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Lokales
Berliner Regierungsparteien verschleppen Überprüfung der Wasserverträge
Verstoß gegen europäisches Vergaberecht?
Von Ulrike Fink von Wiesenau

Auf der 6. Sitzung des Sonderausschusses "Wasserverträge" im Berliner Abgeordnetenhaus am 4. Mai wurde Prof. Dr. Jürgen Keßler, Hochschullehrer für Wirtschaftsrecht, Vorstandsvorsitzender der Verbraucherzentrale Berlin und Vertrauensperson der Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch" zu den wettbewerbsrechtlichen Fragen des Vertrags- und Gesetzeskonstruktes "Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe" angehört.
 

Prof. Jürgen Keßler
NRhZ-Archiv
Keßler legte dar, dass die Nichtigkeit der Verträge sich sowohl aus einem Verstoß gegen das europäische Vergaberecht als auch aus einer Verletzung verfassungsrechtlicher Kompetenznormen ergeben könne. Die Frage, ob die Nichtigkeitssanktion nur den unmittelbar betroffenen Vertragsteil oder das gesamte Vertragswerk betreffe, werde einer eingehenden rechtlichen Prüfung bedürfen. Was den Verstoß gegen das Vergaberecht betreffe, werde die Entscheidung der Europäischen Kommission weitere Hinweise ergeben, die konkretere Informationen über die Ausschreibung zutage fördern und somit den Ausgangspunkt für weitere Prüfungen ergeben werde.

Eine Beschwerde der Verbraucherzentrale Berlin und von Transparency International wurde im Jahr 2011 eingereicht und wird von den EU-Behörden bearbeitet. Bei einer Teilnichtigkeitserklärung der Verträge nach Europarecht müssten die RWE und Veolia Millionen unrechtmäßig erhaltener Beträge an den Berliner Haushalt zurückzahlen. Ob der Senat in seiner Stellungnahme auf die EU-Beschwerde im Interesse der Bürger argumentiert hat, wird noch zu klären sein. Der Antrag der Oppositionsparteien auf Veröffentlichung dieser Stellungnahme und des zugehörigen juristischen Gutachtens von SPD und CDU wurde bezeichnenderweise vertagt.

Eines wird immer deutlicher bezüglich der Arbeit des Sonderausschusses: Die Regierungsparteien spielen auf Zeit, sie verschleppen die Überprüfung der Wasserverträge. Zum Tagesordnungspunkt der Einwirkungsmöglichkeiten des Senats auf die BWB hatten die Koalitionsparteien Beamte der Senatsverwaltung für Justiz zum Bericht einbestellt. Doch die Beamten konnten zum Thema nur zu Protokoll geben dass Einwirkungsmöglichkeiten praktisch nicht vorhanden seien.

Die zuletzt angefachte Pressekampagne bezüglich einer Verrohung der Umgangsformen in Sonderausschuss und Parlament gibt auf diesem Hintergrund sehr zu denken. Offensichtlich soll hier von einer defizitären Ausschussarbeit abgelenkt werden, die die Regierungsparteien vorführen. Die Mittel für unabhängige Gutachten und die Expertise von Sachverständigen müssen umgehend freigegeben werden, wenn der Ausschuss sein Ziel nicht verfehlen soll. Wie wichtig juristische Expertise für eine umfassende Vertragsaufklärung ist, haben die Ausführungen von Prof. Keßler noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht. (PK)
 
Ulrike Fink von Wiesenau gehört zum Sprecherteam der Initiative Berliner Wassertisch, die die BerlinerInnen vor einer weiteren Ausbeutung der Konzerne RWE und Veolia schützen will.


Online-Flyer Nr. 353  vom 09.05.2012



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