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Kommentar
Philipp Mißfelder - "unser" Schattenmann für israelische Interessen
Und eine Karikatur in der SZ
Von Evelyn Hecht-Galinski

Im September 2012 verlangte die "außenpolitische Gefahr", nämlich der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU im deutschen Bundestag in einem Gastbeitrag für die Jüdische Allgemeine "Hisbollah auf die Terrorliste". Zum 65. Geburtstag Israels, am 14. Mai, verwies er nochmals auf den Zusammenhang von Israels Existenzrecht und der deutschen Staatsräson für Israels Sicherheit. Das kleidetet er in Sätze wie Dum-Dum-Geschosse: "Frieden im Nahen Osten ist nur dann möglich wenn Israels Existenzrecht von allen Seiten anerkannt wird, Unsere Freundschaft mit dem israelischen Volk ist unerschütterlich, Frieden im Nahen Osten braucht einen tiefen Frieden mit Israel". Philipp Mißfelder stellte auch eine mögliche atomare Bewaffnung der Lieferung der U-Boote an Israel nicht in Frage: "die endgültige Entscheidung, wie die U-Boote ausgestattet werden, trifft nicht die Bundesregierung, sondern allein die israelische Regierung. Das haben wir zu respektieren." Haben wir das wirklich, Herr Mißfelder?
 

Philipp Mißfelder hat den Arabischen
Frühling nie als etwas Positives bezeichnet
NRhZ-Archiv
Welche Entscheidungen trifft die deutsche Regierung überhaupt noch selbständig? Bei Ihnen allerdings, Philipp Mißfelder, glaube ich noch, dass Sie Ihre Entscheidungen aus Überzeugung treffen. Ihre unerträglichen Äußerungen lassen darauf schließen! Überall sehen Sie Gefahren für das deutsch/israelische Verhältnis. Vor kurzem waren es die Grünen, die eine Anfrage stellten, in der es um die Falsch-Etikettierung israelischer Waren ging. Sie witterten natürlich sofort Boykott-Aufrufe und verlangten von den Grünen, sich öffentlich davon zu distanzieren.
 
Am Donnerstag, dem 4. Juli, gab es einen Höhepunkt bei Mißfelders sprachlichen Entgleisungen,. Es war ein Interview, live aus den USA, wo er gerade weilte, das tiefe Einblicke in die sprachlichen Missgriffe seiner Aussagen gab. Der Moderator des DLF fragte Mißfelder über den Putsch gegen Mursi in Ägypten. Mißfelder wand sich wie eine Schlange und empfand dann doch, dass Mursi Ägypten nie in eine demokratische Richtung geführt hätte. Er, Mißfelder hätte, im Gegensatz zu anderen, den Arabischen Frühling nie als etwas Positives bezeichnet. Nachdem er die Gefahr des politischen Islam für die Region geschildert hatte, kam er sofort auf sein Lieblingsthema, die Grundlinien der deutschen Außenpolitik, "unserer Bekenntnis zum jüdischen Staat Israel", für den sich Ägypten mehr und mehr von einer Herausforderung zu einer Gefahr entwickelt habe. Es kam aber noch viel "mißfeldiger": Er schilderte seine Eindrücke von Mursi während dessen Berlin-Besuch: "Ich hatte den Eindruck, dass es sich um einen radikalen, gefährlichen Antisemiten bei ihm handelt, der vorsätzlich gegen Israel Hetze betreibt, der Juden als Affen bezeichnet hat". Er, Mißfelder, habe Mursi persönlich zur Rede gestellt, aber dieser rückte nicht davon zurück und suchte "Ausflüchte".
 
Mißfelder stellte auch fest, dass man daraufhin Mursi, diesem "antisemitschen Extremisten", mit seiner "Juden-Hetze" natürlich den "Schuldenschnitt" verweigert habe. Weiter beklagte er, dass die "Weltoffenheit die Ägypten unter Mubarak ausgestrahlt hatte, zurückkehren muss". Es sehe inzwischen ja ganz so aus, als ob diese "Weltoffenheit" wieder zurückkehren würde, wenn die alten Strukturen wieder die Macht übernehmen und die Wirtschaftskraft in ihrem Sinne "stärken" würden. Wo seien letztendlich die "Mubarak-Milliarden" geblieben, die sicher der ägyptischen Wirtschaft und auch dem Volk gut tun würden?
 
Erschreckend in diesem Zusammenhang ist, dass die deutsche Außenpolitik von sogenannten dynamisch philosemitschen, eloquenten Jung-Politkern vertreten wird. Mißfelder distanzierte sich schon im Libyen-Konflikt von Außenminister Westerwelle und sprach sich auch im Gegensatz zu diesem für Waffenlieferungen des Westens an die syrischen Rebellen aus.
 
Auch sprach er sich schon immer klar gegen einen Beitritt der Türkei in die EU aus und wollte die Wehrpflicht zu einer Allgemeinen Dienstpflicht für Männer ausweiten. Wie gut passen doch der deutsch-jüdische "Stahlhelm Patriot" Wolffsohn und der der philosemitsche Israel-Versteher Mißfelder zusammen. Ich sehe, um in Mißfelders Jargon zu bleiben, in ihm eine "Gefahr für die Außenpolitik"!


Wen küsst Merkel eigentlich nicht? Sogar Mursi.
NRhZ-Archiv
 
Interessanterweise sah ich auch in der NRhZ und anderen Zeitungen ein Foto von Mißfelders Chefin Merkel, wie sie den "gefährlichen Antisemiten Mursi" während dessen letzten Berlin-Besuches auf die Wangen küsst, bzw. freundlich dazu ansetzt. Das allein hat zwar keine große Aussagekraft, denn wen küsst Merkel eigentlich nicht? Ist aber nicht endlich zu hinterfragen, warum immer alles mit Israel zu tun haben muss? Warum muss sich fast jeder Artikel über Außenpolitik mit Israel und seinen Bedenken beschäftigen? Warum hört man schon wieder auf die israelischen Bedenken zum neuen iranischen Hassan Rohani? Gerade war der israelische Geheimdienstminister Yuval Steinitz in Berlin und hatte eine klare Botschaft im Gepäck. Sanktionen gegen den Iran müssten verstärkt werden, und die glaubwürdige militärische Option müsse erhalten bleiben.
 
Das sind die bekannten Töne, die immer wieder von unseren "israelischen Wertefreunden" kommen. Sanktionen selbstverständlich immer gern, aber immer nur gegen andere, niemals gegen den "jüdischen Staat". Alles im Namen von Terror- und Antisemitismus/Antzionismus- Bekämpfung! Haben sich die deutschen "Staatsräson-Verfechter für die israelische Sicherheit" eigentlich einmal überlegt, wie diese denn aussähe, wenn die israelischen "Freunde" Iran angreifen, in Syrien eingreifen, den Libanon angreifen oder gar in Ägypten für "demokratische Ruhe" sorgen würden?
 
Das können und wollen wir uns nicht vorstellen, aber wir konnten uns vorstellen, wie NSA, Prism und Tempora oder unsere anderen "verbündeten Freunde" uns anzapfen und ausspionieren, die Abhörer und Einflüsterer. Aber wunderten wir uns über die zaghaften Versuche unserer Regierenden zur Klärung? Jetzt kommt immer neues Material, wie auch gerade im neuen Spiegel, über die wunderbare Zusammenarbeit von BND und NSA. Snowden sei Dank! Ich hoffe sehr, dass er endlich in ein sicheres Asyl-Land ausreisen kann. Er müsste einen Preis bekommen.
 
Da muss ich kurz abschweifen: keinen Orden // Friedenspreis der Stadt Osnabrück, verdienen "Männer von gestern" wie Avi Primor und Abdallah Frangi. Sie erinnern sich, der eine ein ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland, der immer so viel über den Frieden erzählte und der andere, der "Berater" vom Präsidenten ohne Mandat (Abbas, der übrigens den "Putsch in Ägypten" sofort begrüßte! Wie wäre es denn vielleicht mit einem Putsch im besetzten Westjordanland?), der immer noch die Fata Morgana der Zweistaaten- Lösung verkaufen will. Diese beiden Männer der jeweiligen "Lobbys" werden also ausgezeichnet mit dem Osnabrücker Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis (Nicht von der Remarque-Gesellschaft selbst!), und dotiert wird dieser Preis mit 25.000 Euro. Wie der Jury-Vorsitzende, der Osnabrücker Universitätspräsident Claus Rollinger, ausführte, will man dazu beitragen, dass der Konflikt im Nahen Ostern nicht in Vergessenheit gerät. Die Jury ehrt Primor und Frangi, die in weltpolitischer Hinsicht für Hoffnung stehen sollen.
 
Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt, aber verkauft sich gut! Schön gedacht, Herr Rollinger, wenn man zwei Männer von gestern auszeichnet, die nichts zum nachhaltigen Friedensprozeß beigetragen haben, sondern nur "Schönschwätzer" ihrer jeweiligen Interessengruppen darstellen. Außerdem erhält die Organisation "Exit" (hilft Aussteigern neue Perspektiven außerhalb der rechtsextremen Szene zu finden!) von Ex-Kriminaloberrat Bernd Wagner und Ex-Naziführer Ingo Hasselbach einen Sonderpreis.

Karikatur in der Süddeutschen Zeitung
Quelle: Der Spiegel
 
Übrigens wird die Laudatio für die beiden Remarque-Friedenspreisträger von Franziska Augstein gehalten, die gerade von der Israel-Lobby massiv angegriffen wurde, wegen einer Karikatur, die sie als verantwortliche Redakteurin zu einer Rezension von Heikko Flottau über zwei Bücher (von Peter Beinart und Werner Sonne) in die Süddeutsche gesetzt hatte. Das American Jewish Committee Berlin hatte sogar Beschwerde beim deutschen Presserat eingelegt. der Nebbich-Pornoverfasser Broder hatte seinen "Gift-Senf" dazu in der Welt versprüht, und das WC Los Angeles protestiert auch schon wieder, obwohl sich SZ- Chefredakteur Klaus Kister doch sofort nach den Angriffen distanziert und entschuldigt hatte. Es war übrigens eine Karikatur zum Buch über den gefräßigen "Moloch Israel" von Peter Beinart. (1) Und das in der Süddeutschen, die doch immer so schöne Außenansichten veröffentlicht! Warum protestieren das Jewish Committee in Berlin, das WC Los Angeles und die anderen üblichen Protagonisten nicht einmal gegen den täglichen Rassismus im jüdischen Staat gegen besetzte Palästinenser und palästinensisch/israelische Bürger zweiter und dritter Klasse?
Es bleibt immer spannend im sommerlichen Vorwahlkampfland Deutschland mit den vielen neuen unnötigen Parteien, über die noch viel zu berichten sein wird. Da geht mir der Stoff, aus dem die Träume sind, nicht aus. (PK)
 
(1) http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/antisemitismus-vorwurf-sueddeutsche-nennt-veroeffentlichung-fehler-a-909299.html

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2172095/
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/interview-zeit-merkel-nsa
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article117740948/Berechtigtes-Misstrauen.html
http://www.focus.de/politik/gastkolumnen/wolffsohn/judenhass-im-koran-die-wahrheit-ueber-mursis-schweine-zitat_aid_1031472.html

Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin, Autorin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Mann Benjamin Hecht lebt.
2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. 
 


Online-Flyer Nr. 414  vom 10.07.2013

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