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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Lokales
Anfrage an die Landesregierung wegen jahrelanger Schlamperei der Stadt Köln
Projekt „Mülheim 2020“ endlich umsetzen!
Von Peter Kleinert

Die Kölner Wahlkreisabgeordneten der LINKEN Carolin Butterwegge, Özlem Alev Demirel und die Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag, Bärbel Beuermann haben am 5. Januar zur skandalös schlampigen Umsetzung des Projektes „Mülheim 2020“ eine kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Die Gesamtkosten von rund 40 Mio. Euro sollen zu 50% durch die EU, zu 30% durch das Land NRW und den Bund und zu 20% durch die Stadt Köln, die Bundesagentur für Arbeit und das Jobcenter Köln finanziert werden. Eine der Fragen der Abgeordneten: Was kann die Landesregierung tun, um eine weitest mögliche Umsetzung des gesamten Programms und die Verausgabung aller zur Verfügung stehenden Finanzmittel im Rahmen des Programms „Mülheim 2020“ zu bewirken? – Im Folgenden im Wesentlichen der Text der kleinen Anfrage, der die Stadt Köln hoffentlich für das Projekt wach machen wird.
 
1. Umsetzung der Projekte
 
Nach dem Ratsbeschluss über das Programm „Mülheim 2020“ im Mai 2009 vergingen 2,5 Jahre bis zur ersten Ausschreibung von Projekten aus dem Handlungsfeld Lokale Ökonomie. Da alle Projekte bis September 2014 abgeschlossen sein müssen, kann von einer ursprünglich vorgesehenen 5-jährigen Projektförderung nicht mehr die Rede sein. Stattdessen verkürzt sich die Laufzeit der begonnenen und geplanten Projekte derart, dass verschiedene Projekte gar nicht mehr realisiert werden können. Die Ausschreibung des Projektes „Baustoff-Recycling und Second-Hand-Baumarkt“ wurde von der Bezirksregierung eingestellt, weil keine Aussichten mehr auf eine hinreichende Anschubfinanzierung bestehen.
 
2. Lokale Ökonomie
 
„Mülheim 2020“ bezieht sich im Rahmen des Programms „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung 2007 – 2013 (EFRE)“ auf dessen Förderachse 3.1 „Integrierte Entwicklung städtischer Problemgebiete“, bei dem wiederum das Handlungsfeld Lokale Ökonomie einen Schwerpunkt bildet.
 
Im Programm „Mülheim 2020“ wird die Lokale Ökonomie als eines von drei zentralen Handlungsfeldern ausgewiesen. Darin sind die Projekte „Büro Wirtschaft für Mülheim“ und „Beratungsscheck“ von zentraler Bedeutung, weil auf ihnen die Förderung, Unterstützung und Vernetzung der Lokalen Ökonomie vor Ort aufbaut, z.B. die Begleitung und Beratung von neu gegründeten Unternehmen, die Unterstützung der Wirtschaftsförderung beim Aufbau eines Netzwerks der Kreativ-, Kultur- und Medienwirtschaft am Standort Mülheim und ganz allgemein die Förderung weiterer Projekte des Programms wie z.B. des „internationalen Geschäftshauses“ aus dem Spektrum der ethnischen Ökonomie. Beide Projekte wurden Ende 2011 ausgeschrieben und können voraussichtlich Mitte 2012 und somit erst 3 Jahre nach dem Ratsbeschluss und 2 Jahre vor Ende der Programmlaufzeit durchgeführt werden.
 
3. ethnische Ökonomie
 
Eine zentrale Geschäftsstraße von Mülheim-Nord ist die durch ethnische Ökonomie geprägte Keupstraße, die wiederum 2004 Schauplatz eines Attentats von Neonazis war. Ein Signal der aktiven Unterstützung an die im Programmgebiet beheimateten Menschen mit Migrationshintergrund ist überfällig, sie nicht länger als „Problemgruppe“, sondern als wichtiges Potential zu begreifen. Ein „Leuchtturmprojekt“ des Programms „Mülheim 2020“ ist das „Internationale Geschäftshaus“. Gerade, weil hier die Investoren (die teilweise aus der Keupstraße und deren Umfeld stammen) über Eigenmittel verfügen, ist völlig unverständlich, wieso bisher kein geeignetes Grundstück ausgewiesen wurde, zumal der südliche Teil der Güterbahnhofsbrache im Programm „Mülheim 2020“ als Standort hierfür ausdrücklich benannt wird. Aus EU-Sicht ist die ethnische Ökonomie ein wichtiger Indikator für die Beurteilung des Programmerfolgs.
 
4. Empowerment / Hilfe zur Selbsthilfe
 
Ein zentrales Anliegen des Programms liegt in der Motivierung der Bewohnerinnen und Bewohner, sich vor Ort in Vereinen, Initiativen und allgemein bürgerschaftlich zu organisieren. Ein eigenständiges Stadtteilleben und soziales Gemeinwesen soll wieder aufgebaut, das Zusammenleben im Quartier gefördert werden. Laut Programm „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung 2007-2013 (EFRE)“ sollen selbst tragende Netzwerkstrukturen und Einzelprojekte gefördert werden, die auf den Prinzipien der Hilfe zur Selbsthilfe basieren. Das Stadtteilmanagement in Köln wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Es ist nicht vor Ort institutionalisiert, wo es „mit Priorität den Aufbau selbsttragender Bürgerorganisationen einleiten“ könnte. Auch wurden bisher keine Stadtteilbüros eingerichtet oder Bürgertreffs bereitgestellt, die bis hinein in die Nachbarschaftsebene wirken könnten. Im Umgang mit zwei Glaubensgemeinschaften, der schiitischen Gemeinde Abess Alschakeri e.V. und der christlichen Gemeinde Ministères de la Croix wurden die Defizite des Programmanagements besonders deutlich. Trotz offizieller Bitte um Unterstützung im Veedelsbeirat wurden die Gruppen aus ihrer jahrelang genutzten Halle auf Betreiben des Eigentümers vertrieben. Nach einem Ersatzraum hat die Verwaltung nicht einmal gesucht.
 
5. Entwicklung Mülheim-Nord
 
In der „Begründung zur Festlegung des "Gebiets der Sozialen-Stadt Köln-Mülheim" wird erklärt, dass ein Entwicklungskonzept für das Programmgebiet bereits mit dem "Integrierten Handlungskonzept MÜLHEIM 2020“ erarbeitet und vom Rat der Stadt Köln beschlossen worden sei. Im integrierten Handlungskonzept "Mülheim 2020“ wird jedoch explizit gefordert, dass die „Initiierung eines städtebaulich zusammenhängenden Entwicklungskonzepts im Mülheimer Norden“, „Öffnung der Keupstraße“ und „Entwicklung der Güterbahnhofsbrache“ als städtebauliche Leitprojekte auf der Agenda des Programms „Mülheim 2020“ stehen. „Die Stadt Köln braucht ein städtebauliches Entwicklungskonzept für Mülheim-Nord als Voraussetzung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des nördlichen Programmgebiets“ Dort heißt es weiter: „Die Entwicklung der Güterbahnhofsbrache ist eine zwingende Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung in Mülheim Nord“. Der südliche Teil der Industriebrache wird explizit als Standort benannt für ein „internationales Geschäftshaus“. Laut Sachstandsbericht der Stadtverwaltung vom 15.11.2011 ist ein städtebauliches Entwicklungskonzept für das ehemalige Güterbahnhofsgelände in Mülheim-Nord erarbeitet und im Veedelsbeirat am 20.06.2011 vorgestellt worden. Dabei handelt es sich um ein vom ehemaligen Eigentümer „aurelis“ beauftragtes Konzept, dem keine geregelte Bürgerbeteiligung zugrunde liegt und das hinfällig wurde, weil „aurelis“ an neue Eigentümer verkauft hat. Laut Niederschrift der öffentlichen Sitzung des Veedelsbeirats am 20.06.2011 gesteht der Beigeordnete Streitberger ein, dass es noch kein Entwicklungskonzept gibt. Der stellvertretende Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik verwies im Zusammenhang mit der Güterbahnhofsbrache darauf, „dass der Stadt als Nicht-Eigentümerin die Hände gebunden sind“ (Kölnische Rundschau vom 28.10.2010 „Mülheim hofft auf die Millionen aus Brüssel“). Die Stadt Köln erweckt den Eindruck der Handlungsunfähigkeit, obwohl bisher nicht alle planerischen und rechtlichen Instrumente angewandt wurden, um Mülheim-Nord und darin speziell die Güterbahnhofsbrache im Interesse der erfolgreichen Umsetzung des Programms „Mülheim 2020“ zu entwickeln.
 
In Anbetracht der Tatsache, dass das Land NRW Kooperations- und Kofinanzierungspartner des Programms „Mülheim 2020“ ist und ein Interesse an der zügigen und einheitlichen Umsetzung sowie einer Zweckmäßigkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen haben muss, fragen wir die Landesregierung:
 
1. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um eine weitest mögliche Umsetzung des gesamten Programms und die Verausgabung aller zur Verfügung stehenden Finanzmittel im Rahmen des Programms „Mülheim 2020“ zu bewirken?
 
2. Welche Konsequenzen hat die verspätete Ausschreibung der Projekte „Büro Wirtschaft für Mülheim“ und „Beratungsscheck Mülheim“ für die nachhaltige Förderung der Lokalen Ökonomie und für die Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Fördermittel?
 
3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um eine zügige Realisierung des Leuchtturmprojektes „Internationales Geschäftshaus“ zu unterstützen und hierdurch ein deutliches Signal für die Förderung der ethnischen Ökonomie durch das Programm „Mülheim 2020“ zu setzen?
 
4. Wie lassen sich die im Programm „Mülheim 2020“ beschriebenen Maßnahmen und Dienstleistungen für das Empowerment der Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils, der Initiativen und Selbsthilfewilligen besser fördern als dies derzeit durch das Programmmanagement der Stadt Köln erfolgt?
 
5. Welche Handlungsmöglichkeiten der städtebaulichen Entwicklung, des Planungsrechts, der Bürgerbeteiligung, Sanierung usw. sind nach Einschätzung der Landesregierung zweckmäßig, um im Teilraum Mülheim-Nord alle Voraussetzungen für die Umsetzung des Programms „Mülheim 2020“ zu schaffen?
 
Bärbel Beuermann
Carolin Butterwegge
Özlem Demirel
 
22 detaillierte NRhZ-Beiträge seit dem Jahr 2010 zu diesem für die Verantwortlichen bei der Stadt Köln peinlichen Thema finden Sie in der Suche-Rubrik durch Eingeben des Begriffes "Mülheim 2020". (PK)

Auch Kölner Grünen-Kritik in Sachen Mülheim
 
Was die Stadt Köln tut, wenn sie in Köln-Mülheim endlich mal handelt, kann man der folgenden aktuellen Pressemitteilung der Grünen in Mülheim entnehmen.
Unter der Überschrift "Mehr Lebensqualität auf der Frankfurter Straße" heiußt es da: Die Verwaltung hat in der Sitzung des Mülheimer Veedelsbeirats (16.01.12) den Abschlussentwurf für den Umbau der Frankfurter Straße vorgestellt. Dieser ist für die GRÜNEN KÖLN-MÜLHEIM nicht akzeptabel. Der Entwurf sieht statt einer notwendigen Verbreiterung des Bürgersteigs eine deutliche Verschmälerung vor.
"Hier wird nicht mehr Raum für Fußgänger geschaffen, wie Amtsleiter Hans Jürgen Oster versprochen hat. Die Fahrbahnbreite kann und soll nur maximal 8m betragen, zugunsten des Bürgersteigs.", erklärt Max Christian Derichsweiler, Sprecher des OV KÖLN-MÜLHEIM. Außerdem wird eine deutliche Verringerung der Anzahl von Parkplätzen gefordert. Zudem fehlen fußgängerfreundliche Querungsmöglichkeiten mit Zebrastreifen sowie Ampelübergänge mit „Allgrün“.
"Wir wissen, dass die Zeit drängt. Trotzdem fordern wir die zügige Umsetzung unserer Änderungen in den Abschlussentwurf inklusive des 30km/h-Tempolimits. Das ist ein klares Muss, damit die Frankfurter Straße wirklich eine „Flaniermeile“ für alle werden kann!", erklärt Ulla Schlömer, Sprecherin des OV KÖLN-MÜLHEIM.
Die Mitgliederversammlung der Mülheimer GRÜNEN empörte sich auf ihrer gestrigen Sitzung über den aktuellen Planungsstand. Das Projekt "Frankfurter Straße" als Teilbereich des Strukturförderungsprogramms "MÜLHEIM 2020" soll am kommenden Montag (30.01.12) in der Mülheimer Bezirkvertretung abgestimmt werden. (PK)


Online-Flyer Nr. 338  vom 26.01.2012



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