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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Inland
Weiter freie Fahrt für Lobbyisten – rote Ampel für Transparenz und Demokratie
Schwarz-Gelb versagt beim Lobbyismus
Von Christina Deckwirth

Am vergangenen Mittwoch hat LobbyControl seinen „Lobbyreport 2013“ in Berlin der Presse vorgestellt. Die Bilanz der schwarz-gelben Politik im Bereich Lobbyismus fällt ziemlich negativ aus: Während der letzten vier Jahre sorgten problematische Lobbyfälle immer wieder für Schlagzeilen, etwa die Mövenpick-Spende oder der anstehende Seitenwechsel des Staatsministers Eckart von Klaeden zu Daimler. Trotzdem hat die Koalition Reformen für mehr Transparenz und zur Begrenzung von Lobbyeinflüssen abgelehnt. Unter Schwarz-Gelb hatten Lobbyisten freie Fahrt. Für Transparenz und Demokratie steht die Ampel dagegen auf Rot.
 

CDU-Mann Eckart von Klaeden -
der amtierende Staatsminister im
Bundeskanzleramt soll Ende 2013
neuer Cheflobbyist der Daimler
AG werden
Quelle: wikipedia
In den fünf untersuchten Handlungs-feldern – Transparenz, Seitenwechsel von Spitzenpolitikern, Parteienfinanzie- rung, Nebeneinkünfte und Abgeordneten-korruption – hat es lediglich bei den Nebeneinkünften eine Verbesserung gegeben. In der Debatte um die Nebeneinkünfte des SPD-Kanzler-kandidaten Steinbrück kam auch Schwarz-Gelb unter Druck, weil sie jahrelang Regeln für mehr Transparenz verschleppt hatte. Aber auch hier weigerten sich Union und FDP, für vollständige Transparenz zu sorgen.
 
Schwarz-Gelb: Ein wahres Trauerspiel
 
In allen anderen Bereichen ist die schwarz-gelbe Politik zur Eindämmung von Lobbyismus ein wahres Trauerspiel. Transparenzpflichten für Lobbyisten gibt es nicht. Seitenwechsel von Regierungsmitgliedern bleiben ungeregelt – selbst acht Jahre nach dem kontroversen Wechsel von Gerhard Schröder zu Gazprom. Das Parteisponsoring ist weiterhin völlig intransparent. In der Sponsoringaffäre um den Ex-NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers haben selbst Merkel und Lammert Änderungsbedarf erkannt. Trotzdem haben auch sie alle Initiativen für mehr Transparenz blockiert.
 
Die Affären der letzten Jahre zeigen, dass Lobbyismus ein reales Problem ist und die bestehenden Regeln nicht ausreichen. Bei der Lobbyregulierung hat Deutschland nicht Schritt gehalten mit der rasanten Entwicklung des Lobbyismus – hier besteht dringender Nachholbedarf.
 
Problem Lobbyismus endlich ernst nehmen!
 
Deutschland steht dafür auch international in der Kritik. Seit der Wahl 2009 sei Deutschland auf dem Weg zur Umsetzung der UN-Konvention gegen Korruption keinen Millimeter vorangekommen. Die Forderungen des Europarats nach mehr Transparenz und Kontrolle bei den Parteifinanzen ignorieren Union und FDP. Im Ausland fordert Merkel gern gute Regierungsführung ein, in Deutschland blockiert ihre Regierung und ihre Partei die nötigen Reformen.
 
Die nächste Bundesregierung muss zeigen, dass sie das Problem Lobbyismus ernst nimmt und entsprechend handelt. Die Vorschläge dafür liegen alle auf dem Tisch: Mehr Transparenz und Schranken für Lobbyisten sind notwendig für eine lebendige Demokratie. Lobbyregulierung ist eine drängende gesellschaftliche Zukunftsaufgabe. Im Wahlkampf müssen alle Parteien Farbe bekennen und erklären, ob sie gewillt sind, in einer neuen Regierung gegen Intransparenz und Verflechtungen vorzugehen.
 
Zusammenfassung des Lobbyreports 2013
 
Unser Lobbyreport bilanziert die Entwicklungen im Bereich Lobbyismus in den Regierungsjahren 2009 bis 2013. In ausgewählten Bereichen haben wir Problemfälle der letzten Jahre und die politische Debatte über Lobbyregulierung untersucht. Wir zeigen auf, wo in Deutschland Nachholbedarf bei der Regulierung von Lobbyismus besteht und welche Vorschläge blockiert wurden. Unser Lobbyreport bildet einen Auftakt: Auch die Initiativen oder Blockaden der nächsten Bundesregierung im Bereich Lobbyismus werden wir in ähnlicher Form auswerten.
 
Lobbyregulierung als gesellschaftliche Zukunftsaufgabe
 
Lobbyismus und Lobbyverflechtungen in Deutschland sind ein großes Problem: Das zeigen sowohl die zahlreichen Affären der letzten Jahre (u. a. Mövenpick-Spende, Steinbrücks Vortragstätigkeiten, von Klaedens Seitenwechsel) als auch die hohe Zahl an intransparenten Parteispenden, Nebeneinkünften und Seitenwechsel-Fällen.
 
Politische Entscheidungen werden zunehmend durch personelle und finanzielle Verflechtungen und von finanzstarken Lobbygruppen geprägt. Zugleich spiegelt Lobbyismus bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten wider. Benachteiligt sind dann vor allem diejenigen, die über weniger Ressourcen und Zugänge verfügen.
 
Die Regulierung von Lobbyismus hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Das betrifft sowohl die Offenlegungspflichten bei der Parteienfinanzierung und bei Nebeneinkünften als auch Schranken bei Seitenwechseln und ein wirkungsvolles Gesetz zur Abgeordnetenkorruption. Gravierende Regelungslücken tragen dazu bei, dass viele Verflechtungen im Verborgenen bleiben oder nicht kontrolliert werden können. Auch die Auflagen zur Registrierung von Lobbyisten sind völlig veraltet (Stichwort Verbändeliste).

Trotz Nachholbedarf bei der Regulierung von Lobbyismus hat die schwarz-gelbe Koalition Probleme ignoriert, Lösungsvorschläge blockiert und keine eigenen Ansätze vorgelegt. Affären blieben weitgehend folgenlos. Nur in einem der von uns untersuchten Themen – den Nebeneinkünften – gab es in der laufenden Legislaturperiode kleine Verbesserungen (zu den Themen siehe unten).
 
Auch international steht die Bundesregierung in der Kritik: Sowohl bei der Parteienfinanzierung als auch bei der Abgeordnetenbestechung hat Deutschland den Rat der Staatengruppen gegen Korruption (GRECO) weitgehend ignoriert. In beiden Bereichen hat GRECO mittlerweile die zweite Stufe seines Mahnverfahrens eingeleitet.
 
Eine neue Bundesregierung muss zeigen, dass sie das Problem Lobbyismus wirklich ernst nimmt. Schranken für und Kontrolle der Lobbyisten sind eine Voraussetzung für eine lebendige Demokratie. Lobbyregulierung ist damit eine weiterhin offene gesellschaftliche Zukunftsaufgabe.
 
Schlechtes Zeugnis für die Bundesregierung betr. Lobbytransparenz:
 
Seien es verdeckte Lobbykampagnen oder Lobbyauseinandersetzungen um konkrete Gesetze – wer in Deutschland mit welchen Summen und welchen Auftraggebern politische Prozesse beeinflusst, bleibt häufig unsichtbar. Denn in Deutschland gibt es keine angemessenen Auflagen für Lobbytransparenz. Trotzdem hat Schwarz-Gelb alle Bemühungen zur Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters blockiert. Unsere Bewertung: Im Bereich Lobbytransparenz steht die Ampel auf Rot.
 
Seitenwechsel: In den letzten Jahren gab es zahlreiche problematische Seitenwechsel auf allen Ebenen. Der Fall Eckart von Klaeden sorgte am Ende der Legislaturperiode für Diskussionen über Karenzzeiten. Bis dahin war das Thema Seitenwechsel kaum Gegenstand politischer Debatten. Schwarz-Gelb tat sich auch hier durch Nichtstun hervor. Unsere Bewertung: Im Bereich Seitenwechsel steht die Ampel auf Rot.
 
Parteienfinanzierung: Bedarf und Anlässe, die Parteienfinanzierung in Deutschland zu reformieren, gab es in dieser Legislaturperiode reichlich: die Mövenpick-Spende, die Rent-a-Rüttgers-Affäre und die vielen Fälle, bei denen die Offenlegungspflichten des Parteiengesetzes umgangen wurden. Außerdem kritisierte der Europarat die Praxis der deutschen Parteienfinanzierung. Trotzdem hat Schwarz-Gelb blockiert und keine weiteren Schritte in Richtung mehr Transparenz bei Parteispenden und Parteisponsoring unternommen. Unsere Bewertung: Im Bereich Parteienfinanzierung steht die Ampel auf Rot.
 
Nebeneinkünfte: Nachdem sich jahrelang kaum etwas bewegt hatte, sorgte die öffentliche Aufmerksamkeit im Fall Steinbrück dafür, dass eine Reform der Nebeneinkünfte-Regelung durchgesetzt wurde. Schwarz-Gelb beschloss, dass Nebeneinkünfte nun in erweiterten Stufen offengelegt werden müssen. Von einer vollständigen Transparenz sind die neuen Regeln aber noch weit entfernt. Unsere Bewertung: Im Bereich Nebeneinkünfte steht die Ampel auf Gelb.
 
Abgeordnetenkorruption: Unter den G-20-Staaten sind Deutschland und Japan die einzigen Staaten, die die UN-Konvention gegen Korruption noch nicht umgesetzt haben. Trotz zahlreicher Proteste – selbst aus großen Unternehmen – haben Union und FDP keine klaren Regeln gegen Abgeordnetenbestechung geschaffen. Selbst eine fraktionsübergreifende Initiative, die vom CDU-Rechtspolitiker Siegfried Kauder unterstützt wurde, blockte Schwarz-Gelb ab. Unsere Bewertung: Im Bereich Abgeordnetenkorruption steht die Ampel auf Rot. (PK)
 
Autorin Dr. Christina Deckwirth ist Politikwissenschaftlerin und vertritt LobbyControl in deren Berliner Büro gegenüber Politik und Medien.
 
LobbyControl – Initiative für Transparenz und Demokratie, ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein mit Sitz in Köln, der sich die Aufklärung über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU zum Ziel gesetzt hat. Dabei möchte er Anregungen liefern für Transparenz in der Politik, eine demokratische Kontrolle und Schranken der Einflussnahme von Interessenverbänden auf Politik und Öffentlichkeit.
kontakt@lobbycontrol.de
 
Den Lobbyreport 2013 finden Sie hier: https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Lobbyreport2013.pdf 
 


Online-Flyer Nr. 413  vom 03.07.2013



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