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Das Konzentrationslager Buchenwald darf man nicht vergessen
Für Deutsche „identitätsstiftend“
Von Hans-Dieter Hey

Am 14. September 1958 kamen bei strahlender Sonne in Thüringen zehntausende Menschen aus 21 Nationen auf dem Ettersberg bei Weimar zusammen, um die „Nationale Gedenkstätte Buchenwald“ einzuweihen. Sie wurde in den Jahren danach immer wieder ausgebaut. Das "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus", wo von den Nazis zwischen Juli 1937 und April 1945 etwa 250.000 Menschen gefangen gehalten und Tausende umgebracht wurden, spiegelt auch den "Kalten Krieg“ dieser Zeit wider. Auch aus diesem historischen Zusammenhang sollte die Gedenkstätte nicht vergessen werden – in Zeiten wie heute, in denen sich Deutschland wieder an Kriegen beteiligt und auf dem rechten Auge blind ist.


Eingang von Innen, dahinter Lagerkommandantur

Stolz verkündete an diesem 14. September der DDR-Rundfunkreporter: "Eine solche Feier, verehrte Hörerinnen und Hörer, ist in Westdeutschland leider unmöglich. Aber hier in der Deutschen Demokratischen Republik wird der antifaschistische Kampf, hier in der DDR wird der Kampf für den Frieden vom ganzen Volk mit seiner Regierung getragen." (1)
 
Eingang Kommandantur: Abtritt für Nazistiefel

Dieser Satz macht klar, worum es dem ZK der DDR ging. Nach der "antistalinistichen Revolution“ (2) vom 17.6.1953 und in Zeiten des Kalten Krieges suchte die DDR-Führung verzweifelt nach Selbstlegitimation. Das Konzentrationslager Buchenwald bot die willkommene Gelegenheit, es als Stätte eines nationalen pädagogischen Auftrags für die kommunistische, humanistische und antifaschistische Debatte zu instrumentarisieren. Die Losung hieß: „Die Opfer des faschistischen Terrors mahnen: Völker aller Länder, verteidigt das höchste Gut der Menschheit, den Frieden in der Welt“.

Ehemaliger Lagerbereich


Kein Entkommen möglich

Schon früh wurde dem ZK der SED vorgeworfen, nicht alle Opfer des KZ Buchenwald in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte ausreichend und historisch angemessen zu würdigen, sichtbar unter anderem in den verherrlichenden Darstellungen eines "sauberen“ Widerstandes, der die Lebenswirklichkeit im Konzentrationslager Buchenwald nicht annähernd abzeichnete, oder darin, ganze Gruppen von Häftlingen einfach zu ignorieren, den kommunistischen Widerstand dagegen als heldenhaft emporzuheben. In Erklärungsnot schrieb das ZK am 25.4.1958, die Einweihung stehe "nicht nur im Zeichen des Gedenkens, Erinnerns und der Trauer um die Toten, sondern nimmt Stellung zu den Gegenwartsaufgaben der demokratischen und sozialistischen Kräfte im Kampf um die Erhaltung und Sicherung des Friedens“. (3) 

Heimtückische Genickschussanlage

Dazu gab es eine gewisse Berechtigung, da sich die BRD mit der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit deutlich schwerer tat als die DDR. Bald  wurden in beiden Staaten wieder Streitkräfte aufgebaut. Als in der DDR 1945 die Volkspolizei als Schutz-, Verkehrs-, Wasser- und Kriminalpolizei gegründet wurde, war die Antwort der BRD darauf die Gründung des paramilitärischen "Bundesgrenzschutzes" (heute Bundespolizei) am 15.2.1952, in dem zahlreiche Nazi-Militärs, vor allem Führungskräfte, wieder unterkamen. Eine gewisse Nähe zu heutigen rechtsradikalen Kreisen wurde Bundesgrenzschutzbeamten später nachgesagt. (4)


Ort für Menschenversuche und "Totspritzen"
 
Nach der Gründung des BGS sah sich die DDR am 1.7.1952 genötigt, zunächst die Kasernierte Volkspolizei als Vorläufer der Nationalen Volksarmee zu gründen, die dann am 18.6.56 - als Antwort auf die offizielle Gründung der Bundeswehr am 12. November 1955, als man den ersten Soldaten ihre Ernennungsurkunden in der Ermekeilkaserne überreichte - aufgebaut wurde. Soviel zur historischen Reihenfolge der "kalten Kriegstreiberei“ dieser Zeit. Vor allem im Westen scheute man sich nicht, auf alte Nazis auch für die Bundeswehr zurückzugreifen. So durfte der als Kriegsverbrecher zu 18 Jahren Haft verurteilte ehemalige Nazi-Feldmarschall Erich von Manstein ab Mai 1956 Konrad Adenauer beim Aufbau der Bundeswehr helfen. Er kam nach nur drei Jahren Vollzug dafür rechtzeitig aus der Haft. (5) Und heute, 66 Jahre nach Kriegsende, ist Deutschland weit entfernt vom Auftrag der Väter des Grundgesetzes: „Von Deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.“ Krieg ist wieder ein probates Mittel geworden. Erst kürzlich stellte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière mehr Kriegseinsätze in Aussicht. (6)

 
Im Keller massenweise Menschen erhängt

Gerade deshalb und wegen unserer historischen Erfahrung wird die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald wichtig, so sehr sie einen aus manchen Gründen nachdenklich machen kann. Verschwiegen wird dazu manches in den offiziellen Medien, z.B. die Tatsache, dass Buchenwald nicht von der US-Armee befreit wurde, sondern dass eine kommunistische Gruppe unter den Gefangenen monatelang eine "Selbstbefreiung" der Häftlinge vorbereitet hatte. Die wurde schließlich durchgeführt, als die Amerikaner einige hundert Meter unter dem Ettersberg Richtung Osten vorbei marschierten. Das kann man getrost der manchmal merkwürdigen Auseinandersetzung mit der damaligen Zeit in Rechnung stellen. Heute kann und müsste die die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald, fordert der Historiker Manfred Overesch, „für alle Deutschen indentitätsstiftend sein.“ (7)
 
Die Fotografien wurden während des DGB-Bildungsseminars „Wider das Vergessen“ im September 2011 gemacht. (PK)
 _________________________
1) "Buchenwald und die DDR", Rede von Manfred Overesch anlässlich der Vorstellung seines gleichnamigen Buches am 29./30.3.1995 in Bonn   
2) http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=11263&Itemid=313
3) M. Overesch: "Buchenwald und die DDR: oder Die Suche nach Selbstlegitimation", Vanderhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995
4 http://www.nadir.org/nadir/archiv/Antirassismus/bgs_broschuere/t21b.html 
5) J. Friedrich: Die kalte Amnestie – NS-Täter in der Bundesrepublik, Ullstein-Verlag 2007 
6) „Weniger Soldaten, aber dafür mehr im Ausland“, Spiegel-online v. 27.05.2011 
7) M. Overesch, Rezension zu „Buchenwald und die Antifaschismus-Debatte, Hildesheim 2005


Archäologin Rosi Garcia präsentiert einen vor vier Wochen ausgegrabenen
Rasierpinsel, hergestellt aus einer Sicherung


Mit Daten versehener Löffel


Selbstgefertigtes Gebiss aus Metallresten


Zwischendurch auf andere Gedanken kommen


Am Ende stand der Tod: Krematorium


Verbrennungsöfen der Firma Topf & Söhne, Erfurt, oberhalb: da die
Ermordeten zu dünn waren und genügend eigenes Körperfett mehr hatten, wurde künstlich Öl zugeführt


Anonyme Opfer des "Sonderlager 2"


"Turm der Freiheit" am Ettersberg von 1963


Figurengruppe befreiter Häftlinge


Stelenweg zum Ringgrab


Stelen über "Lagerleben" und Befreiung


Ringgräber


"Straße der Nationen"

Fotos: Hans-Dieter Hey


Online-Flyer Nr. 323  vom 12.10.2011



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