NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

Fenster schließen

Glossen
Auf Satellit Hotbird die 19 Sendekanäle des Iran gesperrt
Eutelsat-Maulkorb auf US-Befehl
Von Volker Bräutigam

Schon bemerkt? Das Programm Press TV können Sie seit 15. Oktober nicht mehr auf Ihrer Wunderlampe im Wohnzimmer ansehen. Eutelsat SA, drittgrößter Satellitenanbieter weltweit, hat auf seinem Satelliten Hotbird die 19 Kanäle des Iran gesperrt. Press TV können Sie derzeit nur mehr in Schnipseln via Internet empfangen. Wie lange noch? Unsere Regierenden wissen, wie widerstandslos das Abschalten funktioniert.
 

Eutelsat W3 SuperWide
Das US-Imperium wünschte, Teherans TV- und Rundfunksendungen im Ausland abzuwürgen. Jenen die Stimme zu nehmen, die sich eh kaum Gehör verschaffen können. Dazu brauchte es die Mittäterschaft der Europäischen Union. Denn der Iran sendete seine Programme über den Satelliten Hotbird, und der gehört dem europäischen Satellitenbetreiber Eutelsat SA.
 
Washingtons Wünsche sind Europa Befehl, Lakaien folgen aufs Wort. Brüssel nickte ab, und Eutelsat sperrte Irans (englischsprachige) Programme Press TV, al-Alam, Jam-e-Jam 1 und 2, Sahar 1 und 2, Islamic Republic of Iran News Network, Quran TV und das al-Kawthar (arabisch). Betroffen sind weiterhin mehrere iranische Radiosender.
 
Den Herren jenseits des Atlantik hatte missfallen, dass ihr Geschwalle über angebliche iranische Atommachtträume auf reelle Gegeninformation aus Teheran stieß. Eutelsat zog aus reinem Geschäftsinteresse den Stecker: die Amis sind wichtiger als die Mullahs. Profitmache ist der Wesenskern kommerzieller Medien, und die Verblödung des Bürgers politisch willkommener Nebeneffekt der privatisierten Informationswelt. Neben Millionen Zuschauern sind auch ungezählte Medienschaffende, Techniker, und Zulieferer betroffen.
 
Was den Friedensnobelpreisträger in Washington und seine Mischpoke treibt, wissen wir. Eutelsat? Das Unternehmen präsentiert sich selbst in bemerkenswertem Deutsch auf seiner Internetseite: „Eutelsat Communications befindet sich mit seiner Fähigkeit, Menschen weltweit den Informationszugang über Breitbandeinrichtungen zu ermöglichen, am Herzen der digitalen Wirtschaft, dort wo sich Telekommunikation, audiovisuelle Industrie und Raum vereinigen. Die Dienstqualität ist durch die aktive Steuerung der Flotte (29 Satelliten) garantiert. ... Eutelsat betreibt 20 Positionen im geostationären Satellitenorbit, die Europa, den Mittleren Osten, Afrika sowie große Teile Asiens sowie von Nord- und Südamerika abdecken.“
 
Eutelsat SA verbreitet 4250 digitale TV- und 1100 Radio-Programme. Es beliefert 204 Millionen Haushalte weltweit und realisiert sämtliche Funk- und Breitband-Dienste Frankreichs und Italiens im Sendebereich seiner Satelliten. Jahresumsatz 1,22 Milliarden Euro.
 
Wichtigste Führungsfiguren dieser Kommunikationskrake:
 
Jean-Martin Folz. Boss der Bosse, französischer Multimillionär. Vormals Vorstandsvorsitzender des Automobilkonzerns Citroen-Peugeot. 
Michel de Rosen. Französischer Manager. Nebenher Vorstandsvorsitzender diverser Pharmakonzerne, u.a. des Multis Sanofi-Aventis, (Gentechnik), verflochten mit der deutschen Hoechst AG.
Lord John Birt. Einst Direktor der BBC, dann zum Strategieberater des Premierministers Tony Blair verkommen und geadelt. 2004 – Drehtür-Effekt – zurück in die Wirtschaft, Topmanager des Internet-Bezahlsystems PayPal.
Jean-Paul Brillaud. Vormals Vize-Direktor und Investmentchef der France Telecom.
Thomas Devedjian. Ex- Berater des französischen Präsidenten Sarkozy, eingebunden in ein System von Vetternwirtschaft. Vertritt im Eutelsat-Vorstand den Fonds Stratégique d'Investissement (FSI). Ein Hedgefonds – eine Heuschrecke.
Bertrand Mabille. Chef des Konzerns Carlson Wagonlit Travel CWT en France, globaler Individualreiseveranstalter. Realisator der Reise- und Transportbedürfnisse internationaler Firmen und großer „Events“.
Carole Piwnica. Geschäftsführende Direktorin des außerbörslich tätigen Geldhauses NAXOS Capital Partner, einer weiteren „Heuschrecke“.
Olivier Rozenfeld. Begann in New York als Investment-Banker bei Merryll-Lynch, später bei Goldman Sachs verantwortlich für Neuemissionen und „Derivate“ zum Aufschminken faulster Kreditbriefe, mit denen weltweit Betrug begangen wurde.
Meine Aufzählung ist unvollständig, doch darf man von der ganzen Eutelsat-Runde sagen, dass sie mit dem Big Business und mit führenden Politikern in den USA, Großbritannien, Frankreich und Israel eng verbandelt ist. 
 
Solche Figuren entscheiden über unseren Zugang zu Information? Fürwahr, wir Bürger der Europäischen Union leben in herrlichen Zeiten. Demokratisch und frei, freier geht es nicht. Damit wir das recht würdigen, zeigt uns die EU die Unfreiheit andernorts. Es sind ja „nur“ Iraner, denen man den Maulkorb verpasst.
 
Bruch des Völkerrechts
 
Der Vorgang sollte uns alarmieren: Ein Land, das man bereits mit wirtschaftlichen Repressionen überzogen hat und bedroht, es demnächst militärisch fertigzumachen, beraubt man geschickt seiner Mittel, die Weltöffentlichkeit zu informieren und um Solidarität zu bitten. Auf US-Befehl blockieren Europäische Koofmichs und Geldsäcke zugleich unseren Zugang zu Gegeninformationen und damit zu Erkenntnissen. Das verlangt nach Protest. Zensur bleibt Zensur. Noch ist nicht bekannt, ob und von wem Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben wird. Von deutschen Gewerkschaften und Journalistenorganisationen? Die „Reporter ohne Grenzen“, selbsternannte, höchst einäugige, zeitweise vom US State Departement geschmierte Tugendwächter über die Journalistenfreiheit westlicher Prägung? Der Bruch des Völkerrechts vonseiten der EU ist nicht hinzunehmen.
 
Am 6. November hat Russland mit Iran vereinbart, die 19 Programme auf seine Satelliten zu nehmen und weltweit zu verbreiten. Wie schön. Der Hort globaler Informationsfreiheit wechselt seine Adresse. Die US-Außenpolitik produziert einen Rohrkrepierer. Und Westeuropas Sanktionsregime über Iran verpasst sich einen ökonomischen Knieschuss. Das nenne ich ein Happy End. (PK)
 
Diese Glosse haben wir mit freundlicher Genehmigung aus der Politikzeitschrift Ossietzky übernommen.
 


Online-Flyer Nr. 380  vom 14.11.2012



Startseite           nach oben