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Lokales
Warum wieder ein jahrelang leer stehendes Gebäude in Köln besetzt wurde
Doch nach 22 Stunden griff die Polizei ein
Von den BesetzerInnen

Am Freitag, 2. März, wurde ein seit Jahren leerstehendes Gebäude auf dem ehemaligen KHD-Gelände an der Deutz-Mülheimer-Straße in Köln besetzt. Dort sollte ein Wohn- und Arbeitskollektiv nach dem Vorbild selbstverwalteter, unabhängiger Projekte (wie die Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK) und Mülheim (SSM)) entstehen. Die BesetzerInnen erhielten schon am Tag danach eine Solidaritätserklärung des AZ in Köln-Kalk, haben aber am Samstagabend das Gebäude laut KStA "freiwillig" verlassen, weil UnterstützerInnen ihnen weder Essen noch Wasser ins Haus bringen durften.  – Die Redaktion


Quelle: http://unsersquat.blogsport.eu/

„Marktwirtschaftliche Stadtplanung sieht keinen Raum vor für prekarisierte Menschen, Obdachlose und alles, was sich der Norm zu entziehen versucht. Es liegt im Wesen des Kapitalismus, dass immer noch mehr Gewinn erwirtschaftet werden muss, und dies geschieht immer mittels der Unterdrückung und Ausbeutung eines Großteils der Menschheit. Es interessiert uns daher herzlich wenig, wenn die Aneignung von Leerstand seitens Politik und Öffentlichkeit als Straftat behandelt wird. Hausbesetzungen wurden schon immer kriminalisiert. Solche Versuche der Entpolitisierung sprechen angesichts der sich zuspitzenden gesellschaftlichen Umstände Hohn.

Ein leeres Haus dem Spekulationsprozess zu entziehen und es seinem wesentlichen Zweck, der Nutzung als Wohn- und Lebensraum, zuzuführen sehen wir als notwendig an. Wir machen uns keine Illusionen. Uns ist bewusst, dass emanzipatorische und autonome Projekte der herrschenden Politik ein Dorn im Auge sind. Obwohl keine Unterstützung (auch kein Geld) von der Stadt gefordert wird, argumentieren die Parteien mit angeblichen Kosten und gehen massiv gegen linke Initiativen vor.

Der Erhalt unseres Kollektivs würde die Stadt Köln keinen Cent kosten, wir selbst wären nicht mehr von Wohnungsnot und Armut bedroht, nicht mehr abhängig von Hartz4 oder ähnlichem und der Stadtteil wäre um einen sonst so selten gewordenen Ort des sozialen Miteinanders bereichert. Sollte sich die kommunale Politik jedoch weigern, mit uns ins Gespräch zu treten und abermals die Exekutive vorschicken, so werden wir nicht trotzdem aufhören. Die Polizei kann uns noch so oft räumen; wir besetzen weiter!

Das Tempo bestimmen einzig und allein wir selbst. Wir sind verhandlungsbereit, solange die Aussicht auf Einigung mit der Eigentümerin oder dem Eigentümer besteht. Bis dahin gilt: Wir lassen uns nicht befrieden, bis wir zufrieden sind."
 
Samstag, 3. März 2012
 
BesetzerInnen fordern Rückzug der Polizei und Zugang für UnterstützerInnen mit Lebensmitteln und Wasser:
Seit gestern Abend haben wir ein leerstehendes Gebäude der Deutz-Werke in der Deutz-Mülheimer-Str. in Köln-Mülheim besetzt, um dort einen Wohn- und Lebensraum für ein neues Kollektiv zu schaffen. Gemeinsam mit zahlreichen UnterstützerInnen sind wir gestern abend um ca. 20 Uhr in das Gebäude eingezogen und haben mit den ersten Instandsetzungsarbeiten begonnen. Bereits nach kurzer Zeit eilte eine große Zahl Polizeiwagen herbei und umstellte das Areal, kontrollierte PassantInnen und ging mit Hunden, Schlagstöcken und Pfefferspray bewaffnet gegen UnterstützerInnen der Besetzung vor.

Seit diesem Zeitpunkt ist die Deutz-Mülheimer-Strasse, eine wichtige Verbindung zwischen den beiden Kölner Stadtteilen, weiträumig abgesperrt. Zudem wird UnterstützerInnen auch verwehrt Wasser und Lebensmittel zu uns ins Gebäude zu bringen.

Dazu erklärt unsere Sprecherin: "Offiziell behaupten die Bullen, die Absperrungen dienen zum Freihalten von Rettungswegen. Dies ist genauso erlogen, wie angebliche Stein- und Flaschenwürfe, wie PolizistInnen in den Medien behaupten. Tatsächlich sollen wir hier drin ausgehungert und von der Öffentlichkeit abgeschnitten werden. Die Polizei ist wieder einmal übereifrig, den abstrakten Intressen des Kapitals zu dienen. Wenn wir uns durch die Besetzung ein Haus genommen haben, dann um darin zu leben und zu arbeiten und es nicht leerstehen und verrotten zu lassen. Wir sehen darin keine Straftat, sondern einen Akt der kollektiven Selbsthilfe gegen Armut, Erwerbs-, Obdach-, und Perspektivlosigkeit im Kapitalismus.

Wir fordern den sofortigen Rückzug der Polizeikräfte, einen Zugang für UnterstützerInnen zu uns ins Haus und die Möglichkeit, Lebensmittel zu uns zu bringen. Zu Gesprächen mit der Eigentümerin des Gebäudes sind wir bereit."

AZ-Kundgebung am 14. Februar anlässlich einer Ratssitzung vor dem Kölner Rathaus
Quelle: http://unsersquat.blogsport.eu/
 
Solidaritätserklärung des AZ zur Squatting-Aktion in Mülheim
 
Liebe BesetzerInnen des KHD Gebäudes in Köln-Mülheim, eigentlich haben wir in diesen Tagen mit dem Eintreffen der Kündigung des Nutzungsvertrags für die von uns besetzte ehemalige KHD-Kantine gerechnet. Dass uns stattdessen die Nachricht von Eurer Besetzung erreicht, macht uns umso glücklicher!
 
Wir freuen uns über Euren Schritt und Euren Mut. Wir finden es toll, dass Ihr ein leerstehendes Gebäude mit Leben füllt und und einen Versuch unternehmt inmitten des tristen und perspektivlosen Daseins einen eigenen hoffnungsvollen Weg zu gehen, einen Wohn- und Lebensraum für ein neues kollektives und selbstbestimmtes Zusammenleben zu schaffen und das gemeinsame Überleben im kapitalistischen Alltag - und darüber hinaus - zu organisieren.
 
Die Wohnsituation in Köln hat sich in den letzten Jahren extrem verschlechtert. Bezahlbare Wohnungen gibt es kaum, ausreichend Platz für das gemeinsame, solidarische Zusammenleben mehrerer Personen sucht mensch hier vergebens. Stattdessen schreitet die Verdrängung der Menschen immer mehr voran, die die steigenden Mieten nicht zahlen können oder nicht in das Wunschbild der Städteplaner - und ImmobilienbesitzerInnen passen.
 
Die Verantwortlichen der Stadt Köln konzentrieren sich in ihren krampfhaften Versuchen des Standortmarketings, der Imagekampagnen und Masterpläne, durch die phantasie- und leblosen aber allesamt gescheiterten Versuche abwechselnd Kulturhauptstadt, Internethauptstadt, sicherste Stadt oder Kreativenmetropole zu werden, auf wenige Besserverdienende und angebliche LeistungsträgerInnen, während sie die Menschen, die hier leben, zunehmend aus dem Blick verlieren.
 
Öffentliche Plätze werden kommerzialisiert und privatisiert, Obdachlose, Junkies, Arme und Erwerbslose werden vertrieben und zudem zum Umzug in immer randständigere Gegenden gezwungen. Selbst Studierende finden keine Wohnungen mehr, die sie sich leisten können. Junge Menschen, die einen eigenständigen Weg bestreiten wollen, haben keine Chance.
 
Natürliche Frei- und Grünflächen werden zugebaut und verplant, und dabei spielen die Bedürfnisse der Menschen keine Rolle. Der Godorfer Hafen wird trotz eindeutigem Bürgerentscheid erweitert, der Protest für den Erhalt des Kalkberg ignoriert. Stattdessen soll - ausgerechnet mit einem Grünstreifen als Argument - ein selbstbestimmter, unkommerzieller Veranstaltungsort, wie das Autonome Zentrum "weggeplant" werden.
 
Es sind diese Verhältnisse und es ist diese Politik, die Menschen dazu bringt, Widerstand zu leisten und sie zwingt sich selber zu helfen.
 
Diesen Versuch haben wir mit dem Autonomen Zentrum unternommen, indem wir über unsere Grenzen hinausgegangen sind und einige Funken des Möglichen aufgefangen haben. Und wir haben noch viel vor.
 
Und diesen Versuch unternehmt auch Ihr. Wir wünschen Euch dafür viel Energie für den Stress der nächsten Zeit und die Kraft, in dem von Euch besetzten Haus an der Umsetzung eurer Ideen zu arbeiten. Unserer Unterstützung könnt ihr dabei gewiß sein.
 
Wir freuen uns auf ein Jahr mit weiteren Besetzungen in Köln und anderswo, mit bestehenden und neuen selbstorganisierten Räumen, und - wenn es sein muss - dem Kampf dafür.
 
Squat Mülheim, Squat Kalk, Squat the hearts of the cities
Alles Liebe an Euch aus dem AZ

KStA: "Am Samstagabend verließen die Besetzer das Gebäude freiwillig" - Kommentar der BesetzerInnen:
 
Wir sind nicht überrascht. Weder darüber, dass die Cops Gespräche nur nutzten, um uns Lügen zu erzählen, noch dass von Beginn an der Staatsschutz vor Ort war, auch nicht, dass ein Helikopter immer wieder das Gelände aggressiv umflog und erst recht nicht, dass ca. 120 SchlägerInnen des Staates innerhalb von Minuten das Gebäude umstellten um 17 jungen Menschen mit gezückten Knüppeln entgegenzutreten. Auch die von der Polizei gestreuten Presselügen, Steine und Flaschen seien geflogen, überraschen uns nicht. Wir wissen, dass die Gewalt von oben ausgeht und deswegen sind die Bullen für uns nichts als brutale, willige Vollstrecker_innen. Sie sollen wissen, dass egal wie lange sie uns (halb-)nackt in Zellen stecken, sie unseren Willen nicht brechen.
Die Bullen sind für uns sexistische Drecksäcke. Wenn sie uns bei Durchsuchungen ekelerregend langsam und gründlich durch den Schritt fahren und weiblichen Genoss_innen auf den Hintern hauen und dies noch mit „Schätzchen“ kommentieren, dann zeigt sich, dass sie sich nur durch HERRschaft definieren. Die Gewalt, die uns Tag für Tag zermürbt wird in einem solchen Moment wie bei der Räumung in Mülheim ersichtlich. Der Staat zeigt seine Fratze.
Diese Räumung, die Falschaussagen der Polizei, die konstruierte Eskalation und die Taktik; das ist nicht nur ein Angriff auf uns, sondern ein Angriff auf alle und eine direkte Kampfansage des Polizeipräsidenten Albers und von jenen, für die er handelt, an die linksradikale und libertäre Bewegung in Köln, in Deutschland und überall auf der Welt. Zu warten, bis sie mit gezückten Waffen vor uns stehen, ist keine Option mehr.
Die Räumung eines besetzten Hauses ist nicht der einzige Moment, wo sie so auftreten. Sie treten immer so auf! Am selben Tag wurde ein Genosse, der in Münster gegen Faschisten auf die Straße ging, von Grün/Blauen ins Koma geprügelt! Wir sind solidarisch mit ihm und allen, die aus diesem Grund in Münster waren. Wir werden es nicht mehr hinnehmen. Jetzt ist eine neue Stufe der Gewalt erreicht und wir sind uns sicher, dass sie sich bei der Räumung des AZ Köln zeigen wird. Denn obwohl unser Projekt in eine andere Richtung gehen wird, sind und werden wir immer solidarisch mit dem AZ und jedem anderen linken Freiraum sein. Wir sprechen in diesem Zusammenhang schon jetzt von Räumung, weil wir in den Ereignissen der letzten Tage eine Strategie erkennen, die sich gegen alles Linksradikale richtet. In dieser Strategie gibt es keinen Platz mehr für runde Tische und schmeichelnde Floskeln.
Wir fordern die Menschen dazu auf, sich über ihre Position bewusst zu werden. Wo befinden wir uns jetzt? Es gibt keine andere Möglichkeit mehr als den Widerstand zu leben und zwar mit aller Konsequenz.
Sie stellten uns mit dem Rücken an die Wand weil sie selbst Angst davor haben, an die Wand gestellt zu werden. Wenn sie uns bekämpfen, zeigt uns das nur, dass sie uns fürchten und dass wir auf dem richtigen Wege sind.
Bildet Banden, organisiert euch, kriegt die Ärsche hoch!


Mehr Informationen und ein Kurzfilm unter http://squatted.blogsport.eu/ und http://unsersquat.blogsport.eu/ (PK)


Online-Flyer Nr. 344  vom 07.03.2012

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