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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Kritik an Bonns OB Nimptsch wegen rechtswidriger Elefantenhaltung
Tierfreunde kündigen Proteste an
Von Peter Höffken und Ilka Schilling

Bei dem diesjährigen Bonner Weihnachtszirkus soll die dauerhaft in Einzelhaltung lebende Elefantendame Tembo auftreten. Tierfreunde der Tierrechtsgruppe Bonn haben Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) jetzt aufgefordert, seine Unterstützung für den Weihnachtszirkus zurückzuziehen, da laut den behördlichen Zirkusleitlinien diese sozialen Herdentiere gar nicht einzeln gehalten werden dürfen. Durch seine Grußbotschaft auf der Internetseite des Weihnachtszirkus unterstütze Nimptsch diese Tierquälerei, so der Vorwurf. Für die Premierenvorstellung am 20.12. haben die Tierrechtsaktivisten große Protestkundgebung vor dem Zirkuseingang angekündigt, um die Bonner BürgerInnen über die Tierquälerei im Zirkus zu informieren.

Aufbewahrung eines angeketteten Zirkus-Elefanten
Quelle: Tierrechtsgruppe Bonn
 
OB Nimptsch müsse seine Unterstützung für diese Tierquälerei sofort zurückziehen. Es wäre katastrophal, wenn ein Oberbürgermeister eine rechtswidrige, tierquälerische Tierhaltung wider besseres Wissen unterstütze. Die Isolationshaltung von Elefanten ist seit vielen Jahren laut Zirkusleitlinien in Deutschland verboten, denn die ständige Einsamkeit ist vergleichbar mit einer lebenslangen Einzelhaft für einen Menschen, erklären die Bonner Tierrechtsaktivisten.
 
Einer aktuellen Untersuchung des Vereins "Elefantenschutz-Europa e.V.“ zufolge leidet die Elefantendame Tembo zudem unter deformierten Beinen, starkem Minderwuchs und einer stereotypischen Verhaltensstörung. Diese deutlichen Krankheitssymptome sind typisch für Elefanten im Zirkus, die durch ein Leben in Ketten und dem harten Drill der Dressur mit dem Elefantenhaken lediglich eine Lebenserwartung von maximal 30 bis 35 Jahren haben, anstatt 60 Jahre alt zu werden, wie ihre Artgenossen in freier Natur.
 
Die Tierrechtsgruppe hat OB Nimptsch deshalb auch aufgefordert, nach dem Vorbild anderer Städte wie Köln, Potsdam oder Speyer Wildtiere im Zirkus auf kommunalen Flächen in Bonn zukünftig zu verbieten. Am 25.11.2011 habe der Bundesrat die Bundesregierung erneut aufgefordert, Wildtiere vor allem Elefanten, im Zirkus zu verbieten. Auch die Bundestierärztekammer fordert ein Verbot für Wildtiere im Zirkus, ebenso wie 13 europäische Länder, die bereits Wildtiere im Zirkus verboten oder stark eingeschränkt haben. Die Tierrechtsgruppe Bonn bittet alle Menschen, Zirkusse mit Tierdarbietungen grundsätzlich zu meiden.
 
Offener Brief an OB Nimptsch
 

OB Nimptsch während der Bonner Klezmertage
Einen Offenen Brief zu diesem Thema hat die Bonner Bürgerin Ilka Schilling an OB Nimptsch sowie an die Bonner Ratsfraktionen geschickt:
 
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Nimptsch,
ich schreibe Ihnen im Namen der Tierrechts-gruppe Bonn, ein Zusammenschluss von Tierfreunden aus Bonn und Umgebung. Anlass unseres Schreibens ist Ihre Unterstützung des diesjährigen Bonner Weihnachtscircus. Bei der Veranstaltung ist der Auftritt einer Elefantendame geplant, die unter fortdauernder Missachtung der behördlichen Zirkus-Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) in jahrelanger Einzelhaltung leben muss. Elefanten sind soziale Herdentiere, daher ist die Einzelhaltung eines Elefanten vergleichbar mit der Isolationshaft eines Menschen. Die Zirkus-Leitlinien untersagen deshalb die Einzelhaltung von Elefanten.
 
Wir sind uns sicher, dass Sie über diesen Umstand nicht Bescheid wussten, denn die Einhaltung behördlicher Tierschutz-Richtlinien hat bestimmt auch für Sie als Bonner Oberbürgermeister höhere Priorität als eine fragwürdige Unterhaltungsshow auf Kosten eines Tieres. Wir möchten Sie daher freundlich auffordern, auf den Veranstalter einzuwirken, den Auftritt der Elefantendame Tembo zu unterbinden oder andernfalls Ihre öffentliche Unterstützung für die Veranstaltung zu widerrufen.
 
Laut einer neuen Studie des Vereins „Elefantenschutz Europa e.V.“, die in der nächsten Ausgabe des Vereinsmagazins auszugsweise erscheint, leidet die Elefantendame Tembo unter deformierten Beinen, starkem Minderwuchs und einer stereotypischen Verhaltensstörung1. Eine Stereotypie ist eine psychische Erkrankung, unter denen die Tiere nach gängiger Lehrmeinung sehr leiden. Elefanten im Zirkus werden jede Nacht ihres Lebens angekettet. Der Bewegungsmangel, das ständige Stehen auf harten Untergrund und das ungünstige Klima hat bei Tembo wie auch bei den meisten anderen Elefanten im Zirkus zu einer Erkrankung des Bewegungsapparats geführt. In Folge dessen ist die Lebenserwartung insbesondere bei afrikanischen Elefanten im Zirkus stark verkürzt, kaum ein Tier wird 35 Jahre alt. In freier Natur wandern Elefanten bis zu 90 Kilometer am Tag und werden in der Regel 60 Jahre alt.
 
Am 25.11.2011 hat der Bundesrat mit überwältigender Mehrheit für ein Wildtierverbot,
insbesondere von Elefanten, in Zirkusbetrieben gestimmt. Bereits in 2003 hat der Bundesrat eine solche Entschließung gefasst. In Köln werden Auftritte von Zirkusbetrieben, die mit Wildtieren herumreisen, schon seit 2008 auf städtischen Flächen unterbunden. In immer mehr Städten gibt es ähnliche Verbote und Beschränkungen, zum Beispiel in Potsdam, Worms, Speyer, Stuttgart u.a.
 
Die stark verkürzte Lebenserwartung von Elefanten in Zirkusbetrieben, die ständige Unterschreitung der (ohnehin mangelhaften) Zirkusleitlinien und die systembedingt gewaltsame Dressur von Elefanten hat in Österreich und anderen EU-Ländern bereits zu einem Wildtierverbot im Zirkus geführt. Seit 2010 spricht sich die Bundestierärztekammer für ein Verbot von Wildtieren im Zirkus aus, ebenso wie die Mehrheit der Bevölkerung. In drei repräsentativen Umfragen in 2010 und 2011 sprachen sich jeweils zwei Drittel der Befragten gegen Wildtiere im Zirkus aus.
 
Leider ist diese längst überfällige Diskussion oder daraus resultierende Maßnahmen noch nicht im Bonner Rathaus angekommen. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, die oben aufgeführten Argumente sind mehr als ausreichend, eine Veranstaltung mit einer einzelnen Elefantendame nicht zu unterstützen. Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie den Veranstalter auffordern, auf den Einsatz der „Elefanten-Nummer“ zu verzichten oder ob Sie folglich Ihre öffentliche Unterstützung für den Weihnachtscircus zurückziehen.
 
Bereits jetzt dürfen wir Ihnen ankündigen, dass wir im Fall eines Elefanten-Auftritts die Zuschauer und die Presse vor dem Zirkus im Rahmen einer großen Kundgebung zur Premierenveranstaltung über die art- und gesetzwidrige Elefantenhaltung informieren werden.
Für weitere Informationen oder Ihre Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Über Ihre Antwort freuen wir uns.
Mit freundlichen Grüßen
Ilka Schilling
 
Peter Höffken ist Wildtier-Experte und Pressevertreter der Bonner Tierrechtsaktivisten (PK)


Online-Flyer Nr. 332  vom 14.12.2011



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