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Kommentar
Kommentar vom Fuße des Blauen
"Kriegsverherrlicher" und Zensoren
Von Evelyn Hecht-Galinski

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, kann es nicht lassen! Ich frage, ist es die Aufgabe eines Vorsitzenden einer Glaubensgemeinschaft und Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Bundesregierung aufzuforden in den Krieg gegen Gaddafi zu ziehen? Graumann der hier als "Kriegsverherrlicher" auftritt, hörte sich während des Ägypten- Aufstands noch ganz anders an. Spricht hier, wie schon so oft vorher das "Sprachrohr" der israelischen Regierung? Willkürlich werden eben noch genehme "Diktatoren" zu feindlichen Regimen. Heute Libyen, und morgen "die ganze arabische (nicht genehme) Welt". 

Übrigens: die Rolle Israels in all diesen Konflikten ist mehr als "zwielichtig", da niemand weiß, wie viel Israel wirklich "dazu tut". Illoyal ist nicht die deutsche Regierung, nein Präsident Graumann, Ihre Forderungen und Anmaßungen sind "illoyal und rechthaberisch"! Sind Sie sich eigentlich bewusst, dass Sie sich und Ihre "Glaubensgenossen" immer mehr ins Abseits stellen? Hier sollten wir uns alle miteinander "empören"!

Herr Graumann, warum kritisieren Sie nicht die Luftangriffe auf Gaza, mit "Toten aus Versehen"? Sie handeln immer nach der Maxime: Israel ist das angegriffene Opfer, das sich nur zu Verteidigungszwecken wehrt. Wie lange glauben Sie eigentlich Herr Graumann, dass Sie mit Ihren Unwahrheiten und Verdrehungen die Öffentlichkeit noch "hinters Licht führen" können? Ich frage weiter: warum schreitet die Jüdische Gemeinde Düsseldorf in Gestalt von Herrn Szenti-Heise ein und interveniert um die Nakba-Ausstellung in Düsseldorf verbieten zu lassen? Ist Deutschland schon soweit "heruntergekommen", dass städtische Bildungseinrichtungen der "Meinungsfreiheit der jüdischen Gemeinde" unterliegen?

Auch ich machte schon vor Jahren sehr unrühmliche Erfahrungen mit dem damaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Scheinmann, der Zensur übte und das Sobol Stück "Die Palästinenserin" nicht im Düsseldorfer Schauspielhaus aufgeführt haben wollte. Ich, als damaliges Mitglied der jüdischen Gemeinde, empörte mich dermaßen, dass ich Leserbriefe dazu schrieb, in der Aktuellen Stunde des WDR gegen Scheinmann Stellung bezog und den damaligen Intendanten Volker Canaris "in seinem Kampf" gegen die Willkür und Allmacht der jüdischen Gemeinde unterstützte. Letztlich mussten wir dann ins "Exil", in das Bonner Schauspielhaus gehen. Wieder einmal ein eklatanter Fall von Beschneidung der Meinungsfreiheit in der Stadt von Heinrich Heine, der sicher in seinem Grab in Paris "rotiert" hätte, wenn er von dieser unsäglichen Einmischung erfahren hätte.

"Die Gedanken sind frei", schrieb Heine. Das halte ich für zu wenig. Auch die Nakba-Ausstellung muss frei zugänglich sein, überall!! Unerträglich wenn "Kriegsphilosophen" wie B. Henry-Levy und A. Glücksmann die Kriegs und Weltpolitik "lobbyieren" und Obama und Sarkozy in den Libyen-Krieg treiben. Ich bin froh, dass Merkel und Westerwelle diesmal nicht auf Graumann hörten. Nicht etwa dass das ihre Politik besser oder glaubwürdiger macht!!!

Ich frage Sie weiter Präsident Graumann: warum haben Sie, im Gegensatz zu den Christlichen Kirchen, nicht zur Teilnahme an den jüngsten Anti-Atom-Demonstrationen aufgerufen? Sind Sie da wieder zu sehr in Gedanken in Israel, bei "Dimona", dem Reaktor, der dort in den 60er Jahren in Betrieb genommen wurde?

Stellen wir nochmal klar: Israel meint, im Schatten der "Unruhen" und der Revolutionsstimmung im Nahen Osten und in Nordafrika weitermachen zu können wie bisher. Die Regierung in Israel ist auch ein "Regime", das Menschenrechtsverletzungen ausübt. Wann werden wir dagegen aufstehen und nicht mehr zulassen, dass Israel seine Politik so fortsetzen kann? Wir machen uns schuldig, wenn wir nur mit dem Wahlschein minimale Veränderungen herbeiführen.

Da lobe ich mir die französischen jüdisch/palästinensischen Aktivisten. Sie scheuen sich nicht, die BDS-Kampagnen in französischen Supermärkten durchzuführen, wissend, dass sie deshalb auch vor der französischen Justiz zu landen. Ich war extra in Paris-Bobigny und konnte dort die Demonstration miterleben und den anschließenden Prozess, in dem im Oktober ein Urteil gesprochen werden soll. Dabei erlebte ich Solidarität zwischen jüdischen und palästinensischen Aktivisten, die gemeinsam demonstrieren, boykottieren und vor Gericht stehen. Daraus können wir in Deutschland noch viel lernen, denn diese gemeinsame solidarische Arbeit liegt bei uns noch sehr im Argen.

Chapeau! Hut ab, auch vor den Bremer Linken die ihren Boykott israelischer Waren trotz Schmutzkampagnen und Widerständen durchführten. Lassen wir uns nicht immer wieder "aufs neue" von den Propaganda-Unwahrheiten der "Israel-Lobby" einschüchtern. Es geht das nicht um "Kauft nicht bei Juden", sondern das ist eine Bewegung, die sagt: "Kauft nicht Waren eines die Palästinenser unterdrückenden Staates"! Das müssen wir uns täglich bewusst machen und nicht ständig der Gehirnwäsche durch Falschinformation unterliegen - von wem auch immer. (PK)

Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Mit diesem Kommentar setzt sie ihre Serie fort, die sie "vom Fuße des Blauen", ihrem 1186 m hohen "Hausberg" im Badischen, schreibt.

Online-Flyer Nr. 295  vom 30.03.2011



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