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Lokales
Kölner Bürgerengagement rettet das Projekt "Sprachförderung in den Kitas"
Programm "Mülheim 2020"
Von Heinz Weinhausen

Schon abgeschrieben waren die vorgesehenen Gelder für das  Strukturförderungsprogamm Mülheim 2020, mit denen in den Kindertagesstätten benachteiligte Kinder besonders gefördert werden sollten. Das Projekt "Sprachförderung in den Kitas" wurde in einem komplizierten offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben, so dass sich im Sommer 2011 niemand darum bewarb. Ein knappes Jahr später schien das Ende besiegelt. Frau Schlich von der Verwaltung teilte am 21. Mai im Veedelsbeirat mit, dass ein erneuter abgewandelter Ausschreibungsantrag von der Bezirksregierung abgelehnt worden sei. Großer Unmut kam darüber in der Sitzung auf, das Projekt schien verloren.


Februar 2010: Besucher der Eröffnungsveranstaltung von Mülheim 2020 zeigten sich skeptisch.
Foto: INA
 
Die Sackgasse hatte die Mülheim 2020-Leiterin Frau Kröger sich selbst geschaffen. Vor zwei Jahren "erfand" die Verwaltung nämlich die Rechtsauffassung, dass bei allen Mülheim 2020-Projekten eine offene, europaweite Ausschreibung erfolgen müsse. Begründet wurde dies damit, dass die Stadt sich sonst schaden könnte. Diesem Dogma folgend wurden komplizierte Ausschreibungen auch für kleine lokale Projekte durchgeführt. Es dauerte, diese auf den Weg zu bringen, und fast alle Projekte im Bildungsbereich und im Sozialen starteten zu spät und dann noch in abgespeckter Form. Einige wie der Bau-Recyclinghof fielen ganz raus. Auf der jüngsten Sitzung des Veedelsbeirats am 20.8. wurde jetzt mitgeteilt, dass das "Kompetenznetzwerk Kreativwirtschaft“ nun auch aufgegeben wurde.
 
Statt der möglichen 40 Millionen Euro werden nach Aussage der Stadt nur noch höchstens 35 Millionen Euro abgerufen. Eigene Schätzungen von Bürgern gehen sogar von nur 30 Millionen aus. Mehrausgaben, sprich Defizite, erwarten die Beamten allerdings bei den Straßenerneuerungs-Projekten - darunter der umstrittene Umbau der Frankfurter Straße. Schon wird daran gestrickt, Mittel dorthin umzuswitchen. Bürgeramtsleiter Oster sucht nach Wegen, wie trotz eng gehaltener Richtlinien Fördergelder zwischen den Handlungsfeldern "wandern" könnten. Kein einziger niedrigschwelliger Arbeitsplatz wurde bisher geschaffen, aber die Straßen sollen glänzen.

Februar 2010: Bei der Eröffnungsveranstaltung zum Mülheim 2020-Programm versicherten die Vertreter der Stadt Köln noch schriftlich, dass alles gelingen werde.
Foto: INA
 
So standen die Chancen natürlich schlecht für die Sprachförderung. Doch ein im Mai eingereichter Bürgerantrag an die Mülheimer Bezirksvertretung zeigte auf, was machbar ist. Demzufolge besteht die Lösung darin, dass überhaupt nicht neu ausgeschrieben werden muss, sondern nach dem § 3 der Vergabeordnung (VOL/A-EG) verfahren wird. Darin heißt es: "Die Auftraggeber können Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb
vergeben, wenn in einem offenen Verfahren keine Angebote abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Bedingungen des Auftrags nicht grundlegend geändert werden."
 
Das Projekt Sprachförderung in Kitas ist von hoher Wichtigkeit für den Anschluss des Viertels an den städtischen Durchschnitt auf dem Gebiet Bildung. Es entspricht verbreiteten Erkenntnissen auf dem Gebiet der Bildungsforschung, welche die Ursachen für die ungenügende Beteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund an weiterführenden Bildungsangeboten insbesondere auf die mangelnde Sprachförderung im Kindesalter zurückführen.
 
Es ist davon auszugehen, dass Träger sich für die Umsetzung gemeldet hätten, wenn sie nicht die Hürde des offenen Verfahrens hätten nehmen müssen Mit der Aufhebung der europaweiten Ausschreibung könnte nun neuer Handlungsspielraum genutzt werden.
 
Die Bekanntmachung des Bürgerantrages war der erste Schritt, die Verwaltung und die Politik zum Nachdenken zu bewegen. Der zweite war ein von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM) in Auftrag gegebener Vermerk zum Vergaberecht beim Mülheim 2020-Programm anhand des Projektes "Neue Arbeit in Mülheim". Klipp und klar zeigte Rechtsanwalt Dr. Ortner auf: "Nach Aufhebung der Ausschreibung könnte die Stadt Köln die Leistung auch im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ausschreiben." Dies lässt sich aber generell auf Projekte im sozialen oder im Bildungsbereich beziehen. Drittens wurde bekannt, dass das von der Stadt Köln in Auftrag gegebene Gutachten einer Düsseldorfer Kanzlei sehr wohl auch die unkomplizierte Verhandlungslösung in der Vergabe als möglich dargestellt hatte.
 
Danach konnte das Dogma weichen, und Bürgeramtsleiter Oster konnte jetzt im Veedelsbeirat mitteilen, dass mittels der Verhandlungslösung für die "Sprachförderung in den Kitas" die Tür sperrangelweit aufstehe. Einige Klippen seien überwunden worden, alles sei auf gutem Wege, und in Kürze könne mit einem Ergebnis gerechnet werden. Immerhin können Kinder nun
doch noch gefördert werden, wenn es auch schmerzt, dass ein Jahr vertrödelt wurde.
 
Interessanterweise zog Rechtsanwalt Ortner bei der "Neuen Arbeit" ein weiteres Fazit: "Eine Ausschreibung der Leistung im offenen Verfahren war unzweckmäßig und rechtlich auch nicht erforderlich." Dies lässt sich auf die Sprachförderung und etliche andere Projekte übertragen. Im Gesetzestext heißt es nämlich: "Ein nicht offenes Verfahren ist zulässig, wenn
die Leistung nach ihrer Eigenart nur von einem beschränkten Kreis von Unternehmen in geeigneter Weise ausgeführt werden kann, besonders wenn außergewöhnliche Eignung (§ 2 EG Absatz 1 Satz 1) erforderlich ist."
 
Die Verwaltung hätte sich also viel Arbeit erspart bei der einfacher gestrickten Verhandlungslösung. Projekte hätten schneller und manche überhaupt starten können. Wo ständen wir heute, wenn der Dogmatismus sich nicht breit gemacht hätte? Köln hätte sehr wohl anders gekonnt, aber es wollte nicht. Weswegen wohl auch jetzt erst im Veedelsbeirat, drei Jahre nach Beginn des Mülheim 2020-Programms, beschlossen wurde, das "Controlling" auszuschreiben. Frühestens kann es nun Anfang 2013 starten. Dies wurde auch im Veedelsbeirat heftig kritisiert. Bürgeramtsleiter Oster gab unumwunden zu, dass das Controlling natürlich an den Anfang einer Programmumsetzung gehörte, die Verwaltung hätte aber andere Prioritäten gesetzt. Armes Mülheim. (PK)


Online-Flyer Nr. 368  vom 22.08.2012



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