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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Lokales
Neuer Angriff der Beutegemeinschaft von Wowereit-Regierung mit Privaten
Berliner Wasserbetriebe knallhart gegen Bürger
Von Ulrike Kölver

Mit der erneuten Diskussion über die Berliner Wasserpreise wird unübersehbar deutlich, wie die Wowereit-Regierung und Private zur Täuschung von übergeordneten Instanzen und allgemeiner Öffentlichkeit versuchen, sich gegenseitig Deckung zu verschaffen. Wie bekannt ist, hat das Bundeskartellamt die Berliner Wasserbetriebe (BWB) erst vor wenigen Tagen zum zweiten Mal abgemahnt und jetzt eine Senkung der Trinkwasserpreise um 21% verlangt, also 2% mehr Senkung als bei der ersten Abmahnung im Dezember 2011.
 

Integriert in die Beutegemeinschaft mit
RWE/Veolia – Klaus Wowereit
Vor diesem Hintergrund sind die Diskussion über Preiserhöhung und gar die Nachforderung von mindestens 54 Mio. Euro der Privaten grotesk. Die BWB versichern denn auch "be- ruhigend", ihr Ziel seien "stabile Tarife". Man tritt also dreist Spekulationen über Preis-erhöhung los, um dann eine bloße Nullrunde als volks-freundliche Großtat zu verkaufen. Das ist purer Betrug des Publikums: die Preise sind seit Jahren durch sogenannte kalkulatorische Zinsen und Abschreibungen massiv und rechtswidrig überhöht, was auch schon vor den Kartellamtsabmahnungen klar nachweisbar war.
 
Zum Thema der geforderten Preissenkung hüllen sich auch Finanzsenator Nussbaum und Wirtschaftssenatorin von Obernitz in Schweigen und ziehen voll auf der Linie der BWB mit, denn von der Schröpfung der Wasserkunden profitiert ja die Regierung gemeinsam mit den Privaten.
 
Und was ist aus Wowereits Ankündigung vom März 2011 geworden, die Wasserpreise würden (wegen allgemein sinkender Zinssätze) automatisch sinken? Der Regierende Bürgermeister, der von Anfang an die skandalöse Teilprivatisierung abgenickt hatte und alle schädlichen Folgen nur weiter abnickt, ist wohl derzeit so stark mit dem Machtgerangel in der eigenen Partei beschäftigt, dass so nebensächliche Dinge wie die Interessen der Berliner Bevölkerung seine Aufmerksamkeit nicht auch noch beanspruchen dürfen.
 
Die privaten Betreiber RWE/Veolia und die Regierung Wowereit entlarven sich so einmal mehr als einträchtige Beutegemeinschaft an der sprudelnden Geldquelle Wasser, die zu speisen alle Berliner von arroganten Profiteuren, privaten wie staatlichen, gezwungen werden sollen.
 
Gegen die Abmahnungen des Kartellamts wenden die Wasserbetriebe ein, dass sie ja keinerlei Handlungsspielraum hätten, sondern laut Berliner Betriebegesetz nur die Vorgaben des Senats erfüllten, der jährlich den Zinssatz für die Berechnung der Wasserpreise vorgibt. „Wenn das so wäre“, sagt Wasser-Expertin Gerlinde Schermer vom Berliner Wassertisch, „hätten die BWB nicht die geringste Handhabe 'an der Tarifschraube zu drehen', denn der Senat hat für das laufende Jahr immer noch keine entsprechende Zinsverordnung bekannt gegeben. Die BWB strafen sich selbst Lügen, wenn sie sich als angeblich nur ausführendes Organ herauszureden versuchen – und gleichzeitig unverfroren selbst aktive Preispolitik betreiben. Eine Steilvorlage für das Bundeskartellamt!“

Die Frage: "Wieviel haben die Berlinerinnen und Berliner, als Folge der Beutegemeinschaft des Landes und der Privaten, seit 2004 zuviel bezahlt?" wird am Dienstag, dem 17.4. um 18.30 Uhr im Raum 209 des Robert-Blum-Gymnasiums, Kolonnenstrasse 21, 10829 Berlin Thema in einer öffentlichen Sitzung sein. Dazu hat der Wassertisch-Untersuchungsausschuss Klaerwerk am vergangenen Samstag eingeladen. (PK)

Aktuelle Ergänzung

Am 17.4.2012 tagte nicht nur die Pressekonferenz der Berliner
Wasserbetriebe, sondern auch die Arbeitsgruppe Klärwerk des Berliner
Wassertischs. Hier ihre aktuelle Mitteilung:

Die gestrige Pressekonferenz des BWB zeigt erneut: die Rendite aus dem
Wassergeschäft für die Privaten ist sicher. 124 Millionen € Gewinn
werden für 2011 an Veolia und RWE ausgeschüttet.

Auf der am gleichen Tag anberaumten öffentlichen Klärwerksitzung
erfuhren Interessierte aber mehr. Denn, die 124 Millionen € Ausschüttung
2011 sind nicht alles, was Veolia und RWE als Gewinn einstecken.
Gerlinde Schermer, Wirtschaftsexpertin des Berliner Wassertischs, klärte
die Anwesenden darüber auf, dass die Privaten noch eine Zusatzrendite
erhalten, über die auf der Pressekonferenz der BWB nicht gesprochen wurde.

Auf der Klärwerk-Sitzung wurden bisher vom Senat unveröffentlichte Dokumente ausgewertet. Sie belegen, dass zusätzlich zu den bisher ausgeschütteten Gewinnen den Privaten RWE und Veolia eine
Gewinnzusicherung bis 2028 von 609,6 Millionen € gemacht worden ist.
Dieser Wert nennt sich: „NPV of Implied FCF Contribution“ und bedeutet
Barwert der freecash Flow, also der aus der Änderung der
Abschreibungsmethode garantierten Zuflüsse an die Privaten.

Das Geld dafür kommt von den Wasserkunden. Grund ist die per Gesetz ab
2004 geänderte Abschreibungsmethode auf Wiederbeschaffungszeitwerte.
Weil das Berliner Verfassungsgericht die Renditegarantie nach einer Klage der Grünen und der damaligen PDS für rechtswidrig erklärte, veränderte das Land Ende 2003 - vertreten durch Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) - die Gesetze. Wolf begründete die Umstellung der Abschreibungsmethode damit, dass sie der langfristigen Substanzerhaltung diene. Gerlinde Schermer erläuterte: Die Wahrheit ist, dass in der Anlage 21.2a zum Konsortialvertrag (5. Änderungsvereinbarung) vertraglich festgelegt wurde, dass die daraus generierten Mehreinnahmen zu 49,9% den Privaten zustehen. 40% werden jährlich ausgeschüttet, die Privaten erhalten davon den hälftigen Anteil ohne Abzug von Steuern und 60% werden den sogenannten Rücklagen zugeführt. Diese Rücklagen dienen dem Ersatz der verfassungswidrig gesprochenen „Effizienzsteigerungsklausel“ aus dem Privatisierungsgesetz von 1999. Das Geld gehört damit den Privaten als EIGENKAPITAL. Die Beträge sind zwar noch nicht ausgeschüttet, aber sie sind der Rendite zuzurechnen. Von 2004 bis 2010 summieren sich diese Beträge im Eigenkapital der Privaten auf 104 Millionen €. Bis zum Jahr 2028 sollen Beträge zusammenkommen, deren Barwert auf den Bewertungsstichtag 1.1.2000 insgesamt 609,6 Millionen € beträgt. Den Abgeordneten im Sonderausschuss „Wasser“ wurden diese Dokumente bisher nicht vorgelegt. Sie wurden auch nicht nach der erfolgreichen Volksabstimmung am 13.2.2011 veröffentlicht.

Aus den nun aufgetauchten, dem Wassertisch vorliegenden bisher
unveröffentlichten Dokumenten wird deutlich, dass die Investoren einen
finanziellen Ausgleich vom Land Berlin verlangen, wenn die geplanten
vertraglich garantierten Beträge aus der Änderung der
Abschreibungsmethode nicht über den Wasserverbrauch der Berlinerinnen
und Berliner „hereinkommen“. Das Zauberwort heißt: „Unterkompensation“.
Darum also geht es, wenn die Wasserbetriebe über den sinkenden
Wasserverbrauch der Berlinerinnen und Berliner jammern. Das Gesetz zur
Offenlegung der Geheimverträge der Wasserprivatisierung besagt in §4:
"Was nicht offengelegt ist, wird ungültig!"

Wir fordern den Senat auf, gesetzestreu zu handeln und die Forderungen
von RWE/Veolia nach „Kompensation“ abzuwehren!


Online-Flyer Nr. 350  vom 18.04.2012



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