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Aktueller Online-Flyer vom 23. April 2024  

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Lokales
Hartz4-Plattform bringt die MdBs Bosbach (CDU) und Lindner (FDP) in die Klemme
Kreiskatholikenrat Bergisch Gladbach droht mit Klage
Von Peter Kleinert

Am 30. Mai veröffentlichten wir aufgrund von Informationen der Hartz4-Plattform und deren Sprecherin Brigitte Vallenthin den Artikel "Caritas und Katholikenrat bekräftigen Diskriminierungs-Vorwurf zum Bildungspaket - Verfassungsbeschwerde unterstützt" über regierungskritische Offene Briefe der beiden Katholikenorganisationen aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis an zwei dort gewählte MdBs. Wolfgang Drötboom, geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Kreiskatholikenrat, widersprach darauf den Informationen der Hartz4-Plattform "ausdrücklich" und forderte eine "Korrektur mit zeitnaher Veröffentlichung". Doch Brigitte Vallenthin bewies anhand von Unterlagen umgehend, dass ihre Informationen korrekt sind und erwartet Antworten auf den Offenen Brief.
 

Wolfgang Drötboom – Vorstands-
mitglied im Kreiskatholikenrat und
zuständig für die "Stabsstelle"
Öffentlichkeitsarbeit" der Caritas
In der Meldung von Hartz4 vom 24. Mai war zu lesen: „Bildungspaket beim Bundesverfassungsgericht: Caritas und Katholikenrat bekräftigen Diskriminie-rungs-Vorwurf der Verfassungsbeschwer- de - Offener Brief an Wolfgang Bosbach (CDU) und Christian Lindner (FDP) unbeantwortet - Staatliche Grund-rechtsverweigerung nach aktuellem Grundrechtereport 2012“.
 
Hier zunächst die Antwort von Wolfgang Drötboom, geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Kreiskatholikenrat für den Rheinisch-Bergischen Kreis vom 30. Mai, an dem die NRhZ ihren Artikel veröffentlicht hatte:
 
„Sehr geehrte Frau Vallenthin, mit großen Erstaunen haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie eine Pressemitteilung heraus gegeben haben und diese zudem auf Ihrer Internetseite www.Hartz4-Plattform veröffentlichten. Darin schreiben Sie einleitend: "Bildungspaket beim Bundesverfassungsgericht:
Caritas und Katholikenrat bekräftigen Diskriminierungs-Vorwurf der Verfassungsbeschwerde - 
Offener Brief an Wolfgang Bosbach (CDU) und Christian Lindner (FDP) unbeantwortet".
 
Der Vorstand des Kreiskatholikenrates widerspricht dieser Aussage ausdrücklich und teilt mit:
 Herr Christian Lindner, MdB, hat den Eingang des Schreibens des Kreiskatholikenrates zeitnah bestätigt und mitgeteilt, das Schreiben zur weiteren Bearbeitung weiter zu geben. Herr Wolfgang Bosbach, MdB, hat mit der Vorsitzenden des Kreiskatholikenrates für den Rheinisch-Bergischen Kreis in dieser Angelegenheit ein Gespräch geführt. Das Ergebnis der Bearbeitung und des Gesprächs wird der Kreiskatholikenrat zu gegebener Zeit veröffentlichen.
 

Christian Lindner - soll den Offenen
Brief "zur weiteren Bearbeitung"
weiter gegeben haben
Quelle: wikipedia
Wir erwarten eine entsprechende Korrektur mit zeitnaher Veröffentlichung auf Ihrer o.g. Internetpräsenz. Alternativ nehmen Sie die Falschaussage von o.g. Internetpräszenz. Sollte eine dieser Maßnahmen nicht bis zum 02.06.2012, 12.00 Uhr, erfolgt sein, werden wir eine Unterlassungsklage einreichen. Mit freundlichen Grüßen Wolfgang Drötboom, geschäftsf. Vorstands-mitglied, Kreiskatholikenrat für den Rheinisch-Bergischen Kreis, fone  02202 1008 516,   fax  02202 1008 525 mobil 0176 54139725 mail geschaeftsstelle@kreiskatholikenrat.de, online www.kreiskatholikenrat.de Hausanschrift: Geschäftsstelle Kreiskatholikenrat, Laurentiusstraße 4-12, 51465 Bergisch Gladbach“
 
Nach Meinung der Hartz4-Platform ist die gewählte öffentliche Form eines „Offenen Briefes“ erst dann beantwortet, wenn die Antwort ebenfalls mit derselben Öffentlichkeit erfolgt ist. "Das ist nach unserem Verständnis weder durch die oben dargestellte Mitteilung geschehen", so die Antwort von Brigitte Vallenthin, denn MdB Christian Lindner habe laut Drötboom lediglich mitgeteilt, dass er das Schreiben des Kreiskatholikenrates "zur weiteren Bearbeitung" weiter geben wolle. Auch MdB Wolfgang Bosbach habe "die Erwartung von Bürgern" an die Beantwortung eines „Offenen Briefes“ keineswegs dadurch erfüllt, dass er "mit der Vorsitzenden des Kreiskatholikenrates für den Rheinisch-Bergischen Kreis in dieser Angelegenheit ein Gespräch geführt“ habe.
 
Der Offene Brief der Katholiken
 
Tatsächlich hatten Gabriele Behr, Vorsitzende des KKR, und die Sprecherin Elke Macherey-Müller in ihrem Offenen Brief an den CDU- und den FDP-Abgeordneten aus Bergisch Gladbach und Wermelskirchen folgendes geschrieben: "…nachdem unter erheblichen Mühen die gesetzlichen Grundlagen zur Förderung bedürftiger Kinder unter dem Titel "LEISTUNGEN FÜR BILDUNG UND TEILHABE" zustande gekommen sind, ist nach der ersten Freude und Zustimmung doch ein großes Unbehagen, wenn nicht gar große Enttäuschung bei etlichen Handelnden aus den katholischen Verbänden und Einrichtungen zu vernehmen.
 

Wolfgang Bosbach will mit der
Vorsitzenden des Kreiskatholiken-
rates ein Gespräch geführt haben
– Ergebnis unbekannt
Quelle:
Deutscher Bundestag/Oehmichen
Wir tragen als Ausschuss „Runder Tisch Familie" des Kreiskatholikenrates diese Punkte an Sie heran, weil wir manche Auswirkungen für die betroffenen Familien und Kinder/Jugendlichen höchst bedenklich einstufen. Wir finden, dass in eklatanter Weise die Selbstbestimmung, Integrität und Würde der Einzelnen verletzt werden. Dies wollen wir gerne näher erläutern:
 
1. Verletzung der Integrität und Selbstbestimmung
 
Bei den meisten Anträgen von Kindergarten- und/oder Schulkindern müssen diese von den Institutionen (KiTa, Schule, Sportverein, etc) gegengezeichnet werden. Somit wird die Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen der Familien offen gelegt und Dritten -außerhalb den Behörden- zugänglich gemacht. Damit wissen alle Beteiligten nun um den sozialen Status der Familien und eine Stigmatisierung ist realistisch. Sollte es der Familie bis dato gelungen sein, ihre finanzielle Situation und/oder Abhängigkeit von staatlicher Substitution zu verbergen, so ist dies ab Antragstellung hinfällig!
Stigmatisierung führt möglicherweise in etlichen Fällen zu Schulabschlüssen, die weit unter den Ergebnissen liegen, die auf Grund der Begabungen möglich gewesen wären. Nicht selten werden auch gar keine Abschlüsse erreicht (immer noch bei 5% eines jeden Jahrganges!). Damit sind für diese Kinder die Barrieren schon frühzeitig aufgebaut!
 
Die Form des Misstrauens, die aus der Vorgehensweise und den Kontrollmechanismen zu erkennen ist, sollte nicht weitergeführt werden: Wir plädieren dafür, dass der Antrags- und Nachweiskontakt ausschließlich zwischen der Antrag stellenden Familie und dem Job- Center besteht und keine Vereine, Schulen, KiTas, etc. involviert sind, dass die Verfahren deutlich vereinfacht werden, dass die Vorgehensweise bei kleineren Summen nicht so überdimensioniert ist und durch Vereinfachung Arbeitszeit und -kräfte in den Jobcentern eingespart werden können (damit Ertrag und Aufwand im Verhältnis stehen), dass die Art und Weise der Zahlungen/Beihilfen keine Rückschlüsse auf staatliche Unterstützungen der Familie zulassen.
 
2. Abmeldung etlicher Kinder vom Mittagessen in der KiTa
 
Nachdem es dankenswerter Weise gelungen ist, den Systemfehler bei den OGS zu beseitigen und dort Abmeldungen wegen der Kosten für das Mittagessen verhindert werden, ergibt sich in den Kindertageseinrichtungen genau dieses Problem. Auch hier sehen wir große Probleme in Fehlentwicklungen, vor allem bei den Einrichtungen der Elite-Initiativen: Es wird nur dann der Kostenanteil -nachträglich!- übernommen, wenn das Kind die KiTa besucht hat; ist das Kind erkrankt, zahlen die Eltern von den geringen Beträgen, die sie z.B. aus Hartz-IV erhalten, komplett alleine das Essen in der Einrichtung; sind sie dazu nicht in der Lage, finanziert der Träger das Essen alleine, bzw. in einigen Kindertagesstätten müssen die bedürftigen Eltern immer das Essen der Kinder vorfinanzieren und die Rückerstattung beantragen. Welch eine Über-Bürokratisierung und welche finanzielle Überforderung der Eltern und Träger!
 
Um auf jeden Fall die Abmeldung der Kinder vom Mittagessen zu verhindern und insgesamt eine Vereinfachung zu erreichen, bitten wir Sie eindringlich, beim zuständigen Ministerium auf Veränderung zu drängen!
 
3. Fazit:
 
Aus den löblichen Ansätzen, die Lebenssituation von Eltern und Kindern zu verbessern und Teilhabe an Bildung und Gesellschaft zu ermöglichen, lesen wir Tendenzen heraus, die von den Kirchen und Sozialverbänden von Beginn an beklagt wurden. Aus den gesetzlichen Vorgaben, bzw. den Verlautbarungen etlicher Politikerinnen (wie auch der Ministerin) und Politiker scheint uns ein grundsätzliches Misstrauen gegen die Familien handlungsleitend zu sein. Nicht nur, dass der Staat seit Jahren mit dem Zulassen von immer mehr prekären und unterbezahlten Beschäftigungsverhältnissen Armut tradiert, stabilisiert und ausbaut! Es wird auch in eklatanter Weise die Würde der betroffenen Menschen verletzt.
 
Wir bitten Sie sehr: setzen Sie sich für deutliche Verbesserungen ein! Setzen Sie zum Maßstab die Anforderungen aus dem christlichen Werteverständnis und Menschenbild, das Sie mit uns teilen. Setzen Sie dies um in Gesetzestexte und Vorgehensweisen, die vom Respekt gegenüber den Familien getragen sind, und helfen Sie mit, dass in zukünftigen Wahlkämpfen der Aufruf zu mehr Egoismen und Verweigerung der Solidarität mit Bedürftigen keinen Platz mehr findet!
 
P.S.: In der Zwischenzeit wurde von Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, eine Grundsicherung für Kinder gefordert. Der Präses liegt damit auf der Linie der politischen Forderungen, die die Wohlfahrtsverbände - wie auch der Caritasverband- seit langem vertreten. Ein lohnenswerter Vorschlag! Zum anderen haben wir in der Anlage anhand der Daten einer fiktiven Familie eine reale finanzielle Situation nachgezeichnet und denken, dass Sie sich damit ein besseres Bild von den Auswirkungen einiger Gesetze und Bestimmungen machen können."
 
Anlage zum Offenen Brief an die beiden Abgeordneten
 
"Wir sind eine kleine Familie mit zwei Kindern: der Vater arbeitet in einer Leiharbeitsfirma -vielleicht wird er übernommen, vielleicht aber auch nicht. Die Mutter arbeitet Teilzeit. Das Arbeitseinkommen reicht alleine nicht aus, wir beziehen daher Wohngeld und Kinderzuschlag. Unsere Tochter, 5 Jahre alt, ist im Kindergarten; unser Sohn, 9 Jahre alt, ist in der 3. Klasse der Grundschule. Durch die unterschiedlichen Arbeitszeiten sind wir auf die Öffnungszeiten der Kindertagsstätte und der offenen Ganztagsschule bis 14 Uhr angewiesen. Beide Kinder essen also mittags in den Einrichtungen.
 
Wir wollten das Bildungs- und Teilhabepaket nutzen. Im Frühjahr 2011 gab es zunächst große Unsicherheiten, welche Stelle denn für diese Anträge zuständig sei. Wohngeldstelle oder Familienkasse - vielleicht auch das Jobcenter? Bisher waren für die Wohngeldstelle Informationen über Kindergarten oder Schule der Kinder nicht relevant. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, überhaupt einen Antrag auf Bildung und Teilhabe zu erhalten, lag dieser nun endlich vor. Was wird denn wie beantragt? - Der Sohn geht in die Schule, daher kann für ihn das Schulpaket beantragt werden: 70 € im August und 30 € im Februar des folgenden Jahres. Eine Schulbescheinigung für den Jungen muss eingeholt werden.
 
Er möchte in den Fußballverein - bisher war dies aus Geldgründen nicht möglich - 10 € im Monat könnten beantragt werden. Wir haben einen Verein gefunden, dessen Beitrag unter den möglichen 10 € im Monat liegt. Wieder muss eine Bescheinigung, diesmal des Vereins vorgelegt werden. Der Beitrag soll direkt von der Behörde an den Verein bezahlt werden. Aber wie denn? Der Verein will den Beitrag direkt nach der Anmeldung einziehen. Wieso können wir als Eltern nicht in Vorleistung gehen und anhand der Kontoauszüge die Überweisung des Beitrages nachweisen? Muss der Sportverein unsere Einkommensverhältnisse erfahren? Vielleicht sollten wir auf den Fußball lieber verzichten; die Turnschuhe, der Trainingsanzug müssen ja auch noch alle angeschafft werden. Nachher wird auch noch über uns geredet! Unterliegen die Vereine eigentlich der Schweigepflicht?
Die Klassenfahrt steht an: 4 Tage nach Duisburg; 130 € sollen von den Eltern bezahlt werden. Eine weitere Bestätigung der Schule wird also für den Antrag gefordert. Der Beitrag soll in den nächsten 4 Wochen überwiesen sein. Im Bildungspaket steht, dass der Schulträger das Geld direkt erhalten soll. Was wird aus der Klassenfahrt, wenn der Beitrag noch nicht überwiesen wurde? Darf dann unser Sohn mitfahren? Wer geht in Vorleistung?
 
Das Mittagessen: Beide Kinder benötigen einen eigenen Antrag. Es geht um einen Euro Eigenanteil pro teilgenommener Mahlzeit, für zwei Kinder im Monat demnach ca. 44 €. Aber wieso steht da "teilgenommen"? Wie werden die Kosten bei Krankheit beglichen? Mein Kind kann doch dann nicht am Essen teilnehmen - Gelder aus dem Teilhabepaket gibt es dann auch nicht! Wie soll die Einrichtung ihre Kosten decken? Die Kindergartenleitung sagt: „Ich kann die Köchin ja auch nicht einfach früher nach Hause schicken"! Wir sollen dann den ganzen Betrag bezahlen 2,75 € je nicht teilgenommener Mahlzeit. Im letzten Jahr war das über das Programm der NRW-Regierung "Kein Kind ohne Mahlzeit" besser geregelt! Eigentlich wollte unsere Tochter mit den anderen Kindern aus dem Kindergarten tanzen gehen - besser wir sagen ihr gleich, dass das nicht geht, solange der Papa nicht eine feste, besser bezahlte Arbeit findet. Sonst müssen wir wieder einen Antrag stellen und dann weiß die Tanzschule auch wieder, dass wir eine arme Familie sind!"
 
Anmerkung der Redaktion
 
Wenn die beiden MdBs aus den Regierungsparteien CDU und FDP auf diese Forderungen zum Bildungspaket und die Darstellung der Realität für arme Familien und deren Kinder doch noch antworten sollten – oder auch nicht – werden das unsere LeserInnen aus dem Rheinisch Bergischen Kreis natürlich erfahren. (PK)

(1)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17850


Online-Flyer Nr. 375  vom 06.06.2012



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