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Globales
Für Giftgasmorde in Halabja auch PC-7-Flugzeuge aus der Schweiz eingesetzt
Iran gedenkt der 5.000 Opfer mit einer Briefmarke
Von Heinrich Frei und Peter Kleinert

Der Iran hat zum Gedenken an die Opfer des Giftgasangriffes in der kurdischen Stadt Halabja eine Briefmarke herausgegeben. Der Angriff fand am 16. und 17. März 1988 statt, am Ende des Golfkrieges zwischen dem Irak und Iran. Bei dem Angriff fanden nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 5.000 Menschen einen qualvollen Tod. Die irakische Luftwaffe hatte damals bei Giftgasbombardierungen auf Halabja Propellerflugzeuge eingesetzt, auch Pilatus-Flugzeuge des Typs PC-7 aus der Schweiz. Dass diese Pilatus-Flugzeuge damals aus der Schweiz sowohl an den Irak wie an den Iran geliefert wurden, beweisen die Statistiken des Stockholm International Peace Research Institute SIPRI

PC-7-Flugzeug der Pilatus Aircraft Ltd in Stans, Schweiz
http://www.lw.admin.ch(1)
 
Die meisten der in Halabja durch die Giftgasbombardements ermordeten Menschen waren Kinder, Frauen und alte Männer. US-amerikanische "Geheimdienstanalysen" hatten zunächst den Iran für die Angriffe auf die kurdische Stadt verantwortlich gemacht. Diese Sichtweise galt allerdings nur, solange Saddam Hussein ein Verbündeter der USA war. Später wurden die Verluste bei der Zivilbevölkerung als "Kollateralschaden" in der militärischen Auseinandersetzung zwischen dem Irak und Iran bezeichnet.
 
Der erste Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak, der 1980 von Saddam Hussein ausgelöst wurde, dauerte acht Jahre. Schätzungsweise eine Million Menschen verloren in diesem Krieg ihr Leben. Der Irak, Saddam Hussein, wurde damals bekanntlich vom Westen bei seinem Angriff auf das iranische Regime unter Khomeiny unterstützt. Nicht nur die Schweiz verdiente an dem Krieg, auch Frankreich lieferte laut dem Stockholm International Peace Research Institute der irakischen Diktatur von 1967 bis 1990 für über 5 Milliarden US Dollar Kriegsmaterial.
 
Die irakische Luftwaffe setzte bei ihren Giftgasbombardierungen in Halabja kleine Propellerflugzeuge ein, darunter die oben erwähnten Pilatus-Flugzeuge aus dem schweizerischen Flugzeugwerk in Stans. Auch der Iran war im Besitze von Pilatus-Flugzeugen, wie die Statistiken des Stockholm International Peace Research Institute SIPRI zeigen. SIPRI erfasst aber nicht alle Kategorien von Waffen.
 
SIPRI: „The Arms Transfers Database does not cover other military equipment such as small arms and light weapons (SALW) other than man-portable air defence systems (MANPADS) and some categories of guided anti-tank missiles. Neither are trucks, artillery under 100-mm calibre, ammunition, components (other than radars and engines), or repair and support services included in the database.”
 
Wie man auf der offiziellen Website der Schweizer Luftwaffe lesen kann, ist das Pilatus-Flugzeug PC-7/CH Turbo-Trainer "ein zweisitziger Trainer für die moderne Pilotenausbildung. Der PC-7 dient im militärischen Bereich der Grundausbildung, besonders im Kunstflug und IFR-Flug ("Blindflug"). Die Ausbildungs- und Trainingsflugzeuge PC-7 zählen weltweit zu den leistungsfähigsten und modernsten Typen dieser Kategorie; sie sind seit 1982 in den Pilotenschulen der Schweizer Luftwaffe im Einsatz."
 
Die in Halabja verübten Kriegsverbrechen sind, laut Artikel 75 des Schweizer Strafgesetzbuches, unverjährbar. Rechtskräftig gilt das offenbar aber eher in den Niederlanden. Dort hat ein Gericht einen Holländer, der dem Regime Saddam Husseins Chemikalien für das Giftgas lieferte, wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen zu 15 Jahren Haft verurteilt. (2) Schweizer Firmen unterstützten mit ihren Lieferungen seinerzeit auch maßgeblich das atomare, chemische und bakteriologische Aufrüstungsprogramm des Irak, was UNO-Inspektionen vor Ort nach dem zweiten Golfkrieg (1991) bestätigten. In der Schweiz wurden jedoch sämtliche Verfahren gegen Schweizer Firmen, die dem Irak Rüstungstechnologie verkauft hatten, eingestellt.

In den Pilatus-Flugzeugwerken werden heute noch PC-7-Flugzeuge hergestellt.
Quelle: http://www.luftfahrt.ch/konstruktionen/pilatus/flugzeugwerk/index.html
 
Wie in den Niederlanden müssten die Verantwortlichen für diese Flugzeugexporte und Rüstungslieferungen an das Saddam Regime jedoch auch zur Verantwortung gezogen werden. Solche Lieferanten machen sich nämlich nach Artikel 25 des Schweizerischen Strafgesetzbuches auch der Beihilfe zu Verbrechen schuldig, wenn sie beim Export mit dem möglichen (und in der Folge auch erfolgten) kriegsverbrecherischen Einsatz von Flugzeugen und von Kriegsmaterial rechnen mussten und ihn in Kauf nahmen, was in Ermangelung eines Geständnisses allerdings nur aus den Umständen geschlossen werden kann. Da es sich bei dem Giftgasangriff auf Halabja aber um ein Offizialdelikt handelt, müssten die Schweizer Bundesbehörden ein entsprechendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren veranlassen oder - wenn nötig - von den sich offiziell zu den Menschenrechten bekennenden Parteien dazu gezwungen werden. Solche Verbrechen sind, laut Artikel 75 bis des Schweizer Strafgesetzbuches, sogar unverjährbar.
 
In den Pilatus-Flugzeugwerken in Stans werden heute noch PC-7- und andere Trainingsflugzeuge hergestellt. Die Firma gehörte lange zur Oerlikon-Bührle/Contraves-Gruppe, wurde aber vor einigen Jahren an Schweizer Investoren weiterverkauft. Nach der Schweizer Aussenhandelsstatistik lieferte die Firma Pilatus dem Irak allein in den achtziger Jahren 53 PC-7-Flugzeuge. (3)
 
Vielleicht gelingt es doch noch einmal, ein Gerichtsverfahren wegen dieser Delikte gegen die früheren Firmeneigentümer zu eröffnen, so wie es ja sogar auch Jahre später gelang, deutsche Kriegsverbrecher, die im Zweiten Weltkrieg mordeten, zur Rechenschaft zu ziehen. 1944 erschoss Heinrich Boere als Mitglied des SS-Kommandos "Feldmeijer" mehrere Holländer. Im Jahr 2010 verhängte das Landgericht Aachen gegen den inzwischen 88jährigen eine lebenslange Haftstrafe. (4)
(PK)
 
(1) http://www.lw.admin.ch/internet/luftwaffe/de/home/dokumentation/assets/aircraft/pc7.html
Offizielle Website der Schweizer Luftwaffe
 
(2) siehe Neue Zürcher Zeitung vom 24./25.12.2005 und Tribune de Genève 14.9.92: Un pilote kurde de Saddam dénonce l'utilisation des Pilatus.
 
(3) siehe das Buch „L'affaire Pilatus, les milieux engagés et la Suisse officielle face aux exportations d'armes (1978-1985), von Jean-Marie Pellaux, Universität Freiburg
 
(4) http://www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-gegen-ns-kriegsverbrecher-ss-mann-boere-zu-lebenslanger-haft-verurteilt-a-685148.html


Online-Flyer Nr. 358  vom 13.06.2012

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