NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

zurück  
Druckversion

Inland
Erlangener Bund für Geistesfreiheit hat Probleme mit der Meinungsfreiheit
Urteil in einem Monat
Von Franziska Schneider

Im Erlangener Amtsgericht fand am Montag erneut eine Gerichtsverhandlung zum Thema "Meinungsfreiheit“ statt. Der Klägerantrag von Bertram Margraf hat das Ziel, nicht aus dem Bund für Geistesfreiheit (bfg) ausgeschlossen zu werden. Die Aufgabe des zuständigen Richters Moser war, zu entscheiden, ob dieser Ausschluss aus dem Verein gerechtfertigt sei. Anlass zum Ausschluss vom bfg war eine Rund-E-Mail vom 16. August 2010, in der Margraf sich solidarisch mit Frau Dr. Sabine Schiffer, Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen, erklärte. Margraf signalisierte in der E-Mail, dass es für den bfg an der Zeit wäre, sich bei Frau Schiffer zu entschuldigen.
 

Beklagter - Professor Dr. Theodor Ebert,
erster Vorsitzender des bfg
Foto: CC
Folgeprozess im "Fall Schiffer"
 
Gegen Frau Dr. Sabine Schiffer war ein Strafbefehl vom Amtsgericht Erlangen erlassen worden. Sie wurde beschuldigt, am 15. Juli 2009 in einem Interview mit dem iranischen Nachrichtensender I.R.I.B. gesagt zu haben, dass der Ehemann der im Landgericht Dresden ermordeten Ägypterin Marwa El-Sherbini bei dem Kampf mit dem Täter nach der Messer-attacke auf seine Frau „sicherlich aus rassistischen Gründen von einem Polizisten auch noch angeschossen wurde.“ Der betreffende Polizist und dessen Dienstvorgesetzter hatten wegen übler Nachrede einen Strafantrag gestellt, gegen den Frau Dr. Schiffer Einspruch erhoben und den Prozess gewonnen hat.
 
Eingeschränkte Geistesfreiheit
 
Der Beklagte, Professor Dr. Theodor Ebert, erster Vorsitzender des bfg, hatte am 16. März 2009 an den Direktor des Amtsgerichtes Erlangen einen Brief bezüglich des Strafverfahrens gegen Frau Dr. Schiffer geschrieben. Darin distanzierte er sich nachdrücklich von der Unterschriftenaktion „Kriminalisierung von Meinungsäußerungen statt Aufklärungsarbeit im Mordfall Marwa El-Sherbini“ zur Unterstützung von Frau Dr. Schiffer. Als Anlage übermittelte er dem Gericht den Beschluss der Mitgliederversammlung des bfg, die sich für ihre Meinungsbildung auf den Text des Strafbefehls stützen konnte. Darin steht, dass der bfg die Unterstützung der genannten Unterschriftenaktion ablehnt.
 

Kläger - Bertram Margraf
Foto: privat
Dies kritisierte Kläger Margraf als Mitglied im bfg in der erwähnten E-Mail mit folgenden Sätzen: „Sind wir nicht ein seltsamer Bund für Geistesfreiheit, der dann klatscht, wenn die Meinungs-freiheit eingeschränkt werden soll? Wenn der Bund für Geistes-freiheit von der Rechtsprechung überholt wird, ist er dann noch notwendig? Wozu braucht man ihn dann eigentlich noch? Sollten wir uns ob dieser "Klatsche“ durch das Gericht nicht in Grund und Boden schämen? Ist es nicht langsam an der Zeit, uns bei Frau Dr. Schiffer und beim Erlangener Bündnis für Frieden in aller Form zu entschuldigen?“ Daraufhin wurde Margraf auf Betreiben Eberts in einer außerordentlichen Vorstandssitzung aus dem bfg Erlangen ausgeschlossen. Margraf selbst nahm an der Mitgliederversammlung nicht teil.
 
Kindergarten im Amtsgericht
 
Bevor Richter Moser zur Einschätzung des Ausschlusses Margrafs aus dem bfg kam, fragte er Kläger- und Beklagtenseite, ob sie keinen anderen Ansatzpunkt für eine Klärung der Angelegenheit in Betracht ziehen könnten. Er könne zwar eine Entscheidung fällen, betonte aber, dass zwei so vielseitig engagierte Menschen auch in einem anderen Rahmen zu einer Lösung gelangen könnten. Doch zu einer von Margraf vorgeschlagenen Mediation war Ebert nicht bereit. 

Richter Moser begann daraufhin mit seiner Bewertung des Verfahrens in lediglich formeller Hinsicht. Die Begründung der zivilen Zuwiderhandlung für den Ausschluss sieht er nicht gegeben. Denn in der besagten E-Mail kritisiere Margraf zwar weitgehend polemisch, aber sein Ziel wäre es, eine andere Position im bfg zum Ausdruck zu bringen. Es liege mit der E-Mail also kein Handeln vor, das gegen einen Beschluss des bfg verstoße. Außerdem gäbe es verfahrens-rechtliche Probleme: Margraf hätte darüber in Kenntnis gesetzt werden sollen, dass es in der Mitgliederversammlung um seinen Ausschluss vom bfg ging.
 
Nachdem das Erlanger Amtsgericht im Fall Frau Dr. Schiffer schon einmal bewiesen hat, dass das Recht auf freie Meinungs-äußerung eines der kostbarsten Rechte ist, kann in diesem (Folge-)Prozess ein ähnliches Urteil erwartet werden. Der Beschluss soll am 20. Juni 2011 verkündet werden. (PK)


Online-Flyer Nr. 303  vom 25.05.2011

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE