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Inland
Mülheims OB vertritt nun alle Städte nördlich des "Weißwurst-Äquators"
Toller Erfolg für den Städtebund!
Von Lothar Reinhard

Vom 3. bis 5. Mai fand in Stuttgart der 36. Deutsche Städtetag statt - unter dem Motto "Zusammenhalt und Zukunft - nur mit starken Städten“. Von den acht neugewählten Präsidiumsmitgliedern des Städtebundes, der ca. 51 Millionen der in Deutschland lebenden Menschen repräsentiert, stammt nur Mülheims OB Dagmar Mühlenfeld von nördlich des Mains, dem sogenannten "Weißwurst-Äquator". Dabei liegen dort die mit großem Abstand meisten "richtigen“ Großstädte, wie Berlin, Hamburg, Leipzig, Dresden, Hannover, Bremen, Dortmund, Köln, Düsseldorf... Auch für Rheinland-Pfalz und Saarland gab es eine Fehlanzeige.
 

Dagmar Mühlenfeld: "Die Stadt bin ich"
NRhZ-Archiv
Gewählt wurden folgende Oberbürgermeister/innen: Uhde (München, SPD) als Präsident und Frau Roth (Frankfurt, CDU) als seine Vize. Stellvertreter sind die Herren Himmelsbach (Heilbronn, FDP), Malay (Nürnberg, SPD), Schaidinger (Regensburg, CSU), Schuster (Stuttgart, CDU), Frank (Konstanz, Grüne) und als Dame Frau Mühlenfeld (Mülheim, SPD).
 
Die Herkunft des gesamten Präsidiums verwundert: Wie nur ist das zu erklären, außer mit Parteienproporz? Ein Grüner musste her, und grüne Großstadt-OBs gibt es nur in Baden-Württemberg. Ein FDP`ler musste her, und die sind in Großstädten außer Heilbronn ebenso rar, seit der Dresdener ex-FDP-OB vornehmlich mit der Staatsanwaltschaft beschäftigt wurde. Dass wohl keine/r den Duisburger OB als Repräsentanten der Städte wollte, ist noch nachvollziehbar. Doch warum vertritt ausgerechnet Frau Mühlenfeld den gesamten Westen, Norden und Osten Deutschlands? Etwa als eine Art Quotenfrau? Doch dann hätte ja auch z.B. Ottilie Scholz, aus Bochum und ebenfalls SPD, Quote und Proporz sicherstellen können. Bochum ist immerhin deutlich größer als die kleine Großstadt Mülheim.
 
Kurzum: Es ist ein ungeklärtes Rätsel, warum dieses Präsidium bei nur 3 Gegenstimmen von ca. 700 wahlberechtigten Delegierten in diesem Missverhältnis überhaupt gewählt wurde. Am Mittwoch vor der Wahl murrten noch viele in den fünf verschiedenen Fachforen. Ein Delegierter meldete sich noch am Donnerstag zu Wort und wollte GegenkandidatInnen vorschlagen. Doch er wurde sofort darauf hingewiesen, dass KandidatInnen nur vom Hauptausschuss (HA) des Städtetages vorgeschlagen werden dürften und nur als Liste. Der HA hatte aber bereits am Dienstag getagt, also bevor die Delegierten etwas hätten beraten können. Ein seltsames Demokratieverständnis, denn die Frage muss erlaubt sein, warum dann derart viele Delegierte für viel Geld überhaupt angereist waren? Immerhin konnten sie aber am Abend zuvor auf Einladung von Mercedes deren gigantisches und tolles Firmen-Museum besichtigen (direkt neben der Mercedes-Benz-VfB-Arena), bevor sie vom Autokonzern mit Speis und Trank fürstlich beköstigt wurden.
 
Unabhängig von alledem aber bleibt das Rätsel, warum der deutsche Städtetag sich ein derart unausgewogenes Präsidium gab, in dem (fast) nur die reichen süddeutschen Städte vertreten sind. Vielleicht hätte man das Tagungsmotto nur anders formulieren müssen - "Schwerpunkt nur auf starken Städten“ -, um das verstehen zu können. Dann nämlich wollte der Städtetag Zusammenhalt und Zukunft nur mit den starken Städten, mit den schwächlicheren aber nicht. Und die liegen fast alle nördlich der "Weißwurst-Grenze".
 
Doch egal und Ironie beiseite. Frau Mühlenfeld ließ sich zu Hause in WAZ und NRZ feiern als angeblich neue "Vize-Chefin“ von der NRZ, obwohl dies ja die CDU-Frau Roth aus Frankfurt geworden war. Dabei war sie bereits seit kurz nach ihrer Wahl zur OB-Baganz-Nachfolgerin 2003 stets im Präsidium des Städtetages vertreten! Sie sitzt auch im Präsidium des NRW-Städtetages, ebenso im erlauchten RWE-Aufsichtsrat, ist Sprecherin des Städtebündnisses "Raus aus den Schulden“, mit dem die bankrottesten aller NRW-Städte um Geld aus Düsseldorf und Berlin betteln, und sie sitzt in etlichen Aufsichtsräten der meist privatisierten städtischen Beteiligungen, fast immer als Vorsitzende.
 
Wenn Frau Mühlenfeld als Multifunktionärin also im Städtetag als Einzige das Gros der wirklich finanziell notleidenden Städte vornehmlich im Ruhrgebiet und im Bergischen Land vertritt, muss man als Ratsherr ihrer Stadt deutliche Zweifel hegen, ob sie dafür die Richtige ist. Die Haushaltspolitik in Mülheim ist nämlich bedenklich unseriös und erinnert eher an griechische Verhältnisse.
 
Vor den Kommunalwahlen 2009 hat sie genau wie u.a. die Verantwortlichen in Dortmund das wahre Ausmaß der Hyperverschuldung wissentlich geleugnet. Der Etat 2010 wurde dann auch erst im Oktober 2010(!) verabschiedet, um so weiter ungeniert Gelder für das schwindsüchtige Prestigeprojekt Ruhrbania, für den Stadionausbau, für immer weitere Pöstchenvermehrung usw. ausgeben zu können. Die Kassenkredite der Stadt Mülheim betrugen bei explodierender Tendenz allein 2010 bereits 550 Mio. Euro bei weit weniger als 500 Mio. Gesamteinnahmen. Alle die vielen größeren Investitionen der letzten Jahre wurden per Umwegfinanzierung über PPP oder PPP-ähnliche Konstruktionen am Etat vorbei getätigt.
 
Die gesamten Ergebnisse von nun acht Jahren Ära Mühlenfeld sind verheerend:
> Eine völlig danieder liegende Innenstadt und seit Jahren in Trümmern wie nach einem Krieg,
> ein exorbitant hoher Privatisierungsgrad und damit die Verschuldung auch der Kinder und Enkel durch die PPP-Projekte in allen Bereichen und
> eine auch deshalb verkümmerte demokratische Kultur, die bei vielen städtischen Angelegenheiten inzwischen außen vor ist,
> ferner eine viel zu starke Bindung an das RWE und den Aktienbesitz, was sich als gravierender Pferdefuß erweisen wird, unabhängig davon, dass die Aufsichtsrätin Mühlenfeld dem RWE sogar vorzeitig die Verlängerung der Stromkonzession sichern wollte und will. Auch damit befände sich Mülheim im Gegensatz zum bundesweit vorherrschenden Trend der Rekommunalisierung!
 
Kurzum: Die Stadt der Frau Mühlenfeld wurde trotz deutlich besserer Ausgangsbedingungen als alle Nachbarstädte regelrecht an die Wand gefahren. Sie ist also sicher in vielen Feldern kein Vorbild für die vielen Städte des Westens und Nordens mit enormen Problemen und ebenso wenig für die Städte im Osten.
 
Frau Mühlenfeld predigt als Sprecherin des Städtebündnisses "Raus aus den Schulden“ immer wieder das einzige Heil in viel mehr Zuschüssen von Bund und Land. Ihre Mülheimer Parteikollegin Hannelore Kraft versucht als NRW-Ministerpräsidentin trotz verfassungswidriger Verschuldung auch, den Kommunen viele Millionen zusätzlich zukommen zu lassen. Und ihr Innenminister Jäger, der z.Zt. in Duisburg wegen seltsamer Kandidatenaufstellungen seiner SPD im Gerede ist, konnte im Fachforum des Städteforums zur Schuldenbremse einzig Steuererhöhungen propagieren.
 
Zusammenfassend bleibt also das oben genannte Rätsel des Städtetages ungelöst. Die Befürchtung, dass die meisten deutschen Städte mit existenziellen Finanzproblemen im Städtetag abgekoppelt sind, ist durch Frau Mühlenfeld als einziger Vertreterin für West-, Nord- und Ostdeutschland sicher nicht geringer einzuschätzen.
 
Ihre Ankündigung in der NRZ vom 6. Mai, sie verstehe ihre Wahl daher auch „als Aufforderung, die Perspektiven des Ruhrgebiets und der Städteregionen in NRW zu verdeutlichen“, wirkt wenig überzeugend. Auf der RWE-Hauptversammlung am 20. April saß sie ja auch stumm wie ein Fisch im Podium, obwohl der Rat ihrer Stadt Mülheim sie per Beschluss verpflichtet hatte, RWE in der Hauptversammlung von seiner Klage gegen das AKW-Moratorium abzubringen. Wenn sie also nun ähnlich "beherzt“ die gesamten Städte in West-, Ost- und Norddeutschland im Städtetag vertritt, dann gute Nacht! (PK)
 
Lothar Reinhard ist Fraktionssprecher der Mülheimer Bürger Initiativen (MBI)


Online-Flyer Nr. 301  vom 11.05.2011



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