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Kultur und Wissen
Deutscher Umweltpreis an Carmen Hock-Heyl und "Stromrebellin“ Ursula Sladek
Frauen-Power für Umweltschutz
Von Peter Kleinert

Die Träger des Deutschen Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) stehen fest. Den mit 500.000 Euro höchstdotierten Umweltpreis Europas teilen sich in diesem Jahr die Gründerin und Geschäftsführerin der Firma Hock (Nördlingen), Carmen Hock-Heyl (58), sowie die Vorstandsvorsitzende der Netzkauf ElektrizitätsWerke Schönau (EWS) e.G., Ursula Sladek (67). Hock-Heyl wird geehrt, weil sie Dämmmatten für den Hausbau aus dem Öko-Rohstoff Hanf am Markt etabliert hat, „Stromrebellin“ Sladek, weil sie aus einer Bürgerinitiative den ersten Ökostromanbieter Deutschlands schuf. (1)

Carmen Hock-Heyl und Ursula Sladek
Quelle: www.dbu.de.
 
Die beiden Frauen hätten „in Zeiten, in denen sie nur belächelt wurden, mit Überzeugungskraft, Kompetenz und Hartnäckigkeit gegen massive Widerstände zukunftsweisende Aufbauarbeit im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie geleistet und so ihre Visionen in Realität umgemünzt“, begründete DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E.h. Fritz Brickwedde die Auswahl der Preisträgerinnen. Die Preise selbst wird am 27. Oktober in Osnabrück Bundespräsident Joachim Gauck den beiden Frauen übergeben.

"Mit beharrlichem Engagement, unternehmerischem Durchsetzungsvermögen und Mut zum Risiko" sei es Carmen Hock-Heyl gelungen, Dämmmatten für den Hausbau aus dem nachwachsenden Rohstoff Hanf am Markt zu etablieren, so Brickwedde. „Die Produkterfinderin, Unternehmensgründerin und Geschäftsführerin hat nicht nur Öko-Dämmstoffe hoffähig gemacht. Sie ist auch ein Vorbild für andere Unternehmen, weil sie Ökologie und Ökonomie erfolgreich in Einklang gebracht, gesundes Bauen gefördert und regionale Wirtschaftskreisläufe wiederbelebt hat.“
 
Ein mühsamer Weg gegen Widerstände und Desinteresse
 
Doch bis die Hanf-Produkte auf dem Markt und unter Fachleuten anerkannt waren, habe Carmen Hock-Heyl einen mühsamen Weg gegen Widerstände und Desinteresse gehen müssen. Sie habe den gesamten Prozess von der Aussaat des Hanf über die Produktion der Dämmmatten bis zum Recycling komplett neu aufgebaut, viel Geld investiert und in Politik und Verbänden viel Überzeugungsarbeit geleistet. Seit 2003 produziere ihr Unternehmen die Dämmmatten selbst, 2005 sei der Firmensitz – heute mit rund 70 Mitarbeitern – von Stutensee bei Karlsruhe nach Nördlingen verlegt worden. Seit 2006 seien „Thermo-Hanf“-Produkte auf dem EU-Markt. Mit „Thermo-Hanf Premium“ sei die Firma Hock als mittelständisches Unternehmen Marktführer für Naturfaserdämmstoffe aus Hanf.
 
„Hanf als Baustoff fürs Haus hartnäckig hoffähig gemacht“
 
Das neueste Produkt des Unternehmens, „Thermo-Hanf Plus“, sei vollständig biologisch abbaubar und werde von der Firma beim Abriss eines Hauses auch kostenlos zurückgenommen. Anstelle von im Brandfall giftigen Chemikalien als Flammschutzmittel verwende Hock für alle Produkte natürlich vorkommende Alternativen. Auch für den Handwerker und Verbraucher biete Thermo-Hanf viele Vorteile, weil er leicht, staubarm und hautverträglich zu verarbeiten sei und für ein gesundes und angenehmes Wohnklima sorge. Brickwedde ist sicher: „Carmen Hock-Heyls Ziel war es immer, etwas für den nachhaltigen Klimaschutz zu tun und das Bauen mit Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen – insbesondere Hanf – weiter zu etablieren. Mit ihrem Mut ist es ihr gelungen, aus Visionen Realität zu formen: Sie hat den Hanf als Baustoff fürs Haus hartnäckig hoffähig gemacht.“
 
UrsulaSladek - Visionärin einer zukunftsfähigen Energieversorgung
 
Zur Preisträgerin Ursula Sladek sagt Brickwedde, diese habe früh erkannt, dass die Energieversorgung nur gemeinsam mit den Bürgern und Gemeinden ökologisiert werden könne. Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 habe sie eine Bürgerinitiative mit ins Leben gerufen, die sich für die Vision einer sicheren, wirksamen und zukunftsfähigen Energieversorgung eingesetzt habe und aus der 1994 der Ökostromanbieter EWS hervorging.
 
Ursula Sladek habe mit ihren Mitstreitern und den EWS viele Hürden gemeistert, die der damalige Stromanbieter für die Netz-Übernahme aufgebaut habe. Dabei habe sie sich auch nicht von überhöhten Verkaufspreisen einschüchtern lassen. Ihrem Mut und ihrer Tatkraft sei es mit zu verdanken, dass die EWS 1997 das Schönauer Stromnetz übernehmen konnten. Frau Sladek habe gezeigt, dass die Beteiligung der Bürger ein maßgeblicher Faktor für ein Umsteuern in der Energiepolitik und für den Klimaschutz sei. Denn durch das Einbeziehen der Einwohner Schönaus als Stromkunden in die Arbeit der EWS und eine transparente Unternehmenspolitik habe sie „Vertrauen geschaffen, zum Handeln motiviert und einen ökologischen Wandel ermöglicht“.
 
Bürger können die Energiewende gemeinsam vorantreiben
 
Die Bedeutung von Ursula Sladeks energiewirtschaftlichem Engagement für eine nachhaltige Energieversorgung in Deutschland sei herausragend. Bereits 1999, ein Jahr nach der Liberalisierung des Strommarkts, hätten sie und ihr Team in Schönau mit dem bundesweiten Stromvertrieb begonnen. Mit der Gründung der Genossenschaft Netzkauf EWS 2009 hätten die EWS auch der ökologisch motivierten Genossenschaftsbewegung in Deutschland neuen Auftrieb gegeben. Viele Städte und Gemeinden hätten sich an dem Bürgerbeteiligungs-Modell Schönau inzwischen orientiert und setzten sich auf unterschiedliche Weise für die Energiewende ein. Sladek habe sich zusammen mit den Bürgern gegen ein Groß-Energieversorgungsunternehmen durchsetzen und einen ökologischen Wandel bewirken können. Das mache die "Stromrebellin" zu einem gesellschaftlichen Vorbild. Sie habe bewiesen, dass Bürger, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, die Energiewende gemeinsam vorantreiben könnten.
 
Nachdem Ursula Sladek von der anstehenden Preisverleihung erfuhr, erinnerte sich: „Das war ein langer Kampf: Sieben Jahre, zwei Bürgerentscheide und einen langen Gerichtsprozess mussten wir durchstehen – aber 1997 war es dann so weit: Das Stromnetz war in Bürgerhand. Heute hat sich unser Netzgebiet vervielfacht, wir sind mit rund 140.000 Kunden einer der großen bundesweiten Ökostromanbieter, wir finanzieren natürlich weiterhin Erneuerbare Energien mit Bürgern vor Ort und unterstützen lokale Netzkauf-Initiativen in ganz Deutschland.”
 
Ursula Sladek und die EWS gratulierten auch ganz herzlich der zweiten Preisträgerin des Deutschen Umweltpreises: „Es ist mir eine wahre Freude und Ehre, gemeinsam mit der erfolgreichen Erfinderin, nimmermüden Vorkämpferin für ökologische Bauprodukte und engagierten Unternehmerin Carmen Hock-Heyl den diesjährigen Umweltpreis zu erhalten.”
 
Bundespräsident Joachim Gauck wird die Auszeichnungen am 27. Oktober in Osnabrück überreichen. Das Preisgeld von 500.000 EUR wird unter den beiden Preisträgerinnen geteilt. Ursula Sladek will ihren Anteil im Wesentlichen für den Ausbau dezentraler genossenschaftlicher Strukturen verwenden, damit weitere Strom- und Gasnetze in Bürgerhand gelangen. Ihre egründung: „So kann das Geld auch eine große gesellschaftspolitische Wirkung entfalten.” (PK)
 
 
Über die "Stromrebellin" Ursula Sladek und das EWS finden Sie folgende Artikel in der NRhZ:
NRhZ 103 „Ich bin ein Störfall“
NRhZ 299 "Grüner Nobelpreis" für "Stromrebellin"
NRhZ 330 EWS Schönau denkt an Klage
NRhZ 400 Ansteckender Erfolg der EWS Schönau


Online-Flyer Nr. 419  vom 14.08.2013

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