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Aus dem "Eulenspiegel"-Buch "Lügenbarone und Ganoven"
Jean-Claude Juncker - Europas Ausverkäufer
Von Werner Rügemer

Achtung: Die Politsatire in Deutschland lebt! Peter Sodann (75), viele Jahre lang Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant in Halle an der Saale, hat als Herausgeber des Buches "Lügenbarone und Ganoven" im Eulenspiegel-Verlag im September "fünfzig wahrheitsgemäße Porträts wichtiger, aber unnötiger Deutscher" veröffentlicht. Der Journalist, Buchautor und Kölner Karls-Preis-Träger der NRhZ, Werner Rügemer, ist mit fünf Beiträgen dabei - Angela Merkel und Henryk Broder haben wir schon vorgestellt. Diesmal geht es um Jean-Claude Juncker, den Rügemer mit der Überschrift "Kapital, Kirche, Korruption: Europas Ausverkäufer" vorstellt. Viel Spaß wünscht die Redaktion.
 

Jean-Claude Juncker
Quelle: www.n-tv.de
Jean-Claude Juncker
Quelle: www.n-tv.de
 
„Ich würde es sehr begrüßen, wenn unsere griechischen Freunde nach dem Vorbild der deutschen Treu- handanstalt eine regierungsunab-hängige Privatisierungsagentur gründen würden. Sie sollte auch mit ausländischen Experten besetzt sein“. Luxemburgs Premierminister Juncker will Griechenland „retten“. Doch der christlich lackierte Biedermann aus dem kleinsten Mitgliedsstaat der Europäischen Union agiert als Bauchredner deutscher und internationaler Bankster.
 
„Unsere griechischen Freunde“: Dies hinterfotzige Süßholzgeraspel meint, dass korrupte griechische Politiker den Ausverkauf ihres Staates betreiben sollen. „Vorbild der deutschen Treuhandanstalt“: Der Kohl-Imitator ist nicht nur ewiger Premierminister des großherzoglichen Puppenstaats, sondern war bis 2009 auch 20 Jahre lang Finanzminister. Vom Cheflobbyisten der zweitgrößten Finanzoase der Welt wurde er zum Cheflobbiysten der europäischen Großbanken. In Luxemburg residierten nach der Schweiz die meisten Briefkastenfirmen, über die die Treuhand das Vermögen der DDR verscherbelte und Ostdeutschland zur kolonisierten Sonderwirtschaftszone mit hoher Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen machte.
 
„Regierungsunabhängige Privatisierungsagentur“: Die westdemokratische Lügensprache meint: Es herrschen McKinsey, Deutsche Bank und ALDI. Wie in der Berliner Treuhand sind die Manager von Haftung und Strafverfolgung freigestellt. „Auch mit ausländischen Experten besetzt“: Juncker war nebenbei ein Jahrzehnt lang auch Gouverneur des Internationalen Währungsfonds in Washington. Außerdem ist er seit 2004 irgendwie unkündbar auch noch Vorsitzender der „Euro-Gruppe“. Er will den Euro retten, koste es was es wolle. Experten sind für ihn besser als Demokraten. Experten werden nicht gewählt, jedenfalls nicht vom Volk, und sie können sich heimlich treffen: Junckers idealer Staat. Beim Luxemburger Satiremagazin "Den Neie Feierkrop" (Neue Feuerzange) heißt Juncker wegen seiner autoriären Haltung „Bokassa“.
 
Bokassa? Diktatoren vom Schlage Bokassa, Mobutu und Saddam Hussein, Steuerhinterzieher aus Nachbarstaaten und schwarze Konten der FDP finden im Junckerland immer ein Versteck. Wenn der US-Hedgefonds Fortress einen sicheren juristischen Sitz für seine 48.000 Dresdner Wohnungen braucht – der schwarze Großdiktator hat schon alles vorbereitet.
 
„Bokassa“ kann als geübter Demagoge seine wenigen Landsleute mit letzeburger Dialekt heimelig belatschern, und er kann schon mal mit treuherzigem Augenaufschlag die mächtigen Nachbarn kritisieren. Umso besser kann er deren Interessen vertreten, vorzugsweise hinter den Kulissen. Die „Maastricht-Kriterien“, das Finanzgesetz der Europäischen Union, und der Euro sind wesentlich sein Werk, und Übervater Helmut Kohl hat ihm namens der deutschen Exportweltmeister immer freundlich das Hinterköpfchen gestreichelt.
 
Die Familie des getarnten Musterdeutschen war während der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg drangsaliert worden. Daraus zog aber Jean-Claude die Konsequenz, sich dem vorläufig abgezogenen Nachbarn anzudienen. Das organiserte seine Christlich-Soziale Volkspartei. So konnten die Banken der ehemaligen Besatzungsmacht schon 20 Jahre später wiederkommen: Im Land der CDU-Schwesterpartei konnten sie ihre ersten Auslandsfilialen errichten und von dort die ersten Schritte zur Globalisierung machen. Seitdem haben die Deutsche Bank und 70 weitere deutsche Banken die Finanzoase gut zu ihren Diensten. Petrodollars, United Bank of Switzerland und J.P Morgan kamen dazu.
 
Für diese seine „Vision für Europa“ wird er serienweise im Unternehmer- und Kirchenmilieu belohnt und geehrt. Natürlich fing es mit dem Großen Verdienstkreuz der BRD an, 1988, und Meister Kohl laudatierte. Der nächste Preis war der des Bankers Edmond Israel, Präsident des jüdischen Konsistoriums Luxemburg und Gründervater der christlichen Finanzoase. Seitdem geht es Schlag auf Schlag: Franz-Josef Strauß-Preis, Hanns Martin Schleyer-Preis, Fasel-Preis (Unternehmer Fasel und Weihbischof Grewe), Heinrich Brauns-Preis (Erzbistum Essen), Winfried Preis (Bistum Fulda), Liborius-Medaille (Erzbistum Paderborn), Thomas von Kempen-Ehrenstele („Nachfolge Christi“), Batliner-Preis (Batliner, Kohl-Intimus, Treuhänder der CDU-Stiftungen und tausender vermögender deutscher Steuerflüchter in Liechtenstein), Aachener Karlspreis, Landesverdienstorden von Baden-Württemberg (gestiftet vom ehemaligen Marinerichter und Ministerpräsidenten Filbinger, verliehen 2011 als eine der letzten Amtshandlungen von dessen gottseidank abgewähltem Nachfolger Mappus). Der als Luxemburger Politiker Verkleidete wurde endlich als Banker enttarnt, als er 2008 zum „European Banker of the Year“ gekürt wurde und 2009 die Laudatio auf seinen Preis-Nachfolger Ackermann halten durfte.
 
Da ist längst zusammengewachsen, was zusammengehört: Kirche, Kapital, Korruption und Politik am rechten Rand: Christliches Abendland vor dem Verfall, der noch viel neues Euro-Unglück anrichten wird, wenn es nicht aufgehalten wird. (PK)


Online-Flyer Nr. 327  vom 09.11.2011



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