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Kommentar
Das angebliche Recht des deutschen Volkes auf demokratische Selbstbestimmung
NSA nur die Spitze eines Eisbergs
Von Hans Fricke

So wenig in den bundesdeutschen Geschichtsbüchern über die unrühmliche Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes zu finden ist, so wenig weiß die deutsche Öffentlichkeit von den Fesseln, die der Bundesrepublik sowohl bei ihrer Gründung im Jahr 1949 als auch bei der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands im Jahr 1990 von den USA angelegt worden sind. Deshalb scheint es im Hinblick auf die Empörung über die Bespitzelung Deutschlands durch den US-Geheimdienst NSA geboten, über die angebliche Souveränität der BRD und das Recht des deutschen Volkes auf demokratische Selbstbestimmung zu reden, zumal sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger die Frage stellen, welche Gründe es für die kaum noch zu überbietende schonende Zurückhaltung der Bundesregierung gegenüber der weitweiten Kriegspolitik, den hinreichend bekannten Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen der USA sowie ihrer permanenten Missachtung internationalen Rechts gibt, und woher die schon peinlich wirkendeVasallentreue von Bundeskanzlerin Angela Merkei gegenüber der aggressiven US-Politik auch unter Obama kommt.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de
 
Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt: Egal, welche friedensgefährdenden Pläne in Washington auch geboren werden, ihre Urheber können sicher sein, bei der deutschen Bundesregierung eine willfährige Unterstützung zu finden. Dass Entscheidungen der US-Regierungen, die nachweislich nationalen deutschen Interessen schaden, weder von verantwortlichen Politikern noch von Massenmedien der BRD thematisiert werden, hat gewichtige Gründe, über die die Bevölkerung seit Jahrzehnten in Unwissenheit gehalten wird.
 
Generalmajor a.D. Gert-Helmut Komossa gibt in seinem 2007 in Österreich erschienenen Buch ,,Die deutsche Karte - Das versteckte Spiel der geheimen Dienste - Ein Amtschef des MAD berichtet", Ares Verlag 2007, dazu aufschlussreiche Informationen, die erklären können, wanum deutsche Politiker so USA-hörig sind und weshalb über manche Sachverhalte und Zusammenhänge in den Medien stengstes Stillschweigen herrscht.
 
Als Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) von 1977 bis 1980 und späterer Kommandeur der 12. Panzerdivision gewährt Komossa einen erhellenden Blick hinter die Kulissen der Geheimpolitik und lässt den Leser von Sachverhalten wissen, von denen er eigentlich nichts wissen sollte. Er schreibt dazu auf Seite 21 seines Buches: ,,Der Geheime Staatsvertrag vom 21 .Mai 1949 wurde vom Bundesnachrichtendienst unter 'Strengste Vertraulichkeit' eingestuft. In ihm wurden grundlegende Vorbehalte der Sieger für die
Souveränität der Bundesrepublik bis zum Jahr 2099 festgeschrieben, was heute wohl kaum jemand bewusst sein dürfte. Danach wurde einmal der 'Medienvorbehalt der alliierten Mächte über deutsche Zeitungs- und Rundfunkmedien' bis zum Jahr2099 fixiert. Zum anderen wurde geregelt, dass jeder Bundeskanzler Deutschlands vor Ablegung des Amtseides die sogenannte 'Kanzlerakte' zu unterschreiben hatte. Darüber hinaus bleiben die Goldreserven der Bundesrepublik durch die Alliierten gepfändet. "
 
Der Wirtschaftsjournalist Michael Mross schrieb dazu am 23.10.2012: "Trotz des Buches von Komossa galt die 'Kanzlerakte' immer noch als Hirngespinst von irgendwelchen Verschwörungstheorien. Was dabei aber völlig ignoriert wurde, ist die Tatsache, dass selbst das Wochenmagazin Zeit in einem ausführlichen Artikel darüber berichtete. Es ging dabei um die Tatsache, dass alle Bundeskanzler einen geheimen Unterwerfungsbrief unterschreiben müssen."
 
Auch nach Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands handelt es sich um eine begrenzte Souveränität der Bundesrepublik. Deshalb entspricht auch der Wortlaut des Artikels 7 (2) des sogenannten 2 + 4-Vertrages: "Das vereinte Deutschland hat demgemäß seine volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten" weder der Rechtslage noch der Realitat. Ein solcher beruhigender Wortlaut bedeutet für den normalverständigen Bürger, das keinerlei Regelungen des früheren Besatzungsrechts mehr fortgelten können, die sich aus dem Überleitungsvertrag in der Fassung vom 23.10.1954 ergeben. Dem ist aber nicht so, weil dieser Überleitungsvertrag und damit grundsätzliche Bestimmungen des Besatzungsrechts gemäß 2 + 4-Vertrag in seinen grundsätzlichen Bestimmungen weiter, und das im weitesten Umfang, fortgelten.
 
In seinem Buch ,,Besatzungsrecht im wiedervereinigten Deutschland", Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, hat der Jurist Dr. Michael Rensmann herausgearbeitet, inwieweit die westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkrieges nach wie vor wichtige Sonderrechte in Deutschland genießen. 1996 hatte das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung aufgefordert, den Restbestand des Besatzungsrechts zu tilgen, ohne dass es geschah. Auch Professor Dr. James Shirley hatte im Hearst-Verlag in New York von der geheimem Kanzlerakte und dem Geheimem Staatsvertrag neben dem Grundgesetz berichtet. Vor dem Hintergrund dieser Sachverhalte dürfte auch klar sein, warum Deutschland nach Kriegsende noch immer keinen Friedensvertrag hat, völkerrechtlich nach wie vor "Feindstaat" ist und der bestehende Waffenstillstandsvertrag es den Alliierten jederzeit ermöglicht, wieder in Deutschland einzumarschieren.
 
Entgegen allen Sonntagsreden von Politikern und feierlichen Erklärungen der Bundesregierung ist die BRD auch heute nicht souverän und noch immer das, was sie nach dem Willen der Siegermächte seit ihrer Gründung sein sollte: Ein besatzungsrechtliches Provisorium. Und dass das so ist, haben uns die USA in Gestalt ihres Geheimdienstes NSA nun deutlich spüren lassen.
 
Anstatt nach Bekanntwerden der Ausforschung bis in die Bundesregierung lauthals Empörung zu äußern, sollten die Politisch Verantwortlichen unseres Landes darüber nachdenken, ob die USA mit ihrer Bespitzelung Deutschlands nicht nur ihr vertragliches Recht als Siegermacht des Zweiten Weltkrieges ausübt und welchen Anteil die unterwürfige Politik der BRD gegenüber den USA von Adenauer bis Merkel daran hat, dass so etwas fast sieben Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg möglich ist.
 
Vor diesem Hintergrund scheint mir die Unterstellung des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom l.7.2013, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe von der Überwachung der Deutschen gewusst, durchaus nachvollziehbar. ,,Die Reaktion der Kanzlerin lässt den Verdacht zu, dass ihr die Ausspähung...zumindest dem Grunde nach durchaus bekannt" war.
 
Gabriel fordert Merkel auf, nun zu ,,sagen, ob sie davon gewusst und es geduldet hat." Es ist hoch an der Zeit, der Bevölkerung unseres Landes endlich reinen Wein über die angebliche Souveränität der Bundesrepublik einzuschenken, wozu vor allem eine ehrliche Antwort auf die Fragen: Was steht im Geheimen Staatsvertrag und was in der Kanzlerakte gehört.
 
Es liegt der Verdacht nahe, dass ehrliche Antworten auf beide Fragen und damit
zusammenhängende Sachverhalte zeigen würden, dass es sich bei der Ausforschung des US-Geheimdienstes NSA nur um die Spitze des Eisberges handelt. (PK)
 
Siehe dazu auch: Hans Fricke, ,,Eine feine Gesellschaft - Jubiläumsjahre und ihre Tücken" 1949 - 2010, GNN-V erlag, ISBB 89819-341-2, Seiten 30 - 37


Online-Flyer Nr. 416  vom 24.07.2013

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