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Krieg und Frieden
Offener Brief an das ARD/ZDF-Morgenmagazin anläßlich des Anschlags in Boston
Bericht über 1.7 Millionen Tote: Fehlanzeige
Von Ellen Diederich

Das täglich von Montag bis Freitag von ARD und ZDF ausgestrahlte Morgenmagazin (kurz moma) hat am 17. April 2013 u.a. folgende Themen: "Anschlag von Boston: Wer waren die Täter?" und ein Gespräch mit Madeleine Albright, der ehemaligen US-Außenministerin, zu ihrem Buch "Winter in Prag". Das ist Anlaß für Ellen Diederich vom Internationales Frauenfriedensarchiv in Oberhausen, einen offenen Brief zu verfassen, in dem sie die verzerrende Berichterstattung anprangert, in der von den bislang 1.7 Millionen Toten im so genannten "Krieg gegen den Terror" keine Rede ist. - Die Redaktion


aus IPPNW-Report

An das Morgenmagazin
Betrifft: Berichterstattung über das Attentat auf den Marathonlauf in Boston

Alle Nachrichtenkanäle sind voll von der Berichterstattung über das Attentat von gestern. Es ist tragisch und schrecklich, daß so etwas bei einer Sportveranstaltung geschehen kann. Darüber muß berichtet werden.

Eine Studie der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) kommt zu dem Ergebnis, daß seit dem Beginn des „Krieges gegen den Terror“ etwa 1.7 Millionen Zivilisten getötet wurden, über 1.5 Millionen im Irak, 100.000 in Afghanistan, 63.000 in Pakistan. Es waren Menschen, die keine Schuld an den Attentaten vom 11. September 2001 hatten.

„Von einer objektiven und kontinuierlichen Berichterstattung über Kriege kann keine Rede sein. Während Kriege mit sehr hohen Opferzahlen, wie zum Beispiel der seit Jahren andauernde Krieg im Kongo, kaum Beachtung finden, wird über Menschenrechtsverletzungen in Syrien laufend berichtet. In Libyen endete die Berichterstattung praktisch mit der Ermordung Gaddafis, in Bahrein verschwanden Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Tötungen von Demonstranten von der Tagesordnung.

Hintergrundinformationen, historische, geographische, gesellschaftliche und kulturelle Tatsachen werden insbesondere dann nicht zur Verfügung gestellt oder verfälscht, wenn aktuelle politische Ziele dem entgegenstehen.“

IPPNW-Report

Sie finden den Report "Body Count - Opferzahlen nach 10 Jahren Krieg gegen den Terror" unter http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Body_Count_Opferzahlen2012.pdf


aus IPPNW-Report

Ähnliches gilt für das Verhältnis in der Berichterstattung über die Menschen, die im Mittelmeer ertrinken. Wochenlang waren die Nachrichten gefüllt mit der Berichterstattung über das Unglück der Costa Concordia vor Giglio. Bei diesem Unglück starben 32 Menschen. Allein 2011 starben 1.500 Menschen bei der Überfahrt auf Flüchtlingsbooten im Mittelmeer. Nahezu alle Opfer waren AfrikanerInnen.

Mir ist nicht bekannt, daß das Morgenmagazin (oder andere Medien) sich in ähnlicher Breite der Berichterstattung dieser Fakten angenommen hätten.

Wir vermissen diesen Teil der Berichterstattung

Für morgen wurde angekündigt, daß Madeleine Albright über ihre Autobiografie im Morgenmagazin sprechen wird. Am 12. Mai 1996 gab Frau Albright der Journalistin Lesley Stahl ein Interview. Frau Stahl fragte: „Wir haben gehört, daß eine halbe Million Kinder unter 5 Jahren als Folge des Embargos gegen den Irak gestorben sind. Das sind mehr Kinder, als in Hiroshima gestorben sind. Ist das Embargo diesen Preis wert?“ Frau Albright antwortete: „Wir meinen, es ist diesen Preis wert.“ (Das Embargo war vor allem durch Druck der USA eingeführt worden.)

Nichts auf der Welt ist den Tod einer halben Million Kinder wert! Für mich ist es eine der schlimmsten Aussagen nach dem 2. Weltkrieg. (Frau Stahl erhielt den Emmy für dieses Interview.)

Wenn alle Menschen ihre Erfahrungen mit dem 2. Weltkrieg in einer solchen Weise verarbeitet hätten wie Frau Albright, indem sie Kriege, vor allem auch Angriffskriege rechtfertigt und mit darüber entscheidet, daß sie beginnen, stünde kein Stein mehr auf dem anderen.(PK)

Oberhausen, 16.4.2013
Ellen Diederich
Internationales Frauenfriedensarchiv


Online-Flyer Nr. 402  vom 17.04.2013



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