht aufgegangen, weil zahlreiche Passanten die Entführung beobachtet und später bezeugt haben. Nun befindet sich Bulut Yayla in einem F-Typ-Gefängnis in der Türkei. Seine Verschleppung ist ein Skandal, ja, sogar eine Übertretung der Genfer Abkommen. Wo gibt es denn so etwas, dass man jemanden, der Asyl beantragt, in das Land zurück verschleppt, wovor er/sie geflohen ist? Das hat natürlich auch in Griechenland für Empörung gesorgt.
 
Die Auslieferungsverhandlungen für Erdogan Cakir und Ahmet Düzgün Yüksel haben stattgefunden. Beide haben darauf bestanden, dass ihre Verurteilungen in Deutschland und Frankreich nicht rechtens sind. Denn das Organisieren von Demos, Konzerten, etc. könne kein Verbrechen sein. Darum wollten sie nicht ausgeliefert werden. Aber die Richter entschieden anders. Vor allem die Richter von Ahmet Düzgüns Verfahren waren besonders negativ eingestellt und haben ihn nicht einmal zu Wort kommen lassen. Schlimmer noch: Nicht mal sein Rechtsanwalt durfte seine Verteidigung vortragen. Beide werden in Revision gehen. Seit dem 24. September sind sie im Hungerstreik. (PK)
 
Sükriye Akar hat uns diesen Beitrag für die Initiative "Freiheit für alle politischen Gefangenen" in Hamburg geschickt. Mehr Informationen unter www.political-prisoners.net
 


Online-Flyer Nr. 426  vom 02.10.2013

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE