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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Globales
US-Regierung bestätigt die Befürchtungen von Julian Assange
WikiLeaks-Gründer braucht politisches Asyl
Von Sally Burch

Die Regierung der USA hat erklärt, dass sie das Asyl nicht anerkenne, das Ecuador dem WikiLeaks-Gründer Julian Assange in seiner Botschaft in London gewährt hat. Eine entsprechende Mitteilung des US-Außenministeriums, die Prensa Latina am 19. August veröffentlichte, bestätigt die Befürchtungen von Assange, dass Schweden schon seit einiger Zeit unter Druck der USA steht, ihn wegen seiner Veröffentlichung von geheimen US-Dokumenten auszuliefern, damit ihm dort der Prozess gemacht werden kann. Assange verurteilte heute in einer öffentlichen Rede auf dem Botschaftsbalkon "die Hexenjagd auf WikiLeaks" und forderte Obama auf, den WikiLeaks-Informanten Bradley Manning frei zu lassen. – Die Redaktion
 

Julian Assange

Quelle: www.geistbraus.de

Als Ecuadors Außenminister Ricardo Paitiño am vergan- genen Donnerstag die Entscheidung seiner Regierung bekanntgab, dem Wikileaks-Gründer Julian Assange politisches Asyl zu gewähren, hat er eine außergewöhnliche Situation geschaffen. Diese Lage spiegelt ohne Zweifel die sich wandelnden Realitäten wider, welche die Welt zurzeit erlebt. Der Anspruch der Länder des Nordens, der Hort der Menschenrechte zu sein, erweist sich als immer fragiler.
 
Es ist allgemein bekannt, dass der durch die US-Regierung von
George W. Bush lancierte "Krieg gegen den Terrorismus" in den USA zu einer fortschreitenden Zersetzung der Bürgerrechte geführt hat, die großenteils von der Obama-Regierung weitergeführt wird. Schon deswegen ist es mehr als glaubhaft, dass Assange dem Risiko der Wehrlosigkeit und des Angriffes auf seine Rechte ausgesetzt sein könnte, würde er an die USA ausgeliefert.
 
Nach seinen Ausführungen bereitet dort bereits insgeheim eine Jury ein Verfahren gegen ihn wegen der Veröffentlichung tausender interner Dokumente diplomatischer Vertretungen vor. Zugleich ist es wohl außergewöhnlich, dass die britische Regierung, gestützt auf ein nationales Gesetz (welches die Verletzung internationaler Rechte bedeuten würde), damit droht, gegen die diplomatische Immunität der ecuadorianischen Botschaft in London zu verstoßen, um Assange festzunehmen; wenn auch der britische Außenminister William Hague diese Vorgehensweise wegen der zu erwartenden Reaktionen ausschloss.
 
Eine Zuflucht im Süden
 
In seiner umfassenden offiziellen Stellungsnahme, die auf der Basis internationaler Vereinbarungen das Asyl für Assange anerkannte, verdeutlichte Ecuador die gesetzlichen und ethischen Argumente, die seine Entscheidung rechtfertigen. Darin heißt es unter anderem:
    "Julian Assange ist ein Experte in Sachen Kommunikation, international ausgezeichnet für seinen Kampf um die Rede- und Pressefreiheit und Menschenrechte im Allgemeinen."
    "Es gibt ernstzunehmende Indizien für eine Vergeltung der Länder, aus denen die Informationen stammen, welche Herr Assange verbreitet hat."
    "Die rechtliche Beweislage zeigt eindeutig, dass Assange im Falle einer Auslieferung an die USA kein gerechtes Gerichtsverfahren erwarten wird, sondern Sonder- oder Militärtribunale über ihn richten würden. Ebenso ist es nicht unwahrscheinlich, dass er grausam und herabwürdigend behandelt wird und man ihn mit lebenslangem Freiheitsentzug oder gar der Todesstrafe bestrafen würde und damit seine Menschenrechte außer Kraft setzt."
 
Ecuador weist weiter darauf hin, dass die schwedische Justiz eine Auslieferung zur Klärung von Vorwürfen des angeblichen sexuellen Missbrauchs nicht ausschließen will, wenngleich es im Moment keine konkreten Anschuldigungen gegen ihn gibt. Jedoch "bedient sich die schwedische Staatsanwaltschaft einer widersprüchlichen Vorgehensweise", welche die Prozessrechte Assanges in Mitleidenschaft ziehe. Unter anderem lehnte es Schweden ab, ihn in der Botschaft in London zu befragen.
 
Asyl in Ekuador und Großbritannien
 
Die Mitteilung argumentiert andererseits unter Bezugnahme auf die Tatsache, dass Ecuador eine hohe Anzahl von Flüchtlingen des kolumbianischen Bürgerkrieges aufgenommen hat und dass "der Hohe Flüchtlingskommissar der UNO die Flüchtlingspolitik Ecuadors gelobt hat und die wichtige Tatsache hervorhob, dass das Land die Flüchtlinge nicht in Lager verbannt, sondern sie unter vollständiger Garantie ihrer Menschenrechte in die Gesellschaft integriert hat."
 
Diese Bemerkung scheint auf Großbritannien anzuspielen, wo mehrere tausend Asylsuchende in Gefängnissen festgehalten werden. Dort verbleiben sie auf unbestimmte Zeit mit dem Risiko, in ihre Heimatländer zurückgeschickt zu werden, falls ihr Antrag abgelehnt wird.
 
Vor zwei Monaten begab sich Assange in die ecuadorianische Botschaft, um Asyl zu beantragen. Die Mutter von Julian, Christiane Assange, die Anfang August Ecuador besuchte, antwortete auf eine Anfrage von ALAI, dass ihrem Sohn nicht bewusst war, eines Tages politisches Asyl zu benötigen, als ein Funktionär des Außenministeriums vor zwei Jahren beiläufig erwähnte, Assange würde in Ecuador willkommen sein. Sie bekräftigte: "Julian hat keine Erfahrung in solchen Angelegenheiten, hinsichtlich eines Schutzgesuches gegenüber den USA. In Lateinamerika sind diese natürlich bekannt. Er erkennt natürlich an, dass die Justiz ihren nötigen Rechtsweg verfolgen muss."
 
Auf die Frage, warum er gerade Ecuador als Zufluchtsort ausgewählt habe, hob Frau Assange in einem Gespräch mit Journalisten die Errungenschaften des Landes hinsichtlich der Menschenrechte in den letzten fünf Jahren hervor: "Diese sind grundlegend in der Verfassung und jeder Politik festegelegt, inklusive der Pressefreiheit in jeglicher Form, des Schutzes von Journalisten und ihrer Quellen." Sie erklärte: "Im Unterschied zu anderen Ländern nimmt Ecuador die Vorschriften der Menschenrechte und Pressefreiheit ernst." Sie verwies auch auf das starke, souveräne Mandat des Landes, dessen erster Verteidiger Präsident Correa selbst sei, "der sich nicht davor fürchtet, dem Druck der USA zu widerstehen." Sie verwies ebenso auf die Unterstützung dieser Politik durch das Volk, die sie bei einem Treffen mit Jugendlichen verschiedener politischer Orientierungen festgestellt habe. Sie seien sich darüber einig gewesen, das Asyl ihres Sohnes zu unterstützen.
 
In derselben Presserunde argumentierte der spanische Anwalt Baltasar Garzón, der die Verteidigung Assanges gegenüber mehreren in den Fall verwickelten Ländern übernommen hat, dass Großbritannien jetzt, da dem Asylantrag stattgegeben wurde, keine gesetzliche Rechtfertigung besitze, Assange das freie Geleit zu verweigern. "Rein rechtlich kann Großbritannien dies nicht tun, da Ecuador ein souveräner, freier und demokratischer Staat ist, genauso wie die Vereinigten Staaten von Amerika, nicht mehr und nicht weniger. Sicher ist es richtig, dass die hegemoniale Position nicht die gleiche ist und das einzige Element, das die Gestattung des Geleitbriefes beeinflussen könnte, ist das der Stärke", so Garzón. Jedoch sollte dieses zwischen demokratischen Staaten mit einem Rechtssystem nie benutzt werden.
 
Nächste Schritte
 
Die Zukunft Assanges ist unsicher, wenngleich Ecuador darauf verwiesen hat, dass er unbefristet in der Botschaft bleiben könne, falls ihm kein freies Geleit gestattet wird. Ohne Zweifel würde dies aber Repressalien für das gastgebende Land mit sich bringen. Wegen des bedrohlichen Verhaltens des Vereinigten Königreiches hat Ecuadors Außenminister Patiño die verschiedenen regionalen politischen Foren ALBA, UNASUR, CELAC und OEA aufgerufen, eiligst zusammenzutreten und sich angesichts der Bedrohung der Souveränität Ecuadors zu erklären.
 
Die ALBA hat bereits eine Erklärung herausgegeben, welche die Bedrohung der Integrität der ecuadorianischen Botschaft und des Rechtes auf eine souveräne Asylpolitik ablehnt. In einem Interview in Quito präzisierte Rodolfo Sanz, Sekretär der Organisation: "Ecuador gesteht Assange politisches Asyl zu, weil es den Fall als politisch einschätzt. Es handelt sich eben nicht um einfaches Strafrecht. England müsse nun entscheiden, ob es freies Geleit zugesteht. Politisches Asyl sei ein Rechtsbestand, den alle Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, angenommen haben." Sanz erinnerte daran, dass viele Länder Lateinamerikas Geleitbriefe auch für Personen ausgestellt haben, die wesentlich schwerwiegendere Verbrechen begangen haben. Zum Beispiel den flüchtigen Bankern, die jetzt in den USA sind, oder mehrere Komplizen der Morde während eines Putschversuches am 11. April 2002 in Venezuela.
 
Während ALBA bereits am 18. August ein Außenministertreffen in Guayaquil durchführte, avisierte UNASUR dieses für Sonntag den 19. August am gleichen Ort. Die OEA ihrerseits entschied am 17. August über mögliche Einberufung der Außenminister für den 23. August. Die USA und Kanada zeigten kein Interesse an dieser Diskussion der amerikanischen Staaten und unterstützten die Einberufung einer Versammlung nicht. In Bezug darauf wies die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, die Beschuldigung zurück, die USA würden das Vereinigte Königreich unter Druck setzen, mit Gewalt in den diplomatischen Sitz Ecuadors in London einzudringen und Assange festzusetzen. "Dies ist eine Angelegenheit der darin verwickelten Nationen, und wir planen nicht, uns da einzumischen", erklärte Nuland.
 
Soziale Organisationen in Lateinamerika haben indes bekanntgegeben, dass sie sich beraten, um eine internationale Kampagne zur Unterstützung Ecuadors zu starten und Druck auf die europäischen Länder auszuüben, die damit einverstanden seien, Assange an die schwedische Justiz auszuliefern. Zweifellos muss es für einen Staat wie das Vereinigte Königreich als Affront erscheinen, dass ein kleines und unbedeutendes Land aus dem Süden, wie eben Ecuador, ihm Lektionen beim Thema Menschenrechte geben kann. (PK)

"Whistleblowing  ist ein legitimer Bestandteil des Widerstands gegen Krieg und Ungerechtigkeit in der Welt. Ein Rachefeldzug der US-Justiz gegen Julian Assange, mit dem vor allem Wikileaks getroffen werden soll, muss verhindert werden", hieß es in einer Pressemitteilung der LINKEN vom 20. August. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, fand am 20. August eine Kundgebung vor der britischen Botschaft in Berlin,  Wilhelmstraße, statt. Dort sprach u.a. Gesine Lötzsch von der Partei DIE LINKE.
Mehr Informationen zum Thema finden Sie auch in unserer aktuellen Rubrik "Medien" in dem Artikel "Der Fall Assange, Ecuador und die SZ".

 
Sally Burch ist eine britische Journalistin. Sie lebt in Ecuador, arbeitet dort für die alternative Nachrichtenagentur ALAI und hat diesen Beitrag für das Internetportal amerika21 geschrieben: Übersetzung: Benjamin Grasse





Online-Flyer Nr. 367  vom 19.08.2012

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