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Benin: Zwischen Meer und Sahelzone
Am Bauch von Afrika
Von Wolfgang Bittner

„E no good our leaders dey do“, singt der nigerianische Musiker Femi Kuti in Pidgin-Englisch. „Their mission na to steal and steal, dem just dey steal all de money.“ Der Sänger ist ein Popstar und eine Stimme des Volkes in Nigeria, einem Nachbarland von Benin. Während in Nigeria die Korruption des Regimes offen und schamlos zu Tage tritt, scheint es in der Republik Benin – seit 1990 offiziell eine Demokratie – nicht derart willkürlich zuzugehen. Einer der Hauptfaktoren im Korruptionsunwesen ist sicherlich der Hafenbetrieb in Cotonou, die wichtigste Einnahmequelle des Landes. Aber es kommt bei Weitem nicht so viel Geld ins Land, wie beispielsweise in Nigeria, wo es Ölvorkommen gibt.

Baumwollpflückerinnen auf einem Feld bei Parakou
Alle Fotos: Wolfgang Bittner

Benin (bis 1975 Dahomey und ehemals französische Kolonie) ist eines der ärmsten Länder der Welt. Das Land erstreckt sich vom Meer etwa 700 Kilometer bis an die Grenzen von Burkina Faso und Niger; die Nachbarländer sind Togo und Nigeria. Nicht zu vergessen ist, dass Westafrika, so auch Benin, früher ein Zentrum des Sklavenhandels war, allerdings nicht nur von den weißen Kolonialherren betrieben, sondern ebenso und bereits vorher von einheimischen Königen.

An der Küste vor Cotonou
 
Das wirtschaftliche Zentrum Cotonou, am Golf von Guinea gelegen, ist eine weiträumig und für europäische Verhältnisse völlig chaotisch bebaute brodelnde Millionenmetropole: Büro- und Geschäftshäuser, keines höher als zehn Stockwerke, pompöse Regierungspaläste und streng bewachte Villen neben schäbigen Hütten und Verschlägen, in denen die Ärmsten der Armen von der Hand in den Mund leben. Wer es sich irgendwie leisten kann, besitzt ein Kleinkraftrad, und es scheint, als sei die Hälfte der Bevölkerung trotz schlechtester Straßenverhältnisse ständig mit diesen Motorrädern überwiegend chinesischen Fabrikats unterwegs.

Mitten in Cotonou, der Hauptstadt Benins/Westafrika
 
In Natitingou im Norden, wo schon die Savanne beginnt, lebt seit zweieinhalb Jahren der Deutsche Horst Oebel aus Köln mit seiner Frau. Das Ehepaar fühlt sich wohl in Benin. „Das Leben hier ist natürlich extrem anders als in Deutschland und manchmal schwierig für uns Europäer“, sagt Horst Oebel. „Man muss schon sehr auf seine Gesundheit achten. Aber die Menschen sind freundlich, wir haben nie ernsthafte Probleme mit der einheimischen Bevölkerung gehabt.“ Er vermisse Deutschland nicht, fügt er hinzu, ein gemütlich wirkender aktiver Mittvierziger, der auf die Menschen zugeht. Das kommt ihm bei seiner Arbeit für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sehr zugute.

Slum an einer stillgelegten Eisenbahnlinie in Cotonou
 
Die Zentrale der GIZ, für die mehr als zwanzig deutsche Experten und ungefähr 130 inländische Fachkräfte tätig sind, befindet sich in Cotonou. Ihre Direktorin, Sabine Diallo, hat schon in verschiedenen Ländern Afrikas gearbeitet und ist mit einem Wissenschaftler aus Mali verheiratet. „Unsere Schwerpunkte“, erklärt sie, „sind kurz gesagt: Wasser, Landwirtschaft, Dezentralisierung und Grundbildung.“ Unter Dezentralisierung wird die Beratung beim Aufbau selbstverwalteter kommunaler Einheiten verstanden.

Fischerdorf am Golf von Guinea
 
Die GIZ berät und fördert Projekte im Rahmen der technischen Zusammenarbeit mit beninischen Partnern aus Regierung, Verwaltung sowie privaten Unternehmen. „Mit einem großen Vertrauensvorschuss“, wie Frau Diallo betont. Zuständig für die finanzielle Kooperation ist die KfW Entwicklungsbank (frühere Kreditanstalt für Wiederaufbau). Beide Institutionen arbeiten eng zusammen, und zwar im Auftrag der Bundesregierung. An Mitteln standen seit 1962 insgesamt 450 Millionen Euro zur Verfügung, für die nächsten drei Jahre beträgt der Etat 45 Millionen Euro. Auch die KfW unterhält in Cotonou ein Büro; Direktorin ist die 31-jährige Luise Torvelainen aus Berlin.

Markt in Ouidah
 
Die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, deren Hauptarbeitsgebiet die Entwicklungshilfe ist, koordiniert die verschiedenen Engagements und Initiativen. Hin und wieder kommen Parlamentarier aus Deutschland zu Besuch, die sich während einer Rundreise durch afrikanische Länder über die Verhältnisse vor Ort informieren wollen. Der Botschafter hatte gerade für den Beauftragten der Bundeskanzlerin für Afrika eine zweitägige Reise in den Norden Benins zu organisieren. Besichtigt wurden vor allem Fabrikationsanlagen für Baumwolleund Cashewnüsse in der Gegend von Parakou sowie ein Schulzentrum.

Baumwollspinnerei in Parakou
 
Baumwolle und Cashewnüsse gehören zu den wichtigsten Exportwaren Benins. Allerdings ist der Zustand der Hauptverkehrsstraßen zur Küste außerordentlich schlecht, und eine Eisenbahnlinie von Parakou nach Cotonou wird nur sporadisch benutzt, sodass es Transportprobleme gibt. Auch hier wird deutlich, dass es im Land häufig an Organisation mangelt. Ein Beispiel dafür ist der Kauf von drei Lokomotiven aus Indien, die jedoch zunächst nicht zum Einsatz kommen konnten, weil die Tragfähigkeit des Gleisbettes nicht ausreichte. „Es wäre zu wünschen“, sagt der Botschafter, „dass Regierung und Verwaltung in diesen Fragen mehr Einsatz zeigen würden.“ Er bemerke zwar eine deutliche Entwicklung in den westafrikanischen Ländern, fügt er hinzu, aber es gehe „alles sehr langsam“.

Auf der Lagune bei Ouidah
 
Benin ist mit neun Millionen Einwohnern ein kleines Land, das zurzeit über keine nennenswerten Ressourcen verfügt. Auch der Fremdenverkehr spielt, trotz wunderschöner Sandstrände am Atlantik und Safari-Angeboten im Norden, bislang keine Rolle. Mehr als vierzig Prozent der Bevölkerung sind Christen, knapp dreißig Prozent Moslems und etwa siebzehn Prozent bekennen sich zum Voodoo-Kult. Amtssprache ist Französisch, die Währung der CFA Franc (Communauté Financière Africaine). Hauptnahrungsmittel sind Maniok- und Yamswurzel sowie Mais. Während der Trockenzeit (Oktober bis April) betragen die Temperaturen 30 bis 35 Grad Celsius, und es wird auch nachts nicht wesentlich kühler.

Wolfgang Bittner an der Université d’Abomey-Calavi in Cotonou
 
Die hohe Arbeitslosigkeit lässt sich statistisch kaum erfassen und so etwas wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe gibt es nicht. Der Mindestlohn eines Arbeiters beträgt ungefähr 1.500 CFA Franc (ca. 2,30 Euro) am Tag. Fünfundsiebzig Prozent der Bevölkerung leben von weniger als zwei Dollar pro Tag und Kinderarbeit ist weit verbreitet. Sowohl in der Stadt als auch auf der Fahrt in den Norden sticht dem Reisenden die Armut ins Auge: Beiderseits der Straße kilometerweit armselige Hütten und Verschläge, nur hin und wieder unterbrochen von Ansiedlungen mit einstöckigen Steinhäusern in zumeist dürftigem Zustand. Allerdings verhungert niemand in Benin; nichtsdestoweniger sieht man nirgendwo wohlgenährte Kinder. Viele Menschen arbeiten mal hier und mal da, um sich ein paar Franc zu verdienen. Der Direktor einer Schule in der Nähe von Parakou bittet den Beauftragten der Bundeskanzlerin: „Helfen Sie uns bei der Schulspeisung und der Versorgung unserer Schüler mit Lernmitteln.“ Im Hof wird über dem offenen Feuer für Hunderte von Schülern Essen gekocht.

Der Autor im alten Königspalast in Ouidah
  
Bildung für die Jugend, ausreichend Nahrung, Arbeitsplätze: Das sind die Grundvoraussetzungen für die weitere positive Entwicklung des Landes. Die GIZ und die KfW, wie auch verschiedene Stiftungen und mehrere Organisationen anderer Länder, tragen dazu bei. Manches von den Geldern der Entwicklungshilfe kommt nicht dort an, wo es dringend gebraucht wird – nach wie vor ein Dilemma in vielen dieser afrikanischen Staaten. Aber die politischen Verhältnisse waren in Benin seit den ersten freien Wahlen im Jahre 1991 relativ stabil, und es ist für die Bevölkerung zu hoffen, dass es so bleibt. (PK)
 
Wolfgang Bittner, geb. 1941 in Gleiwitz, lebt als Schriftsteller in Göttingen. Der promovierte Jurist ist freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen. Bis 1974 ging er verschiedenen Berufstätigkeiten nach, u.a. als Fürsorgeangestellter, Verwaltungsbeamter und Rechtsanwalt. Ausgedehnte Reisen führten ihn nach Vorderasien, Mexiko, Kanada und Neuseeland, Gastprofessuren 2004/05 und 2006 nach Polen. Er erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen (2010 den Kölner Karls-Preis der NRhZ), ist Mitglied im P.E.N. und hat über 60 Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder veröffentlicht, unter anderem 15 Romane, den Erzählband "Das andere Leben" und das Sachbuch "Beruf: Schriftsteller". Weitere Informationen unter www.wolfgangbittner.de
 
 
Sein vor ein paar Wochen im VAT Verlag, Mainz, herausgegebener Gesellschaftsroman "Schattenriss oder Die Kur in Bad Schönenborn" hat 240 Seiten und kostet gebunden, 18,90 Euro. Eine Besprechung des Buches finden Sie in NRhZ 314.
Zitat aus einer von zahlreichen Rezensionen in den Medien: „Wolfgang Bittner gelingt mit seinem jüngsten Buch das Kunststück, ganz und gar nahes, gegenwärtiges und keineswegs außergewöhnliches Erleben des fiktiven deutschen Schriftstellers Ludwig Mahler zu erzählen und uns dennoch gefangen zu halten … Bittner geht es nicht nur um fesselnde Unterhaltung. In den Gesprächen und Disputen des Buchs zeichnet sich die Kontur der Gegenwartsprobleme und ihrer widersprüchlichen Reflexe in den Köpfen ab … Nicht zufällig entscheidet sich das Schicksal einer Kurbekanntschaft, die im deutschen Mittelgebirge beginnt, auf Manhatten.“ (Leipzigs Neue)


Online-Flyer Nr. 315  vom 17.08.2011



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