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Inland
IG Metall für Entwicklung einer deutsch-europäischen Kampfdrohne
"Entspanntes Verhältnis" DGB/Bundeswehr
Von Hans Georg

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sucht den Schulterschluss mit der Bundeswehr zu festigen und unterstützt die Transformation der Truppe in eine global agierende Interventions- und Besatzungsarmee. Die jüngsten in diese Richtung zielenden Äußerungen der DGB-Spitze sind Ausdruck historischer Kontinuität. Bereits eine gemeinsame Erklärung des Gewerkschaftsbundes und der Bundeswehr aus dem Jahr 1981 wies den bundesdeutschen Streitkräften eine "unverzichtbare Funktion" für den "demokratischen Staat" zu. Auch sprachen sich die Institutionen - analog zu heute - für "wechselseitiges Vertrauen" und die "Achtung vor dem Auftrag des anderen" aus.
 

DGB-Chef Michael Sommer
NRhZ-Archiv
Schon 1950 legte der DGB ein ambivalentes Verhältnis zur Remilita-risierung der Bundesre-publik an den Tag. Zwar wandte sich die Orga- nisation gegen die "Wiedererrichtung einer selbständigen deut- schen Armee", betonte jedoch zugleich, dass das "deutsche Volk" der "Verteidigung der westlichen Kultur" verpflichtet sei. Seit 1956 organisiert die für die öffentliche Verwaltung zustän- dige Teilgewerkschaft des DGB die Soldaten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr. Die ebenfalls im DGB vertretene Industriegewerkschaft Metall engagiert sich ihrerseits seit geraumer Zeit für Rüstungsexporte und Kriegswaffenproduktion - zuletzt forderten ihre Funktionäre die Entwicklung und den Bau einer deutschen Kampfdrohne.
 
Gemeinsame Werte
 
Wie das Bundesverteidigungsministerium mitteilt, hat Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) in der vergangenen Woche an der Vorstandssitzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin teilgenommen. Zusammen mit DGB-Chef Michael Sommer kündigte der Minister an, eine "gemeinsame Erklärung" von Bundeswehr und Gewerkschaft zu erarbeiten, in der die "gemeinsamen Werte" der beiden Organisationen herausgestellt werden sollten.[1] Sommer forderte seinerseits, die bei Kriegsoperationen im Ausland eingesetzten deutschen Soldaten "anständig auszurüsten und zu schützen" und ihnen gesellschaftliche "Achtung" entgegenzubringen.[2] Weiter erklärte der DGB-Vorsitzende, das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Streitkräften sei "lange Zeit historisch belastet" gewesen; dies treffe jedoch "heute nicht mehr" zu.[3] Bereits im März 2011 hatte Sommer bei einer Rede an der Hamburger Bundeswehr-Universität darauf hingewiesen, dass die Auslandseinsätze des deutschen Militärs "sehr zur Entspannung des Verhältnisses zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr" beigetragen hätten. Mit Blick auf die von der Berliner Führung vehement geforderte militärische Absicherung von Ressourcengebieten in aller Welt ließ das SPD-Mitglied wissen, auch seine Partei wolle eine "sichere Rohstoffversorgung".[4]
 
Gemeinsame Aufgabe
 
Als Vorbild der nun von DGB-Chef Sommer und Verteidigungsminister de Maizière angekündigten "gemeinsamen Erklärung" fungiert erklärtermaßen eine 1981 von Gewerkschaft und Bundeswehr verabschiedete Resolution. Schon darin hieß es, dass die aus einem "historischen Spannungsverhältnis" resultierenden "gegenseitige(n) Vorbehalte" zwischen beiden Institutionen mittlerweile "jeglicher Grundlage" entbehrten: "Im Gegensatz zu langen Epochen der deutschen Geschichte, in der sich bewaffnete Macht und organisierte Arbeitnehmerschaft feindselig gegenüberstanden, betrachten heute Bundeswehr und Gewerkschaften es übereinstimmend als ihre Aufgabe, unseren freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu erhalten und die vom Grundgesetz gewährleistete Freiheit politischer und sozialer Selbstverwirklichung zu schützen." DGB und Militär übernähmen somit eine "unverzichtbare Funktion" für die Existenz des deutschen Gemeinwesens, die es notwendig mache, dass "Staatsführung, Parlament und Gesellschaft der Bundeswehr bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zur Seite stehen": "Wechselseitiges Vertrauen und Achtung vor dem Auftrag des anderen sind deshalb die Voraussetzungen für lebendige und belastbare Beziehungen zwischen der Bundeswehr und den Gewerkschaften."[5]
 
Die Verteidigung des Westens
 
Mit dem sowohl 1981 wie heute bemühten "historisch belasteten Verhältnis" zwischen DGB und Streitkräften spielen beide Institutionen nicht zuletzt auf die von der deutschen Presse jüngst wieder aufgelegte Behauptung an, die Gewerkschaften hätten sich in den 1950er Jahren "gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands gestemmt".[6] Übersehen wird dabei, dass die Haltung des DGB zu der mit tatkräftiger Unterstützung vormaliger NS-Generäle betriebenen Remilitarisierung keineswegs eindeutig war. So sprach sich der Gewerkschaftsbund in seiner Erklärung vom 21. November 1950 zwar "gegen die Wiedererrichtung einer selbstständigen deutschen Armee" aus, zeigte sich jedoch gleichzeitig überzeugt, dass "eine Verteidigung der westlichen Kultur und der persönlichen Freiheit auch an Deutschland Anforderungen stellt, denen sich das deutsche Volk nicht verschließen kann". Gefordert wurden "kollektive Sicherheitsmaßnahmen" - im Einvernehmen "mit der übrigen freien Welt".[7] Ausgehend von einem klaren Bekenntnis zum Antikommunismus forderte auch das DGB-Vorstandsmitglied Hans vom Hoff Anfang 1952 öffentlich die Ausweitung der westdeutschen Kriegswaffenproduktion: "Man kann die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass im Osten in starkem Maße die Aufrüstung vorwärts getrieben wird und der Westen zur Verhinderung von Aggressionen Abwehrmaßnahmen treffen muss. Man kann es auch dem deutschen Volke nicht zumuten, seinerseits mit Abwehrmaßnahmen zu warten, bis etwa durch eine Aggression vollendete Tatsachen geschaffen sind."[8]
 
Ein ganz normaler Arbeitgeber
 
1956 begann die damalige DGB-Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), sowohl die Soldaten als auch die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr in ihren Reihen zu organisieren - eine Vorgehensweise, die 1966 vom damaligen Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU) mit einem offiziellen Erlass abgesegnet wurde. In der Folgezeit warb die ÖTV unter anderem mit Aussagen wie dieser um Mitglieder: "Wie der Soldat dazu da ist, Frieden und Freiheit nach außen zu garantieren, sind die Gewerkschaften in hohem Maße verantwortlich für den sozialen inneren Frieden und die friedliche Entwicklung der Gesellschaft. (...) Daher muss der Soldat zur Gewerkschaft und die Gewerkschaft zum Soldaten enge Verbindung haben."[9] Die ÖTV-Nachfolgerin Verdi hält an dieser Auffassung fest, wie einem auf der Webseite der Organisation bereitgestellten Flugblatt zu entnehmen ist: "Die Aufgabenstellung und Verantwortung der Soldatinnen und Soldaten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr verdient Respekt und Anerkennung."[10] Offensiv bekennt sich Verdi zum Umbau der Bundeswehr zur global agierenden Interventionstruppe und zu den damit einhergehenden Rekrutierungsmaßnahmen. Da eine "einsatzorientierte Armee" nicht nur "charakterfeste", sondern vor allem "gut ausgebildete Menschen" brauche, müsse den Streitkräften "wie allen anderen Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt werden, sich mit Nachwuchswerbung in der Öffentlichkeit zu präsentieren", heißt es.[11]
 
Her mit den Kampfdrohnen!
 
Ähnliche Bekenntnisse sind für die DGB-Gewerkschaft IG Metall verbürgt. Wie der Vorstand der Organisation in einer Studie über den "militärischen Schiffbau" erklärt, sieht er das "neue sicherheitspolitische Umfeld des 21. Jahrhunderts" bestimmt vom "Konzept weltweit mobiler Streitkräfte, die flexibel an wechselnden Schauplätzen für militärische Einsätze zur Verfügung stehen". Gefordert wird sowohl, die "Einsatzfähigkeit" der deutschen Kriegsmarine gegen die "Bedrohung des freien Warenverkehrs" rüstungspolitisch sicherzustellen als auch die "Exportfähigkeit" deutscher Waffen zu gewährleisten (german-foreign-policy.com berichtete [12]). Passend hierzu engagiert sich die IG Metall für die Entwicklung und den Bau einer deutsch-europäischen Kampfdrohne und verlangt entsprechende staatliche Subventionen für die auf diesem Gebiet tätigen Waffenschmieden. Um "im Zukunftsmarkt der unbemannten Flugzeuge künftig eine eigenständige Rolle (zu) spielen", sei es an der Zeit, "eine eigene leistungsfähige Industrie (zu) fördern", heißt es.[13] Immerhin will ja die U.S. Navy laut Telepolis "bis 2025 das erste Kampfdrohnen-Geschwader einsatzbereit haben". [14] (PK)
 
[1] Bundeswehr und Gewerkschaft - gemeinsame Erklärung in Arbeit; www.bmvg.de 05.02.2013
[2] DGB-Chef Sommer: Soldaten haben Schutz und Achtung verdient; dapd 05.02.2013
[3] Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr; dpa 05.02.2013
[4] Rede des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer am 8. März 2011 an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg zum Thema "Die Gewerkschaften und ihr Verhältnis zur Bundeswehr" (Niederschrift); www.hsu-hh.de
[5] Bundeswehr und Gewerkschaften - Gemeinsame Erklärung von Vertretern der Bundeswehr und des DGB (1981). In: Gewerkschaften und Bundeswehr. Das Verhältnis des DGB zum Militär und die Organisierung von Soldaten. Militärpolitik Dokumentation, Heft 23/24, 5. Jg., 1981
[6] Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr; dpa 05.02.2013
[7] Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Wiederbewaffnung v. 21.11.1950. In: Gewerkschaften und Bundeswehr. Das Verhältnis des DGB zum Militär und die Organisierung von Soldaten. Militärpolitik Dokumentation, Heft 23/24, 5. Jg., 1981
[8] zit. n. Wilhelm Trottenberg: Bundeswehr und Gewerkschaften (1945-1966). Ende einer hundertjährigen Feindschaft. Bonner Beiträge zur Politikwissenschaft 5. Münster/Hamburg 1995
[9] ÖTV: Informationen für Soldaten (Januar 1979). In: Gewerkschaften und Bundeswehr. Das Verhältnis des DGB zum Militär und die Organisierung von Soldaten. Militärpolitik Dokumentation, Heft 23/24, 5. Jg., 1981
[10] Verdi steht zu euch und zur Bundeswehr! bund-laender.verdi.de
[11] Verdi und Bundeswehr - das geht doch! Verdi Mainletter 3/2011
[12] s. dazu Deutsche Systemführerschaft und Von nationaler Bedeutung
[13] IG Metall kämpft für Rüstungsprojekt; www.handelsblatt.com 24.11.2011
[14] http://www.heise.de/newsticker/meldung/U-S-Navy-will-bis-2025-das-erste-Kampfdrohnen-Geschwader-einsatzbereit-haben-190717.html
 
 
Diesen Beitrag haben wir bis auf den letzten Satz von gfp übernommen.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58540


Online-Flyer Nr. 394  vom 20.02.2013

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