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Lokales
„Körnerstraße 77“ – Zeitung von Kölner Kindern und Jugendlichen - Heft 10
Mobbing
Von Chamella, Damiano, Jian, Klaus, Nora, Saman, Sirwan und Tarek

„Ende August 2006 fing alles mit einem kleinen Plakat an, mit dem wir für die Zeitungs-AG im Viertel geworben haben. Darin stand, dass wir eine Zeitschrift von und für Kinder und Jugendliche in Ehrenfeld machen wollen – über alles, was Kinder und Jugendliche interessiert“, heißt es im Editorial der „Körnerstrasse 77“. Interviews und Artikel des ersten Hefts waren so ideenreich, interessant und spannend, dass wir daraus eine Serie gemacht haben (1), damit sie auch andere Kölner Kinder und Jugendliche kennen lernen können. - Die Redaktion

Kinder von der „Körnerstrasse 77“
Quelle: www.koernerstrasse77.de
 
Klaus: Sarab hat vorgeschlagen einen Beitrag über Mobbing in dieses Heft zu nehmen. Tarek hat gleich erklärt, worum es dabei geht: Mobben bedeutet jemanden beleidigen. Mobbing ist auch, wenn man jemanden ausschließt aus einer Gruppe. Da er sich aber doch nicht ganz sicher war, haben wir im Internet-Lexikon wikipedia nachgesehen, aus welcher Sprache mobbing kommt und was es bedeutet: „Mobbing" oder Mobben (von englisch to mob „anpöbeln, angreifen, bedrängen, über jemanden herfallen“ und mob „Meute, Gesindel, Pöbel, Bande“) steht im engeren Sinn für Psychoterror am Arbeitsplatz mit dem Ziel, Betroffene aus dem Betrieb hinauszuekeln.
 
Im weiteren Sinn bedeutet Mobbing, andere Menschen ständig bzw. wiederholt und regelmäßig zu schikanieren, zu quälen und seelisch zu verletzen, beispielsweise in der Schule (Mobbing in der Schule), am Arbeitsplatz, im Sportverein, im Altersheim, im Gefängnis und im Internet (Cyber-Mobbing). Typische Mobbinghandlungen sind die Verbreitung falscher Tatsachen, die Zuweisung sinnloser Arbeitsaufgaben, Gewaltandrohung, soziale Isolation oder ständige Kritik an der Arbeit.“ Christiane hat darauf aufmerksam gemacht, dass es keine falschen Tatsachen gibt, sondern nur falsche Anschuldigungen.

Diskussion über Mobbing – in der Mitte der Gründer der „Körnerstrasse 77“, Klaus Jünschke
Foto: Klaus Jünschke
 
Nora: Wir haben bei uns seit der 5. Klasse einen Glücksbringer, ein Maskottchen, das hört sich vielleicht kindisch an, das ist ein Stofftier, der Willy aus der Biene Maja. Ja, da müsst ihr auch gar nicht drüber lachen. Jedenfalls haben in meiner Klasse Jungs mit unserem Willy nach Mädchen geworfen.Ich bin dann zu denen hin und habe die gefragt, warum die das immer werfen, ob die krank sind oder was, aber die haben immer weiter gemacht. Da ist dann ein Mädchen zu dem einen Jungen hin und hat den richtig scharf gefragt, warum er das macht. Da hat der angefangen zu heulen. Der ist voll der Außenseiter bei uns in der Klasse. Der hat immer viel gestört in der Klasse, seit der fünften, der hat voll viele Klassenbucheinträge bekommen. Dann ist er in eine Klinik gekommen für Kinder die schwer erziehbar sind, jedenfalls so eine Psychoklinik, und da haben die den behandelt. Als er zurück gekommen ist, ist er viel schlimmer als vorher. Er hat keine Freunde, muss aber
zu allem seinen Senf dazugeben.
 
Tarek: Bei uns in der Klasse gab es einen Jungen der hieß Micha, den haben wir gemobbt, ich habe da zuerst auch mitgemacht, aber dann damit aufgehört. Wir haben den immer Stricher genannt, das reimt sich ja, Micha der Stricher. Wir haben den gemobbt, weil er eine Brille trug und weil er so komisch ging. Einer hat mal erzählt, dass er ihn im Hansaring gesehen hat, da wo viele männliche Prostituierte sind, seither wurde er Micha der Stricher genannt. Der Lehrer hat uns aufgefordert aufzuhören, den Micha zu beleidigen. Die ganze Klasse hat sich da beteiligt, auch die Mädchen. Sogar unser Mathelehrer hat mitgelacht, wenn er Micha der Stricher genannt wurde. Der hatte auch immer zu enge Hosen an, da ist der auch Schwuchtel genannt worden. Er hat so lange blonde Haare und hat auch enge t-shirts an. Er redet auch nur mit Mädchen. Er hat auch eine komische Stimme, feminin halt. Einmal hat er sich sogar geschminkt. Da kam er mit Lippenstift in die Klasse und deswegen wurde er schikaniert. Der ist dann auf eine andere Schule gegangen, bei uns hat er das nicht mehr ausgehalten, so wie über den gelacht wurde.
 
Klaus: Aber hier in Köln in den Straßen kann man doch auch schon Männer sehen, die einen Rock tragen und die auch geschminkt sind.
 
Tarek: Das ist Transsexualität.
 
Klaus: Warum wird es nicht akzeptiert, wenn sich ein Junge schminkt?
 
Tarek: Aber sagt doch ehrlich, wenn das in eurer Schule wäre, wenn da einer der Jungen geschminkt kommt, würdet ihr da nicht lachen?
 
Nora: Ich glaube schon.
 
Saman: Ich habe noch niemand gemobbt.
 
Tarek: Wer sich schminkt, will ja die Aufmerksamkeit haben.
 
Sirwan: Ich hab mal einen geschlagen, weil er mich genervt hat. Der hat mir den Mittelfinger gezeigt. Das war ein Zigeuner.
 
Jian: Bei uns an der Schule ist ein Mädchen, die wird sehr oft von anderen Jungs und Mädchen gemobbt. Die wird immer gehänselt, dass sie mal abnehmen soll oder dass sie mal duschen soll. Einmal hat sogar eine Lehrerin das Mädchen Schlampe genannt. Ich hab dann der Lehrerin gesagt, dass sie damit aufhören soll. Da hat die gemeint, wir könnten ruhig zur Direktorin gehen. Da bin ich dann auch mit meiner Freundin hin und wir haben das dort
gesagt. Ich weiß nicht, was die gemacht haben, aber das Mädchen wird jetzt weniger gemobbt.
 
Klaus: Warum werden dicke Menschen gemobbt?
 
Tarek: Da heißt es dann fette Sau. Selbst schuld, wenn die soviel essen.
 
Nora: Es gibt aber auch Menschen, die sind krank und werden deshalb dick.
 
Tarek: Ich kenne einen dicken Jungen, der sagt, ich bin froh, dass ich dick bin. Ich habe Polster.
Klaus: In den USA gibt es jetzt eine Bewegung, die nennt sich fat-right, also ungefähr fett ist OK. Die schwarzen Amerikaner hatten sich auch so gewehrt mit ihrer Parole „black is beautiful.“
 
Nora: Bei denen in den USA ist das normal, da sind voll viele fett. Da ist jeder zweite fett.
 
Tarek: Wenn man sagt, fett ist schön, das ist doch nicht schön fett. Ist das schön?
 
Klaus: Macht die Augen auf, es gibt Männer, die lieben ihre dicke Frau und es gibt Frauen, die lieben ihre fetten Männer.
 
Sarab: Bei uns in der Klasse wird man nicht gemobbt. Die Mädchen halten alle zusammen. Die Jungen auch. In der Schule gibt es schon mobbing, auch in der Parallelklasse. Da ist zum Beispiel ein Junge, der ist neu an unserer Schule und der hat so blonde Haare wie Justin Bieber.
 
Nora: Der hat aber keine blonden Haare, der hat braune Haare
 
Sarab: Dem hängen die Haare so runter, dass man die Augen nicht sehen kann, und alle sagen zu dem Emo und er weint auch ständig. .
 
Klaus: Was heißt Emo?
 
Nora: Die ziehen sich ganz schwarz an.
 
Tarek: Die ritzen sich in die Haut und hören Hard-Rock-Musik.
 
Jian: In Wikipedia steht, die Emos zeichnen sich durch das starke Betonen von Gefühlen wie Trauer und Verzweiflung aus.
 
Klaus: Warum habt ihr Akin gemobbt?
 
Saman: Keine Ahnung.
 
Nora: Von wegen noch niemand gemobbt.
 
Tarek: Die haben aufgehört den Akin zu ärgern. Wenn der Akin andere mobbt, ist das auch nicht gut, oder? Die haben den Akin immer Döner genannt.
 
Saman: Und Fleisch.
 
Jian: Saman, warum hast du das gemacht? Fandest du das nicht gemein von dir?
 
Klaus: Und was hat Akin zu dir gesagt?
 
Saman: Kein Land.
 
Klaus: Was hat das zu bedeuten? Ich habe auch kein Land.
 
Nora: Der meint, die Kurden haben kein Land.
 
Tarek: Der Akin hat mal gesagt: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Schönste in seinem Land. Und damit wollte er sagen, dass Saman gar nicht antworten kann, weil er kein Land hat.
 
Sirwan: Der Akin sagt zu uns auch immer „halts Maul“.
 
Saman: Der ärgert auch immer den Andi.
 
Jian: Wenn er euch nervt, dann sagt ihr zur Antwort irgend so ein gemeines Wort?
 
Nora: Dann wird ja alles noch schlimmer.
 
Jian: Das ist echt toll.
 
Nora: Dämlich.
 
Klaus: Warum wird Akin nicht mehr gemobbt?
 
Tarek: Saman und Akin sind wieder gute Freunde geworden.
 
Klaus: Sirwan, wie habt ihr das Mobben von Akin beendet?
 
Sirwan: Saman hat sich entschuldigt. Wir haben gesehen, dass der immer nicht mit anderen redet, der war ganzallein. Das war link für Akin.
 
Madlin. Es gibt immer einen Außenseiter in der Klasse. Bei uns ist es ein Mädel. Ich hasse die schon seit der Grundschule. Sie ist eine Hässlichkeit. Wir mobben die und die mobbt selber. Letztens hat die mir einfach eine geklatscht.
 
Nora: Hat die dir eine Backpfeife gegeben?
 
Madlin: Ja, die hat mir eine Backpfeife gegeben.
 
Nora: Voll die Hässliche.
 
Madlin: Ich habe die nicht geschlagen, denn dann hätte ich Ärger bekommen. Als ich es der Lehrerin gesagt habe, hat die geweint. Nichts Neues.
 
Nora: Voll die Schauspielerei.
 
Saman: Hat die Freunde?
 
Nora: Wenn die eine Außenseiterin ist,ndann hat die doch keine Freunde.
 
Madlin: Die muss sich in der Klassengemeinschaft zurechtfinden und auch mal nett zu anderen sein.
 
Klaus: Ich habe den Eindruck gehabt, dass Wolfgang von euch Jungs gemobbt worden ist. Warum?
 
Tarek: Wolfgang zieht sich immer sehr bunt an, das sieht irgendwie komisch aus und da habe ich gelacht. Der zieht sich manchmal so lila an und grün. Das sieht lustig aus. Ich verarsche den manchmal auch.
 
Sarab: Warum, nur weil er so nett ist?
 
Tarek: Ich weiß nicht, ich habe den nicht so richtig verarscht.
 
Klaus: Der wollte schon gehen wegendir.
 
Tarek: Wir haben manchmal über den gelacht.
 
Sirwan: Aber der Tarek hat auch gesagt, das tut ihm voll leid.
 
Tarek: Wir waren mal im Park und da haben alle voll Scheiße gebaut und sind abgehauen und da hat Wolfgang zu mir gesagt, Tarek, bitte hilf mir. Und dann habe ich hinterher öfter gesagt, Wolfgang können wir helfen. Aber ich habe mich bei ihm entschuldigt.
 
Sarab: Ich lache nicht über Wolfgang. Er ist voll nett und hilft uns bei den Hausaufgaben.
 
Klaus: Warum wird gemobbt?
 
Chamella: Ein Grund ist Neid. Zum Beispiel wenn einer bessere Noten hat, dann wir er meistens gemobbt.
 
Samara: Diejenigen, die andere mobben, wollen cool erscheinen.
 
Nora: Die meisten, die mobben, wurden selbst gemobbt, als sie kleiner waren und jetzt geben die das weiter.
 
Klaus: Was habe ich davon, wenn ich andere mobbe?
 
Chamella: Man bekommt mehr Aufmerksamkeit von den anderen, man fühlt sich dann irgendwie besser, weil man als stärker erscheint und der andere als schwach dasteht.
 
Tarek: Manche haben auch Angst davor, nicht dazuzugehören und machen beim Mobben deshalb mit.
 
Damiano: Wenn zum Beispiel einer es schafft, Profifußballer zu werden, dann könnte er auch anderen sagen hah, hah, du hast es nicht geschafft.
 
Klaus: Wenn Stärkere die Schwächeren in der Klasse mobben, schaut da die Klasse immer zu?
 
Chamella: In der Grundschule haben wir sehr oft diejenigen verteidigt, die gemobbt wurden.
 
Damiano: In unserer Klasse wurde einer geschlagen, nur weil er etwas dicker ist, als die anderen. Salar und noch ein Freund und ich passen jetzt auf den auf, dass dem nichts passiert. Unser Lehrer, der Streitschlichter ist, hat mit uns gesprochen und seither machen wir das. (PK)
 
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10620
 
 
Die "KÖRNERSTRASSE 77" ist ein Projekt des Kölner Appell gegen Rassismus e.V. www.koelnerappell.de und hat eine eigene Projekthomepage: www.koernerstrasse77.de. Klaus Jünschke hat die Zeitung im August 2006 zusammen mit Kindern und Jugendlichen aus der Hausaufgabenhilfe des Kölner Appells gegründet und war für die bisher erschienenen Ausgaben verantwortlich, von denen man die Nummer 11 zurzeit kaufen und damit das Projekt unterstützen kann.


Online-Flyer Nr. 332  vom 14.12.2011

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